Ein etwa 0,1 Millimeter großes Stück unter dem Mikroskop.
Foto: E. Galuskin

Nachdem die Stadt Innsbruck – beziehungsweise der Bezirk Innsbruck-Land – bereits selbst im Mineralnamen Innsbruckit verewigt wurde, ist diese Ehre nun einem Forscher der Universität Innsbruck zuteil geworden. Volker Kahlenberg, der seit 2003 Professor für Angewandte Mineralogie und Kristallographie ist und auch Präsident der Österreichischen Mineralogischen Gesellschaft war, ist Namenspate für Kahlenbergit. Die Aluminiumverbindung KAl11O17 zählt nun zu den mehr als 5.720 bekannten Mineralen. Bis zu 100 Minerale werden in jüngerer Zeit jährlich entdeckt, man schätzt, dass die Anzahl noch unentdeckter Formen im Tausenderbereich liegt.

Mineralnamen erhalten nur jene meist kristallinen Verbindungen, die natürlicherweise entstanden sind – künstlich hergestellte Strukturen sind davon also ausgeschlossen, sagt die Internationale Mineralogische Gesellschaft. Bis zu 30 Fachgutachterinnen und -gutachter prüfen die Anträge sowie die Namenspatrone. Diese müssen nämlich ebenfalls als wissenschaftlich würdig erachtet werden.

Wachstum in der Wüste

Bei dem natürlichen Kahlenbergit handelt es sich um ein Material, das durch eine besondere Kristallstruktur und Chemie auffällt. Allerdings werden synthetisch hergestellte Stoffe mit diesen Eigenschaften bereits technisch genutzt, unter anderem als Ionenleiter.

Dies nahmen Biljana und Hannes Krüger von der Uni Innsbruck, die den Antrag einreichten, zum Anlass, Kahlenberg zu ehren: Der Materialwissenschafter Volker Kahlenberg hat selbst einen anwendungsorientierten Zugang zur Mineralogie. "Wir fanden es äußerst passend, dass gerade dieses Mineral – als erst jetzt entdecktes natürliches Pendant bereits synthetisch bekannter ähnlicher Verbindungen – seinen Namen bekommt", sagt Biljana Krüger vom Institut für Mineralogie und Petrographie.

Gemeinsam mit Hannes Krüger untersuchte und beschrieb sie das Mineral, das in der Wüste Negev in Israel aufgespürt wurde. "Diese Wüste ist für uns spannend, denn sie kann als natürliches Zementwerk gesehen werden", sagt die Forscherin. Bei der Herstellung eines Hauptbestandteils von Beton, Portlandzement, entstehen zahlreiche Verbindungen. "Im Zement sind die Bestandteile allerdings oft extrem klein oder nicht kristallin, sodass sie nicht untersucht werden können. In der Wüste hatten die Minerale viele Tausend Jahre Zeit zu wachsen."

Goldgräberzone der Mineralentdeckung

Im Hatrurim-Gebiet, zu dem auch die Negev-Wüste gehört, wurden in den vergangenen 30 Jahren immerhin rund 50 neue Minerale gefunden. Um sie zu analysieren, finden sie in kleinen Probenmengen ihren Weg auch an die Uni Innsbruck, beziehungsweise in weiterer Folge nach Villigen in der Schweiz: Dort können auch winzige Kristalle per Synchrotron-Strahlung untersucht werden.

Im Hatrurim-Komplex in Israel wurde das bisher unbekannte Material entdeckt.
Foto: Y. Vapnik

"In wenigen Minuten bekommen wir mithilfe der Synchrotron-Quelle Messdaten, die wir mit unseren konventionellen Röntgen-Diffraktometern selbst nach wochenlangen Messungen nicht bekommen hätten", sagt Hannes Krüger. "So hatten wir die Möglichkeit, die komplexe Kristallstruktur dieser sehr kleinen Kristalle genau zu bestimmen."

Auf diese Weise konnte Kahlenbergit zu den sogenannten β-Aluminaten zugerechnet werden. Das Mineral ist nur einer von zwei natürlichen Vertretern dieser Gruppe, das andere nennt sich Diaoyudaoit. "Welche Prozesse hier genau im Gange waren, dass es zur Bildung so spezieller Minerale gekommen ist, müssen wir erst noch vollständig verstehen", sagt Biljana Krüger. "Klar ist, dass in der geologischen Vergangenheit hohe Temperaturen von 1200 Grad und niedriger Druck kalkreiche Gesteine umgewandelt haben."

Wie im Hochofen

Entsprechend waren die Bedingungen nicht unähnlich zu jenen, die beim Brennen von Zement im Hochofen vorliegen, sagt die Forscherin. "Während uns die Minerale aus der Wüste helfen können, die Vorgänge der Zementherstellung besser zu verstehen, können uns im Labor unter genau definierten Bedingungen hergestellte Kristallsynthesen helfen, die geologische Vergangenheit der Wüste besser zu verstehen."

Der Geehrte selbst, Volker Kahlenberg, verweist darauf, dass es sich bei der Benennung auch um eine Anerkennung für die gesamte Arbeitsgruppe handelt: Er möchte betonen, "dass viele Ergebnisse heute nur im Austausch und in Kooperation mit Wissenschaftern und Wissenschafterinnen vor Ort und an anderen Forschungseinrichtungen erzielt werden können". Die Bekanntgabe, dass das Mineral tatsächlich Kahlenbergit genannt wird, hatte für ihn ein gutes Timing: "In jedem Fall war die Benennung das ungewöhnlichste Geburtstagsgeschenk, das ich jemals bekommen habe. Tatsächlich fiel die Entscheidung quasi genau an meinem 55. Geburtstag." (red, 28.9.2021)