Siegfried Wolf wäre dem Kanzler als Öbib-Aufsichtsratschef für geeignet erschienen.

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Bundeskanzler Sebastian Kurz wurde am 3. September zu den Vorwürfen wegen falscher Zeugenaussage vor dem Ibiza-U-Ausschuss befragt.

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Fünf Stunden wurde Bundeskanzler Sebastian Kurz am 3. September am Straflandesgericht Wien zu den Vorwürfen wegen falscher Zeugenaussage vor dem Ibiza-U-Ausschuss befragt und die Stimmung war, wie berichtet, nicht nur sonnig. Die Befragung wurde ja auf Antrag von Kurz nicht vom ermittelnden Staatsanwalt durchgeführt, sondern von einem Richter – eine entsprechende Möglichkeit ist im Gesetz so vorgesehen. Kurz bestreitet die Vorwürfe und es gilt die Unschuldsvermutung.

Der Oberstaatsanwalt von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA; sie führt die Ermittlungen) war allerdings auch bei der Einvernahme dabei, er schaltete sich aber erst am Ende der in Bild und Ton aufgenommenen Befragung ein, wenig später verweigerte Kurz weitere Antworten.

Verzweifelte Aufsichtsratschef-Suche

Der Oberstaatsanwalt interessierte sich vor allem für die Zeit, als für die neu strukturierte Staatsholding Öbag nach einem Aufsichtsratsvorsitzenden gesucht wurde – Wirtschaftsprüferin Christine Catasta (damals noch bei PwC) , die eigentlich vorgesehen war und den Job auch wollte, hatte ja aus Compliance-Gründen quasi in letzter Minute abgesagt. Damals kam erneut Unternehmer Siegfried Wolf ins Spiel, wie sich aus Chats ergibt. Er hatte ab Mitte 2014 das Kontrollgremium der Öbag-Vorvorgängerin ÖIAG geleitet.

Der Oberstaatsanwalt, der Kurz formal nicht selbst befragen durfte, regte beim Richter Folgendes an: "Vielleicht kann das Gericht die Frage stellen, inwieweit oder häufig sich Herr Kurz mit dem Herrn Siegfried Wolf über die Öbag/Öbib-Umstrukturierung unterhalten hat und (...) ob es da auch einmalige oder häufigere Gespräche über die Frage ob er Aufsichtsratsvorsitzender oder überhaupt Aufsichtsrat werden könnte gab und ob es umgekehrt auch vielleicht Themen gab, die von Herrn Wolf an den Herrn Kurz angetragen wurden?"

Kurz' "klasse" Idee

Der Richter überließ es Kurz, ob er antworten wolle – und der tat das. Er hätte sich "zum Zeitpunkt" gar nicht mehr erinnern können, dass das ein Vorschlag von ihm gewesen sei, bei der Lektüre entsprechender SMS sei es ihm aber "wieder gedämmert", dass er mit Sigi Wolf drüber gesprochen und das auch Finanzminister Hartwig Löger vorgeschlagen habe. Das sei eine in einem Gespräch entstandene "Idee gewesen, die ich klass gefunden habe". Viel mehr wisse er da aber "jetzt auch nicht", er glaube, dass er Löger vorgeschlagen habe, "dass Sigi Wolf ein guter Aufsichtsratsvorsitzender wäre". All das reime er sich "nach SMS-Studium und so irgendwie zusammen. Macht irgendwie Sinn."

Zuvor hatte Kurz sinngemäß ausgesagt, dass es bei der Aufsichtsratschef-Suche "Chaos" gegeben hätte, "das Chaos als Folge, dass man keinen Vorsitzenden hat", fasste es der Staatsanwalt zusammen und fragte, ob Gründe bekannt seien, warum Wolf es dann nicht wurde. Wobei: Die Fragen gestellt hat dann wieder der Richter: "Warum ist es Wolf nicht geworden (...)?" Das konnte Kurz nicht beantworten, er wisse es nicht. Vielleicht sei es für den Finanzminister "primär" gewesen, eine weibliche Aufsichtsratsvorsitzende zu bringen (gab es dann aber nicht, Helmut Kern wurde Präsident; Anm.), vielleicht habe Löger Wolf anders gesehen als er, "I don't know".

"Der wäre super"

Schon Stunden zuvor war der Richter selbst auf die Personalie Siegfried Wolf eingegangen: Er hatte Kurz zu Chats zwischen Thomas Schmid und dessen Assistentin befragt, die kurz vor Weihnachten 2018 über den künftigen Öbag-Aufsichtsrat diskutierten. Kurz "scheisst sich voll an", weil die Öbag zu teuer würde, meinte Schmid damals. Seine Assistentin erwiderte, dann solle der halt nicht Wolf zum Aufsichtsrat machen. "Ich glaube nicht, dass der mehr Gage verlangt hätte", antwortete Kurz nun bei seiner Einvernahme mit Blick auf Wolf.

Er habe sich einmal mit ihm getroffen und "dann dürfte ich ihn gefragt haben, wie das damals so war", als Wolf bei der damaligen Staatsholding tätig war und "ich habe mir einfach in dem Gespräch wieder einmal gedacht, okay, der kennt sich aus, der hat einfach eine unglaubliche Industrieerfahrung im Inland und im Ausland, der war das schon einmal, der wäre eigentlich super."

