Der mit einer ÖVP-Mehrheit und den Grünen im ORF-Stiftungsrat bestellte ORF-Generaldirektor Roland Weißmann erhält nach seinem Amtsantritt Anfang 2022 gleich eine ordentliche Starthilfe.

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Was der scheidende, noch bis Ende des Jahres amtierende ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz in den vergangenen Jahren nicht geschafft hat, wird jetzt seinem Nachfolger, Roland Weißmann, in die Wiege gelegt: eine Digitalnovelle, die einige Beschränkungen für Streamingformate und Onlineabrufe eliminiert.

Am Mittwoch möchte die türkis-grüne Regierung im Ministerrat die Weichen für die Digitalnovelle stellen. Sie soll Thema im Ministerratsvortrag von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sein – DER STANDARD berichtete. Die Medienagenden ressortieren im Bundeskanzleramt bei Gerald Fleischmann, Kanzlerbeauftragter für Medien.

Von der Gesetzesänderung umfasst dürfte auch eine langjährige Forderung des ORF sein: Die Regierung will die sogenannte Streaminglücke schließen. Damit sollen auch jene Zuseherinnen und Zuseher zur Kasse gebeten werden, die ORF-Angebote via Stream verfolgen, wie die Presse berichtete.

Das notwendige Gesetz dafür wird ausgearbeitet und könnte spätestens Ende des ersten Quartals 2022 in Kraft treten, womöglich auch etwas früher. Bislang ist Streaming von der GIS-Gebühr ausgenommen, was auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes aus dem Jahre 2015 zurückgeht. Die technische Voraussetzung für gebührenfinanziertes Streamen könnte eine Login-Wand sein, die etwa auf der Eingabe eines Codes basiert, der von der ORF-Gebührentochter GIS angefordert werden muss.

Geld für Relevanz

Die Grünen sprechen sich – wie berichtet – bereits seit längerer Zeit für eine Ausweitung der GIS-Pflicht auf Laptops, Tablets und Mobiltelefone aus. "Ob man es jetzt Haushaltsabgabe nennt oder Medien-Abo oder wie auch immer, eines ist klar: Immer weniger Menschen konsumieren das ORF-Angebot auf GIS-pflichtigen Geräten", sagte Eva Blimlinger, die Mediensprecherin der Grünen, kürzlich zum STANDARD, als sie im Rahmen der Serie "Idealer ORF" ihre Ideen für den ORF der Zukunft skizzierte. Auf den Wandel der Empfangsgeräte müsse der Gesetzgeber reagieren, sonst werde der öffentlich-rechtliche Rundfunk an Relevanz verlieren, weil ihm das Geld fehle, so Blimlinger.

In puncto Streaming dürften die Grünen jedenfalls mit der ÖVP eine Einigung erzielt haben. Eine Bestätigung steht noch aus. Die Anfragen des STANDARD bei Gerald Fleischmann und seinem Pressesprecher blieben bis jetzt unbeantwortet.

Im Gegenzug könnte es Werbezeitbeschränkungen für den ORF geben, um den Wettbewerb mit den Privatmedien durch die neuen Online-Möglichkeiten des ORF nicht weiter zu verzerren. Außerdem müsse europarechtlichen Normen entsprochen werden.

Der ORF nimmt jährlich rund 650 Millionen Euro über die GIS-Gebühr bei einem Jahresumsatz von gut einer Milliarde Euro ein. ORF-Chef Alexander Wrabetz und sein Nachfolger Roland Weißmann arbeiten derzeit turnusmäßig an einem Antrag auf Gebührenerhöhung. Das Programmentgelt stieg zuletzt 2017 um 6,5 Prozent. Je nach Bundesland müssen die Rundfunkteilnehmer monatlich zwischen 26,73 Euro (Steiermark) und 20,93 Euro (Vorarlberg und Oberösterreich) zahlen. An den ORF selbst gehen nur 18,73 Euro, den Rest schnappen sich die Bundesländer und der Bund*.

Sieben-Tage-Regelung fällt

Ein weiteres wichtiges Vorhaben der Regierung und eine immer wiederkehrende ORF-Forderung ist das Ende der Sieben-Tage-Regelung, die den Großteil der Inhalte aus der ORF-TVthek betrifft. Der ORF darf bis dato seine TV- und Radiosendungen – mit Ausnahmen etwa für historische Archive – nur sieben Tage nach Ausstrahlung online zum Abruf anbieten. Die Grünen wollen, dass diese Frist komplett fällt.

Der ORF darf bisher keine Formate eigens für Streaming produzieren, auch Sendungen zuerst online anzubieten ist ihm bisher untersagt. Als Drehscheibe für künftige Online-only- und Online-first-Angebote soll der ORF-Player fungieren. Er soll verschiedene Module wie einen Infokanal, Sport, Sound oder Live-Streams umfassen. Eine Nutzung aller Angebote könnte an eine GIS-Registrierungspflicht gekoppelt sein.

Kritik der FPÖ

Kritik an den Regierungsplänen kommt von FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker. Die FPÖ drängte zuletzt in der Koalition mit der ÖVP auf die Abschaffung der GIS-Gebühren, scheiterte mit ihren Plänen aber nicht zuletzt am Ibiza-Video, das die schwarz-blaue Zusammenarbeit zerbröseln ließ. "Nachdem die ÖVP sich auch den ORF gekapert und mit Roland Weißmann ihren willigen Erfüllungsgehilfen am Küniglberg eingesetzt hat, lässt Schwarz-Grün jetzt den GIS-Gebührenhammer auf die Bürger niederknallen", so Hafenecker in einer Aussendung. Es zeuge von "schändlicher Abkassierermentalität, die Zwangsgebühren zu erhöhen und zusätzlich auch noch Nutzern von PCs und Smartphones tief in die Tasche greifen zu wollen". (Oliver Mark, 27.9.2021)