Foto: imago/Marie Waldmann/photothek.net

Pling! Schon wieder ist es passiert: Seit Stunden möchte ich mich auf diese Kolumne konzentrieren, werde aber stets aus dem Flow gerissen. Zu oft piepst das Handy vor sich hin und bombardiert mich mit vermeintlich wichtigen Informationen. Was es wohl diesmal ist? Vielleicht braucht der Kollege dringend Hilfe bei seiner Story? Oder ist einem Familienmitglied etwas zugestoßen? Ach, nein, falscher Alarm: bloß ein Foto, das Tante Traude aus ihrem Urlaub geschickt hat – und welches gleich von der gesamten Familie kommentiert wird.

Sie kennen das? Dann sind wir gemeinsam in guter Gesellschaft: Schon seit Jahren heißt es in zahlreichen Studien, dass Smartphones durch die ständige Erreichbarkeit und die Angst, etwas zu verpassen, unsere Psyche unnötig belasten. "Unnötig" schreibe ich an dieser Stelle, weil vieles von dem gar nicht nötig wäre – wenn wir uns alle zusammenreißen würden.

Katzenfotos und Partytiger

Denn viele Menschen verwechseln Whatsapp-Gruppen unrichtigerweise mit ihrem Facebook-Profil und veröffentlichen dort ungefragt Pseudo-Influencer-Content, nach dem sie nie gefragt wurden – vom Urlaubsfoto bis zum Bild der eigenen Katze. Im Gegensatz zu Facebook ist es bei Whatsapp aber nicht möglich, mit einzelnen Postings Kommentarthreads zu eröffnen – stattdessen wird jede Person in der Gruppe nicht nur mit dem ursprünglichen Tierfoto, sondern auch mit der darauffolgenden Flut an Emojis bombardiert.

Eine andere Gruppe von Menschen sind jene, die sich in einer Gruppe mit zwei Dutzend Mitgliedern zu dritt eine abendliche Aktivität ausmachen – und daraufhin einen ganzen Abend den Rest des Freundeskreises mit Informationen darüber belästigen, bei welcher U-Bahn-Station sie sich befinden, wann sie eintreffen und dass sie sich auf einander freuen – Letzteres garniert mit den obligatorischen Herzchenaugen-Smileys.

Einfach mal den Mund halten

Die Lösung gegen diese Missstände ist einfach: Weniger ist mehr. Schauen wir bitte, dass wir Konversationen in leicht zu erstellende Kleingruppen verlagern, wenn unser Anliegen nicht den gesamten Freundeskreis betrifft. Dass wir unseren Selbstdarstellungsdrang auf Instagram ausleben, wo man uns still ein Herzchen hinterlassen kann. Und dass wir uns öfter mal bilateral ehrlich gemeinte nette Worte sagen, statt Großgruppen mit Herzchenaugen-Emojis zu fluten.

Die Alternative zu diesem Mehr an Disziplin wäre nämlich nur, diverse Gruppen stummzuschalten. Und das will man ja nicht – aus Angst, man könnte doch etwas verpassen. (Stefan Mey, 28.9.2021)