In der Abteilung Umweltmanagement am Magistrat Linz startet mit Oktober 2021 das von der FFG finanzierte Forschungsprojekt KlimaStadtLinz2030, das innerhalb eines Jahres untersucht, ob und wie Linz bis 2030 klimaneutral werden kann. Dazu gehe ich im Folgenden auf die Hintergründe ein und gebe einen Ausblick auf ausgewählte Projektziele.

Klimaneutralität – wovon reden wir eigentlich?

Zunächst müssen wir uns über den Begriff „Klimaneutralität“ Gedanken machen. Es ist ein großes Wort und wird immer häufiger verwendet. Sieht man sich den Begriff jedoch näher an, so zeigt sich überraschenderweise, dass noch nicht einheitlich und international gültig definiert ist, was darunter eigentlich zu verstehen ist.

Die EU hat einen recht pragmatischen Zugang gewählt, den ich auch im Folgenden verwenden möchte: Klimaneutralität bedeutet, den Ausstoß von Treibhausgasen so weit wie möglich zu reduzieren, bis die verbleibenden Emissionen anderweitig kompensiert werden können. Die Optionen sind allerdings nicht gleichwertig. Der Fokus liegt klar auf der Reduktion von Treibhausgasen. Während etwa eine Extraktion von Kohlendioxid aus der Atmosphäre zwar möglich ist, ist diese technisch aufwändig und teuer. Vielversprechender sind Technologien, die Treibhausgase direkt an der Emissionsquelle filtern.

Morgendämmerung für ein klimaneutrales Linz?
Foto: Johannes Horak

Die Hintergründe

Aber warum überhaupt reduzieren? Im Übereinkommen von Paris, das 2015 auch von Österreich ratifiziert wurde, ist vereinbart, die globale Erhitzung jedenfalls unter zwei Grad zu halten. Zusätzlich wurde auch beschlossen, dass Anstrengungen unternommen werden, unter 1,5 Grad zu bleiben. Bei größerer Erhitzung steigt die Wahrscheinlichkeit, Kipppunkte im Klimasystem zu überschreiten an. Dies würde die Klimakrise zusätzlich verschärfen. Daher ist es wichtig, diese von fast 190 Vertragsparteien vereinbarten Anstrengungen zu unternehmen, und zwar jetzt. Denn: Je später damit begonnen wird, desto “schneller” und schmerzhafter muss letztlich die Reduktion der Treibhausgase vonstattengehen, damit diese Ziele – wenn überhaupt – noch eingehalten werden können. Faktisch haben wir keine Zeit mehr, auf eine nicht absehbare Wundertechnologie zu warten.

Im Forschungsprojekt KlimaStadtLinz2030 wollen wir daher die Frage beantworten, ob und wie es für Linz möglich sein kann, das ambitionierte Ziel Klimaneutralität zu erreichen. Vorab sei gleich festgehalten – die Industrie ist in diesem Projekt ausgeklammert. Hintergrund ist einerseits die Vorgabe der Forschungsprojekt-Ausschreibung, Maßnahmen im eigenen Wirkungsbereich der Stadt zu definieren. Aber dennoch führt das natürlich zu Fragen wie “Macht so ein Projekt dann überhaupt Sinn?” – auf jeden Fall und dazu weiter unterhalb mehr. Zunächst sehen wir uns an, aus welchen anderen Gründen wir die Industrie, insbesondere die Voestalpine, noch aus diesem Projekt ausklammern könnten.

Warum ohne Industrie?

Die Voestalpine ist ein börsennotiertes Unternehmen und mit zehn Prozent Anteil an den gesamten Emissionen der größte Treibhausgasemittent Österreichs. Eine Möglichkeit, die Treibhausgasemissionen in der Stahlproduktion zu reduzieren, ist das Umstellen eines Teils des Produktionsverfahrens weg von koks- oder kohlebasierten Hochöfen hin zu Elektrolichtbogenöfen unter Einsatz von Wasserstoff. Um ausreichende Mengen Wasserstoff produzieren zu können und den Prozess zu optimieren betreibt die Voest bereits ein Forschungsprojekt genannt “H2Future”. Hierbei wird mittels Elektrolyse Wasserstoff aus Wasser gewonnen. Die Elektrolyse und der Betrieb der Elektrolichtbogenöfen sind aber natürlich nur dann nachhaltig und CO2-neutral, wenn der Energiebedarf aus erneuerbaren Energiequellen gedeckt wird.

