"Wall Street Journal": Wochenlanges Warten

"Die deutschen Wähler haben gesprochen, und nun müssen sie wochenlang warten, bis ihnen jemand sagt, was sie gesagt haben. Die Ergebnisse sind ein Kuddelmuddel, und eine komplexe Koalitionspolitik wird darüber entscheiden, welchen Weg das Land nach der Ära Angela Merkels einschlägt. (...) Wer immer auch am Ende das Sagen hat, Berlin steht vor ernsthaften Herausforderungen, wenn es darum geht, produktive Investitionen und Innovationen im eigenen Land anzukurbeln, große Migrantenströme zu bewältigen, auf die zunehmenden strategischen Bedrohungen aus China und Russland zu reagieren und gute Beziehungen zu den Nachbarn sowie den USA zu pflegen."

"Neue Zürcher Zeitung": Schwacher Laschet

"Aus liberaler Perspektive könnte man versucht sein, das Jamaica-Modell der SPD-geführten Ampel vorzuziehen. Union und FDP wollen schließlich beide einen effizienteren Staat und weniger Bürokratie für die Wirtschaft, und beide haben Steuererhöhungen ausgeschlossen. Bei der Ampel könnten zwei linke Parteien, die für das Gegenteil stehen, die Liberalen in die Zange nehmen. (...)

Wer weiß, vielleicht kommt Olaf Scholz der FDP am Ende so weit entgegen, dass die Kompromisse in der Summe mehr überzeugen als das, was Armin Laschet mit den Grünen aushandeln könnte. Denn so viel steht fest: Annalena Baerbocks Traum vom Kanzleramt mag implodiert sein, aber das Ergebnis ihrer Partei ist (...) so stark wie nie. (...) Wenn einer in einer schwachen Verhandlungsposition ist, dann Laschet, der seiner Partei (...) das schlechteste Wahlergebnis der Geschichte eingebrockt hat."

Heißt der nächste Kanzler Armin Laschet?
Foto: APA / dpa / Michael Kappeler

"The Times": Krasser Gegensatz

"Die Herausforderung für Scholz besteht darin, die wirtschaftsfreundliche FDP zu einem Pakt mit seiner SPD und den Grünen zu bewegen, die bereits signalisiert haben, dass sie gemeinsam regieren wollen. (...) Allerdings würde die FDP einen hohen Preis für diesen Deal verlangen. Es wird erwartet, dass ihr Vorsitzender Christian Lindner darauf bestehen wird, das Finanzministerium zu kontrollieren und einige der Steuererhöhungen zu blockieren, die im Mittelpunkt der Wahlwerbung von SPD und Grünen standen. (...) Die Grünen werden jedoch zögern, einige ihrer politischen Markenzeichen aufzugeben. (...) Ihre Positionen zu Steuern und Ausgaben, einschließlich eines durch öffentliche Anleihen finanzierten 500-Milliarden-Euro-Investitionsprogramms, stehen in krassem Gegensatz zu denen der CDU und der FDP."

"Frankfurter Allgemeine Zeitung": Geschlossen hinter Laschet

"Aus ihren Wahlergebnissen leiten nun SPD wie auch die Union den Auftrag zur Bildung der Bundesregierung ab. Weil sie nicht noch einmal miteinander koalieren wollen und die Sitze für ein reines Linksbündnis nicht reichen, bleibt sowohl Scholz als auch Laschet nur ein Pakt mit Grünen und FDP. Diese beiden Parteien werden entscheiden, wie der nächste Kanzler heißt. Deutschland stehen Monate mit Koalitionsverhandlungen ins Haus, wie es sie noch nicht gegeben hat. Den Unionsparteien wäre nicht mehr zu helfen, wenn sie sich in dieser Lage nicht (wirklich) geschlossen hinter ihren Kanzlerkandidaten stellten und ihn so stärken würden wie nur irgend möglich. Ersten Äußerungen nach hat das sogar die CSU erkannt."

"Handelsblatt": Ein Balanceakt

"Die SPD wird versuchen, der FDP ein Angebot zu machen, das sie nicht ablehnen kann. Scholz wirbt mit Vertrauen und dem Versprechen, sich an Absprachen zu halten. Er weiß um das Trauma der FDP, die sich von Merkel hintergangen fühlte. Laschet wiederum muss die Grünen überzeugen, dass sie bei ihm besser aufgehoben sind als bei den Sozialdemokraten. Sein Balanceakt wird schwieriger sein als der von Scholz. Laschet darf den Grünen nur so viel bieten, dass die FDP nicht abwinkt. Es muss aber so viel sein, dass die Grünen mit ihm und der FDP regieren wollen." (APA, 27.9.2021)