Foto: Werberat/DMB.
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"Warum werden Einschränkungen für den Werbebereich angedacht, über die dann gesellschaftspolitische Fragen gesteuert werden? Wir glauben, dass das der falsche Weg ist": Michael Straberger, Präsident des Österreichischen Werberat.

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Mariusz Jan Demner: "Werbeverbote machen überhaupt keinen Sinn. Dann soll der Gesetzgeber die Eier haben zu sagen: Das wird bei uns nicht verkauft. Wenn etwas verkauft werden darf, dann muss es auch beworben werden können."

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Erstmals seit 40 Jahren wendet sich der Österreichische Werberat mit einer eigenen Werbekampagne an eine breite Öffentlichkeit, entwickelt wurde diese Kampagne von Demner, Merlicek & Bergmann (DMB.). Die Sujets thematisieren Sexismus, Diskriminierung, Magermodels oder auch allgemein die Werte und Nutzen von Werbung (Sujets siehe rechts) und werden ab Ende September in heimischen Medien zu sehen und zu hören sein. Werberat-Präsident Michael Straberger und Agenturgründer Mariusz Jan Demner über Selbstregulierung, drohende Werbeverbote und zentralistische Muskelspiele im öffentlichen Bereich.

STANDARD: Warum ist jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Kampagne für den Werberat?

Straberger: In der Novelle der Audiovisuellen Mediendienste-Richtlinie ist festgelegt, dass die Präsenz der Selbstregulierung der Werbebranche verstärkt werden soll. Und zwar nicht nur innerhalb der Fachszene, sondern auch in Richtung der breiten Öffentlichkeit. Das ist einer der Hauptgründe, warum wir nach 40 Jahren seit Bestehen des Werberats zum ersten Mal eine Kampagne machen. Und wir glauben, dass der Selbstwert der Werbung die letzten Jahre gelitten hat. Der Wert der Werbung – einerseits als Wirtschaftsmotor, aber auch die Wertschätzung gegenüber der Werbung – leidet.

STANDARD: Herr Demner, sehen Sie das auch so?

Demner: Die Wertschätzung für die Werbung hat sich immer in Grenzen gehalten. Weil die Menschen nicht unbedingt zugeben wollen, dass ihnen jemand etwas verkauft. Gute Verkäufer können ihre Kunden sehr schnell einschätzen und abholen, sie beraten. Sie können Orientierung geben. Das kann gute Werbung auch. Aber es gibt viel schlechte Werbung.

Straberger: Ich denke, dass die Werbung auch aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung nicht mehr dieselbe Qualität hat wie noch vor zehn oder 15 Jahren. Die Konsumenten brauchen sehr wohl die Information, wollen sich Orientierung holen oder erfahren, was es Neues gibt. Dass die Branche aber auch wirtschaftlich unter Druck steht, die Budgets niedriger sind, das merkt man.

STANDARD: Hat das nicht vor allem mit der Fragmentierung der Medien zu tun?

Demner: Ja. Es ist klar, dass sich durch die Fragmentierung der Medien, durch Digitalisierung und Social Media neue Formen ergeben haben. Viele Agenturen haben sich zu sehr auf das rein Narrative verlegt und es nicht verstanden, dass sie das Business der Kunden als Ganzes sehen müssen. Wir sind als Branche etwas steckengeblieben. Das macht sich bemerkbar. Aber es hat immer viel schlechte und nur wenig interessante Werbung gegeben, und die Konsumenten haben immer unterschieden. Nur: Früher wurde ein Mangel an Ideen durch hohe Mediabudgets kompensiert. Tatsächlich ist die Werbung also eher besser geworden, weil sie sich mit weniger Geld auf viel mehr Kanäle einstellen muss. Man kann sich weniger darauf verlassen, mit einer langweiligen Kampagne, aber aufgeblasenem Budget erfolgreich zu sein.

STANDARD: Die neue Kampagne ist eine für den Werberat und auch eine für Werbung generell?

Straberger: Ja. Und sie soll auch den Aspekt thematisieren, inwieweit man Werbung weiter frei betreiben darf. Es gibt ja Forderungen und Pläne, Werbung für gewisse Bereiche einzuschränken. Weil es Interessen gibt, gesellschaftspolitische Entwicklungen zu korrigieren. Das ist grundsätzlich nichts Schlechtes. Die Frage ist, warum man das Korrektiv über das Instrument der Werbewirtschaft sucht. Warum also werden Einschränkungen für den Werbebereich angedacht, über die dann gesellschaftspolitische Fragen gesteuert werden? Wir glauben, dass das der falsche Weg ist.

STANDARD: Sie sprechen das Gesundheitsministerium an, das Werbung für bestimmte Lebensmittel einschränken will.