Gewaltiger Energiehunger

Ausstoß an Treibhausgasemissionen in Österreich 2019, Anteil einzelner Emittentengruppen.
Foto: Johannes Horak

Aber wie viel Energie würde dafür benötigt? Nun, selbst, wenn die Stadt Linz alle geeigneten (und derzeit noch ungenutzten, verfügbaren) Dachflächen am Stadtgebiet mit Solarpanelen ausstattet – immerhin etwa sieben Millionen Quadratmeter – könnte nicht einmal ansatzweise die Energiemenge geliefert werden, die benötigt wird, um die Menge Wasserstoff zu produzieren, um auch nur die aktuelle Stahlproduktion zu halten. Auch im Hinblick auf Windenergie ist es für Linz schwierig, große Sprünge zu machen, liegt doch ein großer Teil des Stadtgebiets in windschwacher Beckenlage, hufeisenförmig umfasst von den Ausläufern der böhmischen Masse. Auch bei der Wasserkraft ist das Potenzial ausgeschöpft, die Stadt liegt bereits im Rückstaubereich des Donaukraftwerks Abwinden-Asten.

Aufgrund der Dimension des Energiebedarfs und der erforderlichen Maßnahmen und Mittel bedarf es daher eines oder eher mehrerer langfristig angelegter Großprojekte, deren Fokus rein auf der Voestalpine beziehungsweise der restlichen (Groß-)Industrie liegt und in denen diese Herausforderung auch in einem überregionalen Kontext angegangen wird. Mit „H2Future“ rechnet die Voestalpine damit, bis 2050 die Emission von Kohlendioxid um mehr als 80 Prozent gegenüber 2020 senken zu können. Weiters läuft zurzeit die städtische Initiative „H2 Linz“ an, welche unter anderem die ansässigen Industriebetriebe bei einer Transformation zu Wasserstoff bestmöglich unterstützen möchte.

Der Fokus von KlimaStadtLinz2030 liegt woanders: Im Zeitraum von zwölf Monaten wird, durch die FFG gefördert, erstmals eine Linz-spezifische Erhebung von CO2-Reduktionspotentialen durchgeführt. Es geht um jene Bereiche, in denen die Stadt Linz direkte oder indirekte Instrumente und Hebel besitzt, mit denen sie ansetzen kann.

Auch die Emissionen der Stadt müssen sinken

Denn auch wenn die Treibhausgasemissionen der Stadt Linz nur ungefähr ein Zehntel der Emissionen der Voestalpine ausmachen, so sind sie doch nicht Null. Auch für die Stadt selbst gilt es, die Reduktionen im Einvernehmen mit dem Übereinkommen von Paris beziehungsweise den wissenschaftlichen Erkenntnissen aus den IPCC-Berichten durchzuführen. Linz ist von der Größenordnung her dabei eine typische europäische Stadt. In Linz gesetzte Maßnahmen könnten daher auch als Blaupause für andere Städte dienen.

Im Rahmen von KlimaStadt2030 planen wir auch eine umfassende Bestandsaufnahme zu bereits bestehenden Maßnahmen und Maßnahmenideen. Welche neuen Maßnahmen wären denkbar? Wo könnten diese – gemeinsam gedacht – größere Wirkung entfalten? Wie wirksam sind all diese Maßnahmen und wie hoch sind die daraus zu erwartenden Reduktionen? Lässt sich die Klimaneutralität damit bereits bis 2030 erreichen? Oder wie sehr müssten Maßnahmen intensiviert werden? Wie können wir all das in einer umfassenderen Strategie zusammenführen als bisher? Und vor allem: Welche Erwartungen haben die Bürgerinnen und Bürger der Stadt eigentlich an ein klimaneutrales Linz? Können wir eine gemeinsame Vision finden? Dies sind einige der zentralen Fragen, die wir innerhalb eines Jahres bestmöglich beantworten möchten.

All diese Ergebnisse sollen in einen sachlich fundierten Maßnahmenkatalog fließen. Zusätzlich soll dieser dann mit den Ideen und Vorstellungen der Bürgerinnen und Bürger verknüpft werden. Wir wollen klar darstellen, welche Maßnahmen der Erreichung welcher Ideen dienen und wie sie die Vision eines klimaneutralen Linz Wirklichkeit werden lassen. In diesem Zusammenhang wäre ich natürlich neugierig: Wie sieht für Sie eine klimaneutrale Stadt aus? Als eifriger Postingleser würde ich mich über entsprechende Rückmeldungen unter diesem Beitrag freuen.

Insgesamt ist das Forschungsprojekt KlimaStadtLinz2030 auf zwölf Monate ausgelegt und wird von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) im Rahmen des "Stadt Der Zukunft" Programms gefördert. (Johannes Horak, 14.10.2021)

Johannes Horak schreibt hier als Stadtklimatologe der Stadt Linz. In seiner Freizeit bloggt er auf timaios.org und ist begeisterter Wanderer, Radfahrer und Läufer.

„Stadt der Zukunft" ist ein Forschungs- und Technologieprogramm des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität Innovation und Technologie. Es wird im Auftrag des BMK von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) gemeinsam mit der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mbH (AWS) und der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT) abgewickelt.

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