Die kontinuierliche Arbeit an der ethischen Maschine, die unter anderem durch diesen Blog über Jahre begleitet wurde, hat sich gelohnt. Ab jetzt können ethische Maschinen wirklich gebaut und in Auftrag gegeben werden. IEEE, der größte Ingenieursverband der Welt mit 420.000 Mitgliedern, hat den IEEE-7000-Standard veröffentlicht.

Normative Standards

Wer ist IEEE? Wir profitieren von der Arbeit dieses globalen Berufsverbands, wenn wir zum Beispiel überall auf der Welt WLAN nutzen und dank der technischen Protokollstandardisierung keine Probleme haben, uns einzuloggen. Der Slogan, den IEEE für sich schon lange führt, lautet "Technology for Humanity". Aber in den letzten Jahren habe auch ich immer wieder hier berichtet, dass viele Technologien schlechten Zwecken zugeführt werden und die Qualität leidet. Nicht nur die Gesprächsqualität am Telefon, sondern auch Geschäftsmodelle wie der Überwachungskapitalismus, Hassrede im Netz, Sucht, Filterblasen schaffende KIs. All das ist wenig wünschenswert.

Daher hat IEEE hier in Wien vor sechs Jahren die Entwicklung eines normativen Standards angestoßen, der Innovations- und Entwicklerteams in Unternehmen helfen soll, eine Kehrtwende zu machen. Innovations- und IT-Abteilungen von Unternehmen finden darin eine klare Anleitung, wie sie "wertvolle" Technologie im Bewusstsein ethischer Fragen entwickeln können. Die Qualitätsprobleme der IT werden frühzeitig im Innovationsprozess erkannt und angegangen. Das Risiko, dass die Technologie ihren Nutzern oder der Gesellschaft schaden könnte, wird dadurch stark reduziert.

Der neue Standard wurde in Wien entwickelt.
Foto: GREG BAKER / AFP

Im Bewusstsein ethischer Fragen

Value-based Engineering (VbE) wie der Verband es nennt, hilft bei der Entwicklung von Narrativen, die sich von Science-Fiction und Transhumanismus lossagen. Die Verwendung der Methode macht die wahren Wertschöpfungspotenziale eines Unternehmens sichtbar und transparent und erlaubt es, viele negative Risiken vorherzusehen und frühzeitig abzufangen. Unsere Case Studies an der Wirtschaftsuniversität Wien zur Prüfung der Standardmethode zeigen, dass IT-Innovatoren mindestens zehn kritische Wertrisiken pro Projektbeteiligtem sehen, wo klassisches Produkt-Roadmaps gar nichts sehen. Investitionsentscheidungen werden also deutlich realistischer.

Value-based Engineering mit IEEE 7000 wurde in einer Kooperation zwischen der WU und Unicef in Afrika erprobt, um die Yoma-Plattform für die Entwicklung von Jugendlichen aufzubauen. Dem Mainstream-Narrativ der heutigen IT-Industrie folgend, konzentrierte sich Yoma zunächst auf eine KI-gesteuerte Talentberechnungsmaschine. Durch Value-based Engineering wurde daraus stattdessen eine Community-Plattform zur gegenseitigen und lokalen Unterstützung der afrikanischen Jugend. (Sarah Spiekermann, 27.9.2021)