Zuletzt erzielten CDU-geführte Regierungen merklich höhere Aktienrenditen. Am besten schnitt Helmut Kohl ab.

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Politische Börsen haben kurze Beine." Unter Börsianern ist dies ein geflügelter Ausspruch, dem zufolge auf lange Sicht nicht die Politik über die Richtung der Finanzmärkte bestimmt, sondern allein die wirtschaftliche Entwicklung. Aber stimmt das auch wirklich immer? Beim Brexit-Referendum sind etwa langfristige Weichenstellungen erfolgt, die auch das wirtschaftliche Wohlergehen der Briten maßgeblich mitbestimmen. Dem Londoner Aktienmarkt hat es nicht gutgetan: In den fünf Jahren seit dem Referendum über den EU-Austritt ist der Leitindex nur seitwärts gelaufen, während an etlichen anderen Handelsplätzen neue Rekorde gefeiert wurden.

Zugegeben, bei der am Sonntag in Deutschland anstehenden Bundestagswahl geht es zwar nicht um derart gravierende Kursänderungen, allerdings wird und die neue Regierung wichtige Akzente setzen müssen. Etwa im Bereich der Dekarbonisierung, wobei es nicht um das Ob, sondern um das Wie geht – und zu wessen Lasten der Wandel geht.

"Sofern sich die Stimmenzuwächse für die Mitte-links-Parteien beim Wahlergebnis bestätigen, könnten sich deren Inhalte auch verstärkt im zukünftigen Regierungspaket widerspiegeln", erwartet Fondsmanager Thomas Schuckert von Erste Asset Management. Er erwartet für diesen Fall eine expansivere Fiskalpolitik und einen stärkeren Fokus auf soziale Aspekte wie eine Anhebung des Mindestlohns oder von Transferleistungen. Chefökonom Gilles Moëc von AXA Investment Managers glaubt, dass dazu jedoch Steuererhöhungen nötig wären.

Staatshaushalt

"Eine lockere Fiskalpolitik könnte das Wirtschaftswachstum weiterhin unterstützen", ergänzt Schuckert. Einer Untersuchung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zufolge würde die Agenda der Grünen zu einem Gewinn für die deutschen Staatsfinanzen in Höhe von 18 Milliarden Euro führen, wobei die SPD mit plus 14 Milliarden Euro sehr ähnlich liegt. Bei der FDP würden die Einnahmen hingegen um 87 Milliarden Euro absacken, hauptsächlich wegen deren Vorhaben, die Unternehmenssteuer zu senken. Bei der CDU würde sich das Minus auf 32 Milliarden Euro belaufen.

Der mögliche Wahlsieg der SPD wirft zudem Parallelen zum Jahr 1998 auf, als diese den Urnengang gewann und Gerhard Schröder seinen CDU-Vorgänger Helmut Kohl als Bundeskanzler ablöste. An der Börse saß der Schock tief: Der Dax sackte kurzfristig um mehr als zehn Prozent ab. Allein, diese Verluste wurden damals beinahe genauso schnell wieder aufgeholt.

Merkel mit guter Bilanz

Auf lange Sicht konnte Schröder dennoch nicht mit seinem Vorgänger Schritt halten. In seiner bis 2005 andauernden Amtszeit konnte der Dax eine jährliche Rendite von 1,2 Prozent erzielen – welche verglichen mit den stattlichen 14,5 Prozent an jährlichem Ertrag während der Ära Kohl (1973 bis 1998) ziemlich mager wirkt. Etwa dazwischen reiht sich übrigens die derzeitige große Koalition unter CDU-Kanzlerin Angela Merkel mit jährlich 7,6 Prozent plus beim Dax ein.

Wie belastbar der Zusammenhang zwischen den höheren Renditen unter CDU-Regierungen tatsächlich ist, bleibt fraglich. Schließlich sind fast alle Konzerne des Leitindex Dax global tätig und agieren auf vielen Märkten. Ihr Wohlergehen hängt also stärker von der Weltwirtschaft ab als nur von der deutschen Konjunktur. Eine Änderung bei der Besteuerung der Konzernerträge kann sehr wohl auf die ausgewiesenen Gewinne durchschlagen, deren Entwicklung die Aktienmärkte à la longue antreibt.

Grünes Licht

Markus Müller, Chefökonom beim Wealth Management der Deutschen Bank, sieht in der Wahl zwar einen Risikofaktor, er fügt aber hinzu: "Wahrscheinlich wird sie auf die Börse keine großen Auswirkungen haben." Für europäische Aktien gibt er ungeachtet kurzfristiger Rücksetzer generell grünes Licht, da diese über Aufwärtspotenzial verfügten – besonders konjunktursensible Branchen und Substanzwerte. (Alexander Hahn, 25.9.2021)