Wolf: "Wurde nie gefragt"

Siegfried Wolf selbst wurde am 12. August als Zeuge vor dem Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK) einvernommen, auch da ging es ums Thema Öbag- bzw. Öbib-Aufsichtsrat. Wolf war bis 2015 Aufsichtsratschef der vormaligen ÖIAG gewesen und gab den Ermittlern sogleich bekannt, dass "wir für den österreichischen Steuerzahler elf Milliarden Euro an Werten generiert haben", weswegen es auch "in den nächsten Jahren immer wieder Gespräche" mit Kanzler Kurz gegeben habe, er habe auch "mal angedeutet, dass er mich gerne in dieser Öbag als Verantwortungsträger gesehen hätte".

Kurz, zu dem er ein "berufliches vertrauliches Verhältnis" habe, habe aber "sehr klar definiert", dass die Auswahl der Kandidaten ausschließlich Sache des Finanzminister sei. Minister Löger habe sich aber "mit dieser Frage Aufsichtsrat nicht gemeldet". Zu Löger und Thomas Schmid habe er ein "rein berufliches Verhältnis", sagte Wolf aus, bei einem Treffen mit ihm in einem Wiener Innenstadt-Lokal könne es durchaus um die Struktur der Öbag gegangen sein, "eben weil wir damals in der ÖIAG großen Erfolg gehabt haben", erklärte er vor dem BAK. Er sei aber niemals gefragt worden, ob er Aufsichtsratsmitglied werden wolle.

Per Sie nur mit älteren Frauen

Warum er trotz rein beruflichen Verhältnisses mit Löger per Du war in seinem Chat erklärte Wolf ("Anmerken möchte ich, dass ich in meinen Aufsichtsratsfunktionen ca. 1,2 Millionen Arbeitnehmer weltweit vertrete.") übrigens so: "Das DU ist im Managementumfeld üblich. ,Sie’ sage ich nur zu älteren Frauen."

Zurück zur Einvernahme des Kanzlers: Da fragte der Staatsanwalt von der WKStA auch nach einem weiteren Chat, gemäß dem Wolf "mit irgendeiner Anzeige oder was oder mit Eurofighter in Verbindung gebracht wird" – und löste damit folgende Antwort des Kanzlers aus: Er hoffe nicht, dass das für Löger ein Grund gewesen sei, er, Kurz, habe immer gewusst, dass Wolf Beschuldigter sei. Er selbst bewerte deswegen niemanden "negativer", wisse er doch aus eigener Erfahrung , "wie schnell man das bei Ihnen werden kann". Insofern "wäre das für mich nie ein Grund gewesen, ihn nicht zu nehmen".

Wollte Wolf etwas von Kurz?

Die nicht unwesentliche Frage des Staatsanwalts, ob sich vielleicht Wolf ein, zwei Jahre vor diesen Ereignissen um Unterstützung an den Kanzler gewandt habe, verstand Kurz nicht. "Ich weiß nicht wirklich, was gemeint ist", meinte er. Und: Sollte es um Spenden Wolfs gehen, die könne er ausschließen.

Beim Thema Wolf wurde es immer wieder emotional, wie berichtet warf Kurz dem Staatsanwalt vor, ihm "schon wieder jedes Wort im Mund umzudrehen, das ist ja unglaublich". Wobei der Richter deeskalierte ("Ich habe jetzt kein Wortumdrehen wahrgenommen") und Kurz wenig später Schluss machen wollte mit der ganzen Sache: "Dann würde ich aber langsam zum Ende kommen –oder?" Der Staatsanwalt wollte nicht, und kam noch auf ein "Regierungspapier" beziehungsweise Regierungsprogramm zwischen ÖVP und FPÖ zu sprechen. Kurz wiederholte, dass damals in den Regierungsverhandlungszeit "vieles vereinbart" worden sei, weitere Fragen blockte er unter dem Hinweis, er habe das "vorhin schon festgehalten" ab: "Aber ich würde jetzt gerne wirklich einen Punkt machen. Das funktioniert nicht so gut zwischen uns."

Was wär ich für ein Würschtel?

Bereits am Beginn der Einvernahme hatte Kurz’ Anwalt Werner Suppan festgehalten, dass der Beschuldigte keine Fragen der WKStA beantworten werde, insofern seien Kurz’ Antworten "ein Entgegenkommen vom Beschuldigten gewesen", hielt denn auch der Richter fest. Das letzte Wort hatte dann laut Protokoll der WKStA-Ermittler: "Ich halte fest, dass ich noch viele Fragen hätte, aber natürlich das Recht des Beschuldigten respektiere, nicht auszusagen oder gewisse Fragen nicht zu beantworten."

Kurz selbst schätzt die Tatsache, dass sein Wunschkandidat Wolf dann nicht Aufsichtsratschef wurde, jedenfalls als für sich entlastend ein. "Also ich verstehe sozusagen diesen krampfhaften Wunsch der WKStA nicht, so zu tun: ‘Aber wenn er es formal schon nicht entschieden hat, dann hat er es faktisch entschieden.’ " Denn es gebe "schon x SMS, die belegen, dass es meine Vorschläge nicht geworden sind. Was wäre ich denn für ein ‘Würschtel’ als Bundeskanzler, wenn ich den Sigi Wolf will und er wird es nicht." (Renate Graber, Fabian Schmid, 25.9.2021)