Jahr für Jahr stellen sich Studierende der Geisteswissenschaften die Frage, wie es nach dem Studium für sie weitergehen soll. Sollten sie nach dem Bachelor im selben Fach bleiben oder ihr Kompetenzprofil erweitern? Vermehrt fällt die Aufmerksamkeit im Entscheidungsprozess auf ein Fach, das in Österreich noch gar nicht allzu lange studiert werden kann: die Digital Humanities

Doch was sind eigentlich diese Digitalen Geisteswissenschaften und was bietet ein Studium derselben?

Digitale Museologie ist ein Themenschwerpunkt des Studiums.
Foto: FunkyFocus/Pixabay

Täglich werden heutzutage große Mengen an Daten produziert und verschiedene Prozesse unseres Lebens werden digitalisiert. Software wird zum hauptsächlichen Werkzeug der Wissensarbeit. Auch vor den Geisteswissenschaften macht diese Digitalisierung nicht Halt. Historische Quellen werden digitalisiert und Forschungsprozesse mitunter gänzlich in den digitalen Raum verlagert.

Die Digitalisierung geisteswissenschaftlicher Forschung hat zur Durchsetzung eines neuen Forschungsparadigmas geführt: In der heutigen Forschung sind die Digital Humanities kaum noch wegzudenken. Man nutzt hier einerseits bewährte Methoden, um Bestände zu erschließen und digital anzureichern oder arbeitet daran, wie man neueste Erkenntnisse und Algorithmen der Informatik für geisteswissenschaftliche Fragestellungen nutzbar machen kann. Wer treibt solche Entwicklungen voran? Digitale Geisteswissenschafterinnen und -wissenschafter! Doch wie wird man digitale Geisteswissenschafterin oder digitaler  Geisteswissenschafter? Aufgrund der zunehmenden Relevanz in der geisteswissenschaftlichen Forschung haben sich hierfür in den vergangenen Jahren einschlägige Masterstudienprogramme entwickelt – so auch das Masterstudium Digitale Geisteswissenschaften an der Universität Graz.

Was man sich unter einem Studium der digitalen Geisteswissenschaften vorstellen kann

In diesem Masterstudium erlernen Studierende, welche Vorteile und welchen Nutzen aus der Anwendung digitaler Methoden gezogen werden können. Auch lernen sie, wie man solche selbst entwickelt. Interessiert man sich für Museen, so könnte dies beispielsweise darin bestehen, dass man ein 3D-Modell von Kulturerbeobjekten erstellt und dieses für den 3D-Druck vorbereitet. Oder aber man entwickelt eine sogenannte "Pipeline" zur Verarbeitung eines Datensatzes an historischen Sprachdaten oder eine digitale Repräsentation für historische Bild- und Textdaten. Neben praktischen Fähigkeiten wird die Reflexion digitaler Technologien als Werkzeuge für geisteswissenschaftliche Forschung vermittelt. Studierende aus unterschiedlichsten geisteswissenschaftlichen Studienrichtungen kommen hier also zusammen, um zu lernen, wie sie die neuesten Entwicklungen der Digital Humanities auf die Forschungsfragen ihrer Herkunftsdisziplin anwenden können.

Ob Nerd oder Kommunikationstalent – vor allem Teamfähigkeit ist gefragt

Man muss sich nicht für ein informatisches oder technisches Naturtalent halten, um am Masterstudium Digitale Geisteswissenschaften Freude zu finden, vielmehr bedarf es einer gewissen Neugier und Unabhängigkeit beim Lernen neuer Technologien. Wichtig ist vor allem eine solide Grundlage in der geisteswissenschaftlichen Herkunftsdisziplin sowie Motivation und Begeisterung dafür, digitale Methoden zur Beantwortung geisteswissenschaftlicher Forschungsfragen anzuwenden und neue Lösungswege zu erlernen. Die Arbeit im Bereich der Digital Humanities wird außerdem Teamfähigkeit in der Regel in interdisziplinären Teams durchgeführt, weshalb Teamfähigkeit und Kooperationsbereitschaft wertvolle Skills für Digital Humanists darstellen. Oftmals ist es dabei nötig, als Mediatorin oder Mediator zwischen den Disziplinen und den Fachkolleginnen  und -kollegen zu fungieren.

Im Digital Humanities Course Registry kann man sich mithilfe eines Kartentools darüber schlaumachen, wo in der eigenen Nähe – oder auch im Rahmen eines Auslandsstudiums – Digital Humanities Kurse angeboten werden. Dies kann unter anderem nützlich sein, wenn man sich besonders für eine bestimmte Untergattung von Digital Humanities Arbeit interessiert wie zum Beispiel Digital Cultural Heritage, wo man speziell für Berufe im Museums- und Kulturerbebereich ausgebildet wird oder etwa die Computerlinguistik, die hinter einer ganzen Reihe von Entwicklungen steht, die im heutigen Alltag gar nicht mehr wegzudenken sind, etwa maschinelle Übersetzungen oder digitale Assistenten.

