Seine Aussage im Ibiza-U-Ausschuss zum Themenkomplex Öbag resultierte für Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nun in einer richterlichen Einvernahme.

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Wien – Nach Bekanntwerden des Einvernahmeprotokolls, das bei der Befragung von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) durch einen Richter wegen des Verdachts auf Falschaussage im Ibiza-U-Ausschuss zum Themenkomplex Öbag entstanden ist – DER STANDARD berichtete darüber am Freitagabend –, kritisierten Neos und SPÖ am Samstag das in dem 151-Seiten-Protokoll dokumentierte Verhalten des Bundeskanzlers. Er habe sich "respektlos" verhalten und sei wohl "hochnervös", hieß es in zwei Pressemitteilungen.

Im Kern geht es bei der Causa um die Frage, wie intensiv Kurz unter Türkis-Blau in die Reform der Staatsholding Öbag involviert war. Bei seiner Befragung im Ausschuss hatte der Kanzler seine Rolle bei der Auswahl des Aufsichtsrats sowie bei der Bestellung des umstrittenen Ex-Öbag-Chefs Thomas Schmid heruntergespielt und sinngemäß von normalen Vorgängen gesprochen. Später aufgetauchte Chatprotokolle legten allerdings eine enge Abstimmung zwischen Schmid und Kurz nahe.

Neos fordern rasche Aufklärung durch Kurz

"Kanzler Kurz muss endlich sein Versprechen einlösen und tatsächlich dazu beitragen, dass die Vorgänge rund um die Bestellung von Thomas Schmid zum Öbag-Vorstand und der Verdacht, er habe vor dem Untersuchungsausschuss falsch ausgesagt, rasch und restlos aufgeklärt werden", sagte Neos-Generalsekretär Douglas Hoyos am Samstag. Stattdessen zeige die Beschuldigtenvernehmung "einmal mehr Kurz’ fehlenden Respekt vor den Institutionen, aber keinen Willen zur Aufklärung".

Natürlich stünden Kurz alle Rechte zu, die auch allen anderen Beschuldigten in einem Rechtsstaat zustehen", betonte Hoyos: "Aber als Kanzler ist er dringend aufgefordert, nicht noch weiter auf Zeit zu spielen und alles zu verzögern." Als Regierungschef dürfe er das Verfahren nicht unnötig in die Länge ziehen: "Den ermittelnden Staatsanwalt respektlos zu behandeln und seine Fragen nicht zu beantworten, trägt nicht zur raschen Aufklärung bei", meinte Hoyos.

Schlechte Chemie zwischen Kanzler und Staatsanwalt

Der Neos-Generalsekretär bezieht sich damit wohl auf Gesprächspassagen wie jene, als Kanzler Kurz die Befragung zuerst durch einen jungen Richter des Wiener Landesgericht für Strafsachen zwar über Stunden durchzog, danach aber Fragen durch Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WkStA) nicht mehr beantworten wollte und die Einvernahme nach fünf Stunden abgebrochen hat: "Das funktioniert nicht so gut zwischen uns", meinte Kurz demnach am 3. September um 19.20 Uhr.

An einer anderen Stelle, im Gespräch mit dem Einzelrichter, kam es zu folgender Dialogszene. Da fragte ihn der Richter, ob er und der damalige Finanzminister Hartwig Löger gemeinsam nach einer neuen Kandidatin für den Öbag-Aufsichtsrat gesucht hätten; wie eine Bildunterschrift im Wirtschaftsmagazin "Trend" damals berichtete. "Das ist nicht Ihr Ernst, oder?", fragt der Kanzler den Richter; um dann doch ausführlich zu antworten.

SPÖ wirft dem Kanzler juristische Hybris vor

Die SPÖ interpretiert das durch die Protokolle vermittelte Bild des Kanzlers bei der Einvernahme so, dass dieser sich "hochnervös" gezeigt habe. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch schrieb in seiner Aussendung: "Die Einvernahme ist für Kurz katastrophal verlaufen." Der Kanzler sei "sehr emotional und aggressiv gegen den Richter und den anwesenden Staatsanwalt" gewesen. Eine Falschaussage sei kein Kavaliersdelikt, sondern ein schweres Vergehen, Kurz sehe sich noch immer "über dem Gesetz" stehend, sagte SPÖ-Parteimanager Deutsch.

FPÖ sieht "verlotterte türkise ,Familie'"

Der freiheitliche Fraktionsführer im U-Ausschuss, Christian Hafenecker, erblickte in dem publizierten Protokoll "einmal mehr das Sittenbild einer durch und durch verlotterten türkisen ,Familie'". Kurz solle endlich aufhören, "semantische Ablenkungsversuche zu betreiben", denn die Chatprotokolle beweisen das genaue Gegenteil seiner Aussagen im Ausschuss: "Er soll endlich die Konsequenzen ziehen und zugeben, dass er das Parlament belogen hat", forderte Hafenecker am Samstag.

Der FPÖ-Abgeordnete warf Kurz weiters die "für ihn so charakteristische Mischung aus Überheblichkeit und Wehleidigkeit" bei der Einvernahme vor. Nach einer strafrechtlichen Anklage habe der Kanzler "selbstverständlich zurückzutreten".

ÖVP restlos zufrieden mit Kurz-Auftritt

Nicht ganz überraschend war die Reaktion aus der ÖVP. Deren Fraktionsführer im U-Ausschuss, Andreas Hanger, teilte Samstagmittag in einer Aussendung mit: "Bundeskanzler Sebastian Kurz konnte in seiner Einvernahme vor einem Richter alle falschen Vorwürfe der WKStA entkräften. Damit haben sich alle ungerechtfertigten Beschuldigungen, die die WKStA nach einer Anzeige der Neos erhoben hatte, in Luft aufgelöst. Gleichzeitig zeigt sich aber einmal mehr, dass die WKStA in ihren Ermittlungen leider parteiisch agiert und ihrer Verpflichtung zur Objektivität nicht nachkommt." (nim, 25.9.2021)

Update um 12:37 Uhr: Statement der FPÖ wurde eingefügt.

Update um 13:27 Uhr: Statement der ÖVP wurde eingefügt.