Der Designer und Architekt Martin Mostböck mit seinem funkelnagelneuen 14-Kilo-Champagnerkühler "Enzo" aus Marmor.

Foto: Katsey Photography: Location: Restaurant Konstantin Filippou

Es ist ein wunderbarer Platz, den sich der Designer und Architekt Martin Mostböck bereits vor Jahrzehnten zum Wohnen ausgesucht hat. Ziemlich sicher ist der Heiligenkreuzerhof der ruhigste Ort der Wiener Innenstadt. Angeblich umgaben die Mauern dieses äußerst feschen Hofensembles das älteste Zinshaus Wiens.

Um Stein dreht sich hier vieles. Auf der Tafel einer Eingangstür steht zu lesen: "Unter dem Verputz des 17. und 18. Jahrhunderts befindet sich an vielen Stellen Mauerwerk aus der Babenbergerzeit." Die herrschten bis 1246.

Eine andere Steintafel, ein paar Meter weiter, gibt Auskunft, dass Helmut Qualtinger hier für elf Jahre eine Bleibe fand. "Ich habe dem Qualtinger seinerzeit zweimal die Tür aufgesperrt, um nicht zu sagen, aufsperren dürfen. Er war damals, wie soll ich sagen, nicht gerade standfest", erzählt der aus dem Burgenland stammende Mostböck bestimmt nicht zum ersten Mal.

Aufgepäppelt

Den Stein, um den es in dieser Geschichte geht, findet man 76 Stufen über dem Hof, auf dem Wohnzimmertisch des Designers; einen Stein, der schon viele Millionen Jahre auf seinen wohlgeformten Buckeln hat. Es handelt sich um den aktuellsten Streich des Designers, der an diesem Tag frisch angeliefert wurde. Der Streich ist, flapsig formuliert, ein Sektkübel. Mostböck nennt ihn lieber Champagnerkühler.

Und diese begriffliche Aufpäppelung hat das Stück verdient, handelt es sich doch um ein archaisches Kühlgerät, gefertigt aus Calacatta-Marmor, eine von rund 50 Marmorarten, die aus den Bergen rund um die Stadt Carrara in der Toskana stammen. Drei mal vier mal zwölf Meter große Steinblöcke werden dort aus dem Berg gesägt. Zwei Flaschen passen liegend, drei stehend in das Edelbehältnis.

Der Kostenpunkt liegt bei 3.333 Euro. Dafür ist das Objekt nachhaltig, und wie. "Eigentlich dachte ich mir, der wird teurer", sagt Martin Mostböck. Das mag man sich vor dem ersten im Marmorteil gekühlten Schluck Perlwein auf der Zunge zergehen lassen. Für das Geld würde man gut und gern 80 Flaschen Champagner im Kühlschrank unterbringen, sofern dieser groß genug ist.

Die sind zwar, je nach Trinkgewohnheit, irgendwann leer, aber das ist der Sektkühler, den Mostböck "Enzo" taufte, auch. Vielleicht würde das Ding ja auch als Taufbecken herhalten oder als Münzsammelbehältnis. Oder als Übertopf. "Im Prinzip kann man darin alles Mögliche aufbewahren", sagt der Gestalter, der unter anderem mit dem Architekturbüro Coop Himmelb(l)au zusammengearbeitet hat.

Ruhe und Standfestigkeit

Oder auch gar nichts. Das Objekt, das an seiner dünnsten Stelle nur 15 Millimeter misst, könnte auch einfach als Skulptur sein Dasein fristen. Das muss man dem Architekten und Designer lassen, dessen Faszination am Material vor allem nach dem Betätscheln von Enzo nachvollziehbar wird. Das Marmording, das nach dem großen, im vergangenen Jahr verstorbenen Designer Enzo Mari benannt ist, strahlt mit seinen drei Stufen Ruhe aus. Und Standfestigkeit.

Es fällt schwer, sich auf eine Farbe festzulegen. Der Cooler schimmert an der einen Stelle weiß, dann wieder gräulich dunkel mit einem Schuss Vanille. Er wirkt mit seinen Strukturen und Maserungen irgendwie lebendig, auch wenn er keinen Mucks macht. "Und er lässt die Gestirne sichtbar werden", schwärmt Mostböck. Und meint weiter, dass sein steinerner Schützling in gewisser Weise auch dem New Yorker Guggenheim-Museum ähnelt. Und noch etwas: Auf die Zehen sollte einem Enzo nicht fallen, bringt er es doch auf stattliche 14 Kilogramm.

Präzision und Anmutung

Die Idee zu dem Stück entspringt dem Gedanken, etwas Besonderes aus dem Material zu machen, mit dem schon die großen Meister wie Michelangelo, Donatello oder Canova arbeiteten. Das Material ist einerseits weich, dann aber auch wieder hart und kantig. Die Steinmetze der Firma Breitwieser Objects aus Tulln fräsen fünf Stunden an Enzo, bevor noch einmal zwölf Stunden lang geschliffen und poliert wird.

"Es geht um Präzision und Anmutung. Und die Antwort auf die Frage, was aus Stein machbar ist", erzählt der 1966 geborene Mostböck, der schon als Kind von den Skulpturen im Vatikanischen Museum angetan war.

Der 14 Kilogramm schwere "Enzo" kühlt nicht nur Champagner sondern geht auch als Skulptur durch.
Foto: Katsey Photography

Wie die Idee, einen Sprudelkühler in Marmor zu fertigen, bei den Steinmetzen von Breitwieser ankam? "Super", sagt Mostböck, dessen Arbeiten in renommierten Sammlungen von bekannten Museen wie dem Wiener Mak, dem New Yorker Museum of Arts and Design oder dem Holon-Designmuseum zu finden sind. Weiters in Vorbereitung für die Firma in Niederösterreich: Serviertabletts, Leuchten und eine Buchstütze.

Leerer Kübel

Dass die Zielgruppe für Enzo sich auf eine zahlungskräftige Klientel oder Hotelbars einengen dürfte, ist klar. Wie oft sich so etwas verkauft? "Wir wissen es nicht. Noch nicht. Er ist noch zu neu", sagt Mostböck über den Entwurf. Die Lieferzeit betrage sechs bis acht Wochen. Ginge sich also für Weihnachten gut aus.

Auf den Begriff Maßlosigkeit und Design angesprochen, erwähnt Mostböck Philippe Starck, der nicht nur maßlos, sondern maßstabslos sei. Eine Beleidigung? "Mitnichten", sagt Kollege Mostböck. "Er entwirft einen Aschenbecher genauso wie ein Luxushotel." Nachgehakt, bezeichnet der mit vielen Preisen Ausgezeichnete Maßlosigkeit mitunter als großes Glück, denn der Gedanke eines Designs ohne Limit in Sachen Produktionskosten und technische Machbarkeit und ohne formale Vorgaben sei ein sehr reizvoller. "Maßlosigkeit steht auch für Freiheit und Mut zur Freiheit", so Mostböck, ins Narrenkastl stierend.

Apropos Maßlosigkeit: Enzo blieb während des Besuchs bei Mostböck leer und trocken wie die Atacama-Wüste. Eigentlich ein Affront! (Michael Hausenblas, RONDO exklusiv, 14.10.2021)