Straberger: Im Grunde werden in Österreich nur Produkte verkauft und dürfen auch beworben werden, die prinzipiell nicht ungesund sind. Die Frage ist dann, wie man mit diesen Lebensmitteln umgeht, wie man sie konsumiert. Ist es Aufgabe der Werbung, diese Nutzung zu steuern? Oder ist es nicht vielmehr die Aufgabe eines Gesundheitsministeriums, die Öffentlichkeit oder eine spezielle Zielgruppe wie zum Beispiel Eltern zu informieren, dass der übermäßige Genuss eines bestimmten Produkts nicht mehr gesund ist?

Demner: Und es ist auch für manche Politiker leichter, nach Werbeverboten zu schreien, als Kommunikation so zu nutzen, dass sie Menschen überzeugt. Zum Beispiel davon, sich impfen zu lassen. Die Aufgabe von Werbung ist es, immer etwas zu verändern. Einstellungen, Verhaltensweisen, zum Kauf anzuregen oder etwas Bestimmtes zu denken. Da könnte man öffentliche Gelder gut einsetzen. Aber das passiert zu selten. Die Kommunikation zu nutzen, um für das Allgemeinwohl wichtige Anliegen zu fördern, davon sieht man derzeit wahnsinnig wenig. Verbieten ist viel einfacher. Vor allem gibt es Macht. Denn wenn du verbieten kannst, dann tanzen ganze Industrien um dich herum. Das sind zentralistische Muskelspiele im öffentlichen Bereich, die ich in unserer Gesellschaft völlig inadäquat finde.

Der Werberat hat hier auch eine psychohygienische Aufgabe. Nämlich zu verhindern, dass Institutionen glauben, sie müssten in den Kreislauf der Wirtschaft mit Verboten eingreifen. Die DDR hat das höchst erfolgreich praktiziert, aber die ist ja bekanntlich weg. Der Werberat ist also ein wichtiges Regulativ, auch ein Gegengewicht im Hinblick auf drohende Werbeverbote. Es soll und darf sich nicht alles ausgehen.

STANDARD: Was soll sich nicht ausgehen?

Demner: Das, was sozusagen die Grenzen, die allgemein akzeptiert sind, krass verletzt. Sexistische Werbung etwa. Soll jetzt der Staat verbieten, so was zu machen? Nein! Das soll sich die Branche selbst ausmachen. Es ist wichtig, dass die Werbung als Branche darauf schaut, dass sie nicht Dinge provoziert, die dann den angestrebten Werbeverboten in die Hände spielen. Die würden nämlich manche Branchen ziemlich ausradieren.

Wenn Produkte nicht beworben werden dürfen, haben wir ein Problem. Werbeverbote machen überhaupt keinen Sinn. Dann soll der Gesetzgeber die Eier haben zu sagen: Das wird bei uns nicht verkauft. Wenn etwas verkauft werden darf, dann muss es auch beworben werden können.

Straberger: Wir wollen die Selbstbestimmung für Konsumentinnen und Konsumenten offenhalten. Das ist eine Frage, die bis in das Verfassungsrecht geht. Es geht um die Freiheit, dass ich mir Information selbst organisiere und daraufhin Entscheidungen für oder gegen Produkte für mich und meine Kinder treffen kann. Und es geht um die Freiheit der Kommunikation. Ich denke, dass die Branche – Auftraggeber und auch die Agenturen und die Medien – diese Selbstverantwortung übernehmen kann.

Mit der Kampagne wollen wir klarstellen, dass die Selbstregulierung in Österreich sehr gut funktioniert. Werbung als Wirtschaftsmotor zu sehen ist zwar ein bisschen aus der Mode gekommen. Aber es gibt Hochrechnungen, welches Werbe- und Mediabudget beim angedachten Verbot im Lebensmittelbereich betroffen sein könnte. Das liegt zwischen 500 und 600 Millionen Euro Medienbudgetreduktion. Nochmals: Es ist nichts Unanständiges, Werbung für Produkte zu machen, die erlaubt sind. Das ist für den Wirtschaftskreislauf ein extrem wichtiger Faktor.

STANDARD: Könnte die Kampagne auch zu mehr Beschwerden beim Werberat führen?

Straberger: Das schließen wir nicht aus, und wir scheuen Beschwerden grundsätzlich nicht. Wir brauchen die Beschwerdefälle auch, um Themen zu diskutieren. Einige Male im Jahr gibt es Beschwerden, die in den Medien dann breiter aufgegriffen werden. Das hilft uns natürlich.

Demner: Der Werberat ist auch eine Art Ventil. Egal, ob Beschwerden berechtigt sind oder nicht: Die Möglichkeit zu haben, zu sagen, dass mir etwas nicht passt, dass es eine Stelle gibt, an die ich das adressieren kann, ist wichtig. Das hilft Menschen, sich zu artikulieren, und hilft auch, eine Betriebstemperatur in der Werbung aufrechtzuerhalten und zu sehen, was gesellschaftlich akzeptiert und in Ordnung ist. Eine Reaktion, welche Art auch immer, ist wichtig und wertvoll. (Astrid Ebenführer, 28.9.2021)