Haben Sie vielleicht eine Vespa? Das wäre am besten, denn dann sind wir schnell unterwegs und können überall parken. Ansonsten schnappen Sie sich einfach ein E-Bike von uns. E-Roller haben wir auch, falls Ihnen das lieber ist. Also dann, bis morgen!" Das Telefongespräch mit Vizebürgermeisterin Silvia Drechsler hat nur wenige Minuten gedauert – und alles geklärt. Treffpunkt am nächsten Tag um acht Uhr morgens im Café Posthof, direkt in der Altstadt, mit Kipferl und Kaffee. "Dann schießen Sie mal los! Was führt Sie zu uns?"

Parkgestaltung Fliegenspitz

Foto: Czaja

Mödling, ausgerechnet Mödling, wurde vorgestern, Donnerstag, mit dem Baukulturgemeinde-Preis 2021 ausgezeichnet. Für viele kommt der Preis, den der Verein Landluft alle paar Jahre an die architektonisch und raumplanerisch innovativsten Kommunen Österreichs vergibt, überraschend. Doch die altehrwürdige Babenbergerstadt, die rund herum von Nachbargemeinden eingekesselt ist und die noch dazu zur Hälfte im unverbaubaren Bio sphärenpark Wienerwald liegt, hat nicht nur ein ordentliches Wachstums- und Siedlungsproblem, sondern hat auch einige ziemlich schlaue Strategien entwickelt, um dieser politischen, geografischen, demografischen, stadtplanerischen und immobilienwirtschaftlichen Probleme Herrin zu werden.

"Eines der radikalsten Bekenntnisse zur Baukultur ist wahrscheinlich, dass wir kein zusätzliches Bauland widmen und dass wir mit den unbebauten Flächen sparsam und achtsam umgehen", sagt Drechsler, Vizebürgermeisterin (SP) und Stadträtin für Stadtentwicklung, Raumplanung und Bürgerbeteiligung. "Damit haben wir uns nicht nur Freunde gemacht. Aber bei dieser speziellen Lage haben wir keine andere Chance."

"Unser Baulandkonto ist leer"

In den vergangenen Jahrzehnten gab es in Mödling die Möglichkeit zum Kuhhandel: Für jeden Quadratmeter Grünland, der in Bauland umgewidmet wurde, musste wo anders ein Quadratmeter Bauland in Grünland rückumgewandelt werden. Es herrschte ein stetiges Farbflächengleichgewicht auf dem Flächenwidmungsplan. "Doch auch damit ist jetzt Schluss", meint Drechsler. "Am 1. Jänner 2021 haben wir alle Baulandreserven auf null zurückgesetzt. Unser Baulandkonto ist leer. Jetzt müssen wir mit dem arbeiten, was da ist."

Schrannenplatz in der Altstadt
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Und die Spielregeln sind streng: 2000 wurde das erste Örtliche Entwicklungskonzept beschlossen, die Innenstadt in unterschiedliche Schutzzonen unterteilt, und seit 2007 gibt es einen fünfköpfigen Gestaltungsbeirat, der mit Argusaugen über die architektonische Qualität aller zentrumsnahen Projekte wacht. Drechsler: "Der Beirat hat viel Gutes ermöglicht. Aber nur die wenigsten können sich vorstellen, was er zum Glück auch schon alles gestoppt und verhindert hat!"

Auf der positiven Saldenliste des Beirats stehen beispielsweise der Umbau des Josef-Hyrtl-Platzes vor der Waisenhauskirche, die Wohnbebauung der Rotkreuzgründe, die Renaturierung des Mödlingsbachs, die Anlegung der ersten Schwammstadt-Straße Niederösterreichs, der Zubau beim Bundesrealgymnasium, wobei der neue Haupteingang von der Wohnsiedlung mutigerweise an die autofreie und ausschließlich fuß- und radläufig erreichbare Toni-Berg-Promenade verlegt wurde, sowie diverse geförderte und frei finanzierte Wohnbauten, die so manches Großstadtprojekt qualitativ in den Schatten stellen. Wie von einem anderen Kontinent wirkt die Neugestaltung des Fliegenspitzes mit Wiesengräsern, Wasserspielen und einer mit Cortenstahl verkleideten Flugdachskulptur. Jeden Freitag findet hier ein kleiner Bauernmarkt statt.

Gender-Piktogramm in der Goethegasse
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Vorbild Vorarlberg

Das nächste große Projekt ist die Bebauung des Neusiedlerviertels im Süden der Stadt, wo die Bundes immobiliengesellschaft (BIG) mit ihrer Wohnungstochter Austrian Real Estate (ARE) einen Stadtteil mit rund 260 Wohnungen errichtet. "Wir haben mit der ARE einen ziemlich umfassenden städtebaulichen Vertrag abgeschlossen, der einen öffentlichen Park, eine öffentliche Durchwegung, die Errichtung eines Nahversorgers und einen gewissen Prozentsatz an geförderten Wohnungen umfasst", sagt Rainer Praschak, Vizebürgermeister und grüner Stadtrat für Stadtplanung und Mobilität. "Außerdem machen wir hier ein begleitendes Quartiersmanagement mit regelmäßigen Informations- und Partizipationsveranstaltungen."

Fast hätte Praschak vergessen zu erwähnen, dass am 1. Dezember 2021 das Pilotprojekt "ARGE Mobilregion Mödling" startet. Mit den hier teilnehmenden Anrufsammeltaxis (AST) wird man für zwei Euro einen Standort in Mödling und für vier Euro die Nachbargemeinden und die U6-Station Siebenhirten in Wien erreichen können. Oder dass in der Goethegasse vor ein paar Monaten erstmals weibliche Radfahrerinnen-Piktogramme auf den Asphalt gepinselt wurden. Oder dass es seit 2010 nach dem Vorbild Vorarlbergs einen Bürgerinnenrat gibt, mit dem über wichtige Schritte der Stadtentwicklung beraten wird.

Wohnbau in der Quellenstraße
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Fragt sich nur: Warum tut sich eine Gemeinde den Aufwand an? "Mödling war immer schon eine schöne, lebenswerte Gemeinde, und es liegt in unserer Verantwortung, diese Qualität in die Zukunft weiterzutragen und die dafür notwendigen Strukturen weiterzuentwickeln", sagt Bürgermeister Hans Stefan Hintner (VP). "Den Preis sehe ich als Auftrag, hier nicht locker zulassen. Falco hat nach seinem Megahit Amadeus ja auch nicht aufgehört, sondern ist noch weiter gewachsen."

Wie man sich als Gemeinde weiterentwickeln kann, das zeigen Mödling, die drei anderen Preis träger Thalgau, Göfis und Feldkirch sowie die vielen Sonderpreise, Anerkennungen und Nominierungen des diesjährigen Landluft-Preises wunderbar vor. Nachahmung erwünscht. (Wojciech Czaja, 26.09.2021)