Die eingefrorenen Gesichter bei der ÖVP Oberösterreich noch bevor deren Mitglieder mit dem Start der TV-Schaltung rechneten, sprachen dank Oe24, das in Endlosschleife Wahlberichterstattung lieferte, Bände. Nicht nur, dass die Volkspartei im wirtschaftsstarken Bundesland mit einigen Stimmen der FPÖ gerechnet hätte und sich mehr als 40 Prozent am Wahlabend erwartete - was dann nicht stattfand -, noch dazu schaffte eine Bewegung mit dem Kürzel MFG aus dem Nichts den Sprung in die Landesregierung. Bitter für den Kanzler, der mit seinen Medienberatern nun noch mehr als bisher an seinem Kurs schleifen muss. Das Drama für die ÖVP ist aber an diesem Tag noch lange nicht vorbei. Die Konservativen in Graz mit dem adretten Siegfried Nagl wurden mehr als klar abgestraft.

Das Menetekel der ÖVP

Die Vorzeichen des drohenden Unheils eines breiten Protestes sind mehr als manifest. Gerade wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass die einstige Großpartei, die Union, bei den Urnengängen in Deutschland nahezu pulverisiert wurde. Aber keine Angst, abseits des Erfolges des unscheinbaren Olaf Scholz hat die Sozialdemokratie in Österreich ebenso wenig zu lachen. Pamel Rendi-Wagner droht ausgerechnet aufgrund ihres Expertenstatus als Ärztin zum ernsthaften Problem für ihre Bewegung zu werden. Weder in Graz noch in Oberösterreich konnte sich die SPÖ wieder aufladen. Im Gegenteil, anstatt sozial intelligent im Teich der Frustrierten zu fischen, eierte sie bei polarisierenden Themen - wie übrigens auch viele andere Parteien - herum. Die Wähler im gemessen an den Einwohnern drittgrößten Bundesland bedankten sich mit freundlichen Grüßen oder decodiert mit einem klaren Votum für “Menschen-Freiheit-Grundrechte“.

Foto: APA/TEAM FOTOKERSCHI

Corona: Ein Wandel liegt in der Luft

Das Establishment wurde abgewählt. Mit Elke Kahr - Präferenz oder Antipathie für die KPÖ hin oder her - hat eine Frau mit Intelligenz, Konsequenz und Eloquenz gewonnen und dies mit einer ideologischen Richtung, die im Rest Österreichs kaum mehr eine Rolle spielt. Ein derartiges glaubwürdiges “High Profile“ an der Spitze der SPÖ und es wäre gar nicht auszudenken, was alles möglich wäre. Doch zurück aus dem luziden Traum in die Realität. Neben den Kommunisten, die man als lokalen statistischen Ausreißer abtun kann, ist der Frust bei nicht ganz so kleinen Teilen der Bevölkerung nicht zu unterschätzen und dieser hat augenscheinlich mit den Corona-Maßnahmen zu tun. Der empirische Beleg liegt bei der MFG und ebenso bei der FPÖ in Oberösterreich, die als latente Impfskeptiker beziehungsweise als Anti-Corona-Maßnahmen-Gruppierungen zusammen mehr als 25 Prozent der Wähler erreichen konnten. Die Frage ist, welche Schlussfolgerungen die türkisen Strategen in der Lichtenfelsgasse aus den Entscheidungen des Souveräns ziehen werden.

ÖVP mit Handbremse und Retourgang bei der Corona-Politik?

Sofern es überhaupt möglich ist, dass das Ergebnis eines Wahlsonntags die gesundheitspolitischen Maßnahmen einer Regierung beeinflussen kann (oder sollte), wie von manchen Seiten gerne vermutet wird, so könnte ein erneuter Lockdown nun möglicherweise doch etwas in die Ferne rücken. Fernab der politischen “Risiko-Brettspiele“ ist eines jedoch immanent. Die Akzeptanz in Bezug auf die Corona-Interventionen und die damit verbundene(n) Impfung(en) stößt nun an ihre Grenzen. Denn wer - frei nach Martin Luther - dem Volk nicht aufs Maul schaut und seine Emotionen nicht ernst nimmt, wird am Wahltag seine Zeche zahlen müssen. (Daniel Witzeling, 28.9.2021)

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