Mit dem Gongschlag sieht man sie: die Bilder der frenetisch jubelnden oder still enttäuschten Gesichter aus Parteizentralen, die die TV-Sender zu den Zahlen liefern.

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Fernsehen ist gerade an Wahltagen ein gemeinschaftlicher Akt. Jeder hängt irgendwo vor dem Laptop oder dem Flachbildschirm und wartet auf den Gong, nach dem es die erste Hochrechnung gibt. Dann sieht man sie: die Bilder der frenetisch jubelnden oder still enttäuschten Gesichter aus Parteizentralen, die die TV-Sender zu den Zahlen liefern.

Oder man steht selbst auf einer Wahlparty, weil man darüber berichten soll, und starrt mit fremden Leuten auf ARD oder ZDF. Die Ergebnisse sind aber wie am Sonntag in Berlin weder auf Bundes- noch auf Landesebene gleich ganz eindeutig. Die Siegerinnen und Sieger wechseln. Bei der Wahlparty der Grünen in Berlin etwa beklatschen die Fans zuerst die vermeintlich erste grüne Bürgermeisterin der Stadt, Bettina Jarasch, etwas später lag dann doch die SPD-Kandidatin Franziska Giffey vorn.

Egal, die Leute wollen das Bier nicht kalt werden lassen

Und mit wem wird man Koalitionsverhandlungen im Bund angehen? Mal sehen, Erster ist jedenfalls Olaf Scholz. Oder doch Armin Laschet? Ja, doch. Nein, doch nicht. Egal, die Leute wollen das Bier nicht kalt werden lassen, die DJane ist auch bestellt. Immer mehr beginnen zu tanzen. Girls Just Want to Have Fun dröhnt aus den Boxen, und im Hintergrund bewegt Markus Söder auf der Leinwand die Lippen.

Draußen im Hof der Columbiahalle halten die Nichttanzenden ihre Gesichter ins fahle Licht der Außenleinwand. Dort oben sitzt die Parteichefin Anna lena Baerbock im Fernsehstudio und bewegt auch ihre Lippen. Kurz verebbt die Plauderei, man will sie ja hören. Und dann starren wieder alle Balken- und Tortendiagramme an. Aber besser werden die irgendwie auch nicht mehr. (Colette M. Schmidt, 27.9.2021)