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Ein britischer Supermarkt im September. Lieferengpässe, unter anderem bei Nahrungsmitteln, sorgen für heftige Debatten über die Auswirkungen des Brexit.

Foto: AP / Frank Augstein

London – Seit Wochen leidet die britische Wirtschaft unter erheblichen Lieferproblemen – denn dem Land fehlen bis zu 100.000 Lastwagenfahrer. Ein Grund dafür sind die schärferen Einwanderungsregeln seit dem Brexit. Nun will die britische Regierung das Weihnachtsfest mit tausenden Arbeitsvisa für ausländische Lastwagenfahrer retten. Wie das Verkehrsministerium in London in der Nacht auf Sonntag ankündigte, sollen von Oktober an und bis Weihnachten insgesamt 10.500 Spezialisten ins Land geholt werden. Darunter sind außer bis zu 5.000 Lkw-Fahrern auch 5.500 Facharbeiter für die Geflügelverarbeitung.

Verkehrsminister Grant Shapps sagte, die Ausnahmegenehmigung solle "sicherstellen, dass die Vorbereitungen für die Weihnachtszeit im Plan bleiben". "Nach sehr schwierigen 18 Monaten weiß ich, wie wichtig dieses Weihnachtsfest für uns alle ist, und deshalb unternehmen wir diese Schritte zum frühestmöglichen Zeitpunkt, um sicherzustellen, dass die Vorbereitungen auf Kurs bleiben", sagte Shapps. Wirtschaftsvertreter reagierten skeptisch auf die Ankündigung.

Noch immer zu wenig

Vertreter der Logistikbranche sowie der Nahrungsmittelindustrie begrüßten die Regierungspläne. Zugleich machten sie deutlich, dass die insgesamt 10.500 Fachkräfte nicht ausreichten. Allein die Supermärkte benötigten mindestens 15.000 Lkw-Fahrer, damit die Geschäfte vor Weihnachten mit voller Kapazität arbeiten und Störungen oder Lieferprobleme vermieden werden, sagte Andrew Opie vom Einzelhandelsverband British Retail Consortium.

Auch die Präsidentin der Britischen Handelskammer, Ruby McGregor-Smith, kritisierte, die Maßnahmen reichten bei weitem nicht aus. "Das ist, als ob man ein Lagerfeuer mit einem Fingerhut Wasser löschen will", sagte sie.

Briefe an Lkw-Fahrer

Hingegen betonte das Verkehrsministerium, der Import von Arbeitskräften stelle keine nachhaltige Lösung des Problems dar. Helfen soll vielmehr ein Maßnahmenpaket. So ist vorgesehen, dass Fahrlehrer der Armee dabei helfen, den enormen Rückstau an Fahrprüfungen aufzuarbeiten, der auch durch die Corona-Pandemie entstanden ist. Zudem werden rund eine Million Briefe an ehemalige Lastwagenfahrer verschickt, um sie von einer Rückkehr in den Beruf zu überzeugen. Geworben werden soll mit höheren Löhnen, fixen Arbeitszeiten und besseren Arbeitsbedingungen. Auch kostenlose Umschulungen werden angeboten. Insgesamt sollen 50.000 Fahrprüfungen pro Jahr zusätzlich möglich werden.

Während Wirtschaftsvertreter einräumen, dass der Brexit ein Grund für die angespannte Lage ist, weist die Regierung einen Zusammenhang zurück. Die Pandemie habe die Situation verschärft, sagte Minister Shapps. Auch davor habe es in Großbritannien bereits Probleme gegeben. Shapps nannte eine alternde Belegschaft, niedrige Löhne und schlechte Bedingungen auf Autohöfen. (APA, 26.9.2021)