Viele Wege führen in die Digital Humanities.
Foto: cocoandwifi/Pixabay

Ich selbst bin beispielsweise eher über Umwege zu den Digital Humanities gekommen: Als ich am Grazer Zentrum für Informationsmodellierung (mehr aus purer Neugierde) eine Lehrveranstaltung besuchte, wurde mir angeboten, als Studienassistentin in einem Digital Humanities Projekt mitzuarbeiten. Dabei bekam ich nicht nur die Möglichkeit, einen Blick hinter die Kulissen eines digitalen Forschungsprojekts zu werfen – ich war vor allem für die Korrektur und Kontrolle von Daten und deren korrektem Funktionieren vor der Veröffentlichung zuständig –, sondern auch beispielsweise bei der Organisation von Tagungen auszuhelfen, wo ich erfahren konnte, wie der Wissenschaftsbetrieb eigentlich von der anderen Seite aussieht. 

Neben einer eher "traditionellen" Karriere in der Wissenschaft bietet eine Digital Humanities  Ausbildung noch eine ganze Reihe an Jobmöglichkeiten: Neben einem Fokus auf Forschung haben viele Digital Humanists noch andere Aufgabenfelder, wie zum Beispiel das Forschungsdatenmanagement, Projektmanagement, Softwareentwicklung oder IT-Support. Arbeit in einem Museum ist hier genauso möglich wie in der freien Wirtschaft.

Von der Langzeitarchivierung über Datenanalyse bis zur Webseitengestaltung – die Bandbreite ist groß

All jenen, die sich nun immer noch nicht so recht vorstellen können, was man in den Digital Humanities eigentlich macht, sei versichert: Die Bandbreite ist unglaublich groß und das Studium lässt viele thematische Freiheiten zu! Von der Analyse historischer Quellen bis hin zur Digitalen Edition, von der Aggregierung (das heißt grob gesagt dem Verbinden) von Datensätzen über die Langzeitarchivierung bis hin zur 3D-Modellierung ist für alle etwas dabei. 

In Graz wurde das erste Digital Humanities Masterstudium Österreichs geschaffen (daneben kann man Digital Humanities auch in Wien studieren). Ein Blick auf den Studienplan zeigt die fachliche Breite der Digital Humanities sehr gut auf: 

Die Module des Studienplans bieten Einführungen in Grundkonzepte der Informatik und ihrer Geschichte, fachspezifische Anwendungen von Digital Humanities Methoden, Datenstrukturen und -standards, Datenbanken, den Einstieg in mindestens eine Programmiersprache (Python oder Java), den Umgang mit Web- (HTML, CSS, Javascript) und X-Technologien (XML, XSLT, XQuery) bis hin zu Wahlfächern, wie etwa der Computerethik, rechtlichen Aspekten digitaler wissenschaftlicher Arbeit oder  Visualisierung der Ergebnisse quantitativer Textanalysen. Man setzt sich erkenntnistheoretisch mit digitalen Methoden auseinander oder berichtet darüber auf Social Media. In Projektseminaren oder Privatissima werden praktische Arbeiten mit Mitstudierenden und bereits im Feld tätigen Kolleginnen und Kollegen im Stil von Werkstattberichten diskutiert.

Wie man sieht, kommen weder Theorie noch Praxis in diesem Studium zu kurz und all diese Bereiche bieten überdies einen reichen Fundus an Anknüpfungspunkten im Kulturerbebereich wie auch in der freien Wirtschaft überall dort, wo digitale Wissensvermittlung und Kommunikation im Mittelpunkt stehen.

Digital Humanities - ein Studium mit Zukunft.
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Wer kann sich einschreiben?

In Österreich bieten die Universität Wien und die Universität Graz Masterstudien im Bereich der Digital Humanities an. Die Informationen für das Studium an der Universität Wien kann man im Studienangebot der Universität Wien nachlesen.  

Für all diejenigen, die sich für das Studium in Graz interessieren, gibt es Folgendes zu beachten: 

Vorwissen zu digitalen Technologien wird bei der Inskription nicht vorausgesetzt, auch wenn es natürlich von Vorteil sein kann. Freude am Umgang mit digitalen Methoden sowie eine gute allgemeine “Computer Literacy” sind selbstverständlich von Vorteil. 

Notwendige Voraussetzung ist in jedem Fall die Vorbildung in einer geisteswissenschaftlichen Disziplin, nachgewiesen durch einen Bachelorabschluss. Unterrichtet werden im Studium nämlich vorwiegend digitale Kompetenzen – wer keine geistes- oder kulturwissenschaftliche Grundausbildung hat, wird daran keine Freude haben. 

Mehr Informationen zum Masterstudium Digitale Geisteswissenschaften an der Universität Graz finden sich auf der Website des Zentrums für Informationsmodellierung und zur Inskription auf den Seiten der Studienabteilung der Universität Graz.

Ob man sich also für klassische Fragestellungen aus der geisteswissenschaftlichen Herkunftsdisziplin und deren Unterstützung durch digitale Methoden interessiert oder am liebsten sofort mit Machine Learning oder der quantitativen Analyse geisteswissenschaftlicher Daten durchstarten möchte, ein Masterstudium im Fach Digitale Geisteswissenschaften ist in jedem Fall ein idealer Ausgangspunkt für die Geisteswissenschafterin oder den Geisteswissenschafter von heute. (Sarah Lang, 11.10.2021)

DH_Graz

Hinweis

Kurzentschlossene können sich bis zum 30. November für das DH-Masterstudium in Graz inskribieren.

Links und Ressourcen

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