James Bond hat diesmal nicht das Steuer in der Hand: Lashana Lynch als Nomi und Daniel Craig als 007.
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Sechs Jahre sind eine lange Zeit, jedenfalls in einer populären Kultur, die nur noch den Sauseschritt und das Posting-Stakkato zu kennen scheint. Sechs Jahre liegt James Bond 007: Spectre zurück, der bislang letzte Film aus der Reihe mit dem britischen Geheimagenten.

Nächste Woche startet endlich der Nachfolger: Keine Zeit zu sterben. Es hätte natürlich nicht ganz so lang dauern sollen, ursprünglich hätte die Abschiedsvorstellung von Daniel Craig schon im Vorjahr herauskommen sollen, dann wurde der neue Bond zugleich das prominenteste Corona-Opfer aus dem Kinobereich, wie nun auch der Heilsbringer für eine Branche, die nach wie vor wieder Tritt zu fassen versucht.

Ob man nun aber fünf oder sechs Jahre für die wie immer von vielen Gerüchten umgebene Produktion veranschlagt, ist nicht wesentlich. Entscheidend ist, dass seit 2015 eine Reihe von Dingen passiert sind, an denen James Bond mit keinem seiner Autos oder auch mit anderen seiner Vehikel so vorbeikommt.

2015 gab es zwar auch schon erhöhte Aufmerksamkeit für das Verhältnis von Mann und Frau – oder Playboy und "Girl"–, generell für die Facetten der Mackerei bei dem Agenten mit der Lizenz zum Töten und einer Reputation des Flachlegens. Es war dann aber erst der Hashtag #MeToo infolge der Anklagen gegen den Produzenten Harvey Weinstein, der 2017 mit Wucht alles auf neu setzte.

Der "Vergewaltiger" Bond

Dass das Frauenheldentum weiterhin zum innersten Kern der Bond-Figur gehört, wird sich dieses Mal vor einer noch strengeren Öffentlichkeit zu erweisen haben. Regisseur Cary Fukunaga erhöhte jedenfalls kurz vor dem Start noch einmal den Einsatz, indem er den James Bond, den Sean Connery in Feuerball (1965) spielte, als "Vergewaltiger" bezeichnete.

Seit 2015 hat sich aber auch das Verständnis von negativer Weltherrschaft noch einmal gründlich gewandelt. Die Bond-Filme hatten zuletzt ja Superorganisationen des Bösen wie umgekehrte Matrjoschka-Figuren hervorgezaubert, aus Quantum wurde Spectre, die nun vielleicht in etwas noch Größerem und Üblerem aufgehoben wird. Der Schauspieler Rami Malek, der als Freddie Mercury für Furore sorgte und dieses Mal der Schurke sein wird, hat jedenfalls ausdrücklich darauf bestanden, dass er nicht für den Orientalismus zur Verfügung steht, dem er bei oberflächlicher Betrachtung vielleicht Vorschub leisten könnte. Das Böse muss in Keine Zeit zum Sterben also abstrakter sein, als es kulturalisierende Konstruktionen suggerieren könnten.

Rewrites von Phoebe Waller-Bridge

Es muss wohl auch technologischer sein, denn die Zeit seit 2015 sah ja auch eine Explosion der Plattform-Ökonomien und generell der Überhandnahme von Datenwelt. Ob sich die Schurkenfunktion im neuen Bond auch noch virologisch durchseuchen ließ, ist eine der spannenden Fragen. Die Dreharbeiten, die im Wesentlichen 2019 stattfanden, wussten jedenfalls noch nichts von Corona. Sowohl die Geschlechterpolitik wie die Versuche, dunkle Totalität zu erfassen, laufen in einer der am meisten beachteten Personalien der Produktion von Keine Zeit zu sterben zusammen.

Für Rewrites wurde – auf persönlichen Wunsch von Daniel Craig, wie es heißt – Phoebe Waller-Bridge verpflichtet. Die britische Autorin und Schauspielerin war seit 2015 an zwei wichtigen Serien beteiligt: In der Sitcom Fleabag war sie Autorin und selbst der Star, bei der Thriller-Reihe Killing Eve war sie die hauptsächliche Entwicklerin.

Interessant ist dabei auch, dass Fleabag von konsequenteren Feministinnen durchaus kritisch gesehen wird, immerhin verliebt sich die Titelfigur in einen Pfarrer und ist insgesamt – eine sarkastische Akzeptanz von Analverkehr und eine stark eingeschränkte allgemeine Gesellschaftsfähigkeit einmal abgerechnet – durchaus altmodisch. Daniel Craig dürfte sich von Waller-Bridge vermutlich ein erhöhtes Maß von Wisecracks erwartet haben, also von Dialogschärfe.

Jagd nach Rekorden

Für die ewige Jagd der Bond-Filme nach Rekorden der denkbaren Destruktion ist aber durchaus auch von Belang, mit welcher Nonchalance Killing Eve das Innerste der Gefahr als Hokuspokus erscheinen lässt: In der Serie heißt das dortige Spectre-Quantum einfach "die Zwölf", dahinter ist dann deutlich – und absichtlich – schon heiße Luft.

Eine B-Film-Coolness, mit der Killing Eve das einschlägige Genre in den Beschleuniger wirft, könnte dem Bond-Franchise guttun. Dort ging es zuletzt ja eher in Richtung Shakespeare als in Richtung Maxwell Smart. Und der Regisseur Cary Fukunaga ist auch eher nicht für Understatement bekannt.

Leider werden wir wohl nie erfahren, was Danny Boyle mit der Bond-Figur vorhatte, der mit dem Bond-Establishment um Barbara Broccoli auf keinen grünen Zweig kam und als Regisseur wieder ausschied. Mit Steve Jobs und Yesterday fiel Boyle seit 2015 jedenfalls zweimal sehr positiv auf. Er wollte aber mit seinem eigenen Autor John Hodge arbeiten, und geriet damit zu tief in die Umschreibfabrik, aus der jeder Bond-Film hervorgeht.

Für Daniel Craig, der für seine fünf Bond-Filme auch immer einiges Autorenpathos reklamiert hatte, ist nach Keine Zeit zu sterben Schluss. Sein Nachfolger wird im gesamten Spektrum an Identitäten und Repräsentationen zu suchen sein, auf dessen Diversität die populäre Kultur so eingehend zu achten gelernt hat. Ob das auch gleich heißt, dass der nächste Bond "farbenblind" besetzt wird (zum Beispiel mit Regé-Jean Page aus Bridgerton), hängt wohl auch davon ab, was die Posting-Stakkatos über Craigs Finale ab nächster Woche so erkennen lassen. (Bert Rebhandl, 25.9.2021)