Gaby Schwarz führte am Dienstag den Streisand-Effekt vor.

Foto: Parlamentsdirektion/Jantzen

Die ÖVP hat sich am Dienstag offenbar entschieden, bezüglich der strafrechtlichen Vorwürfe gegen hochrangige Parteimitglieder in die Offensive zu gehen. Eilig berief die stellvertretende Generalsekretärin Gaby Schwarz eine Pressekonferenz für elf Uhr ein, die sich knapp zusammenfassen lässt: Viele Journalisten hätten in den vergangenen Tagen angefragt, ob eine Hausdurchsuchung in der ÖVP-Zentrale stattgefunden habe oder stattfinden wird – das findet Schwarz skandalös.

Sie versicherte, dass "nichts mehr da" sei, weil interne Daten gemäß Datenschutzverordnung vernichtet würden. Es sei belastend für die überwiegend jungen Mitarbeiter der Partei, sich Sorgen über womöglich bald sichergestellte Smartphones zu machen. Schwarz bekrittelte, dass gewisse "Stellen" offenbar an Journalistinnen und Journalisten weitergeben würden, dass Razzien bevorstehen. Nachgefragt, wer das denn sein solle, verwies sie auf ihren Quellenschutz.

Gesperrte Aktenteile

In der Pressekonferenz, die nur als bizarr bezeichnet werden kann, gab es scharfe Nachfragen der anwesenden Journalisten – etwa ob "jedes Würschtel" in der ÖVP nun vorgewarnt werden soll, dass womöglich Ermittlungsschritte bevorstehen. Schwarz verneinte das, sie wolle nur auf die Situation aufmerksam machen.

Hintergrund dürfte sein, dass im großflächigen Casinos-Akt einige Aktenteile von der Einsicht ausgenommen sind. Das erfolgt, um laufende Ermittlungen nicht zu gefährden. Deshalb verbreitete sich unter den Anwälten der dutzenden Beschuldigten im Akt die Theorie, dass demnächst neue Maßnahmen bevorstünden. Das drang auch zu Journalistinnen und Journalisten durch, die deshalb offenbar auch bei der ÖVP nachfragten; der "Kurier" berichtete darüber zum Beispiel am 16. September mit dem Titel "Nervosität wegen Gerücht über neue Razzia".

Reaktionen der Opposition

Für SPÖ-Geschäftsführer Christian Deutsch "brennt der türkise Hut lichterloh". In einer Aussendung merkte er an: "Eine Partei, die sich durch öffentliche Warnungen auf eine Hausdurchsuchung in ihrer eigenen Zentrale vorbereitet, muss besonders unter Druck stehen."

Die Pressekonferenz möge auf den ersten Blick skurril wirken, reagierte Neos-Generalsekretär Douglas Hoyos in einer Aussendung. "Aber wenn die Kanzlerpartei – mit ihren bekanntermaßen ganz guten Kontakten ins Innenministerium und zum 'System Pilnacek' in der Justiz – öffentlich vor angeblich bevorstehenden Hausdurchsuchungen warnt, ist in einem Rechtsstaat Feuer am Dach." Die ÖVP müsse "endlich aufhören, die Ermittlungen gegen sich und die Ihren zu behindern, wo es nur geht".

Als skurril bezeichnet auch Christian Hafenecker, FPÖ-Fraktionsführer im Ibiza-Untersuchungsausschuss, die ÖVP-Pressekonferenz. Da dränge sich die Frage auf, ob "der 'tiefe schwarze Staat' bevorstehende Ermittlungsschritte gegen türkise Familienmitglieder durchgestochen und Schwarz auf die Flucht nach vorne geschickt" habe oder ob es sich um ein Ablenkungsmanöver von einer anderen Causa handle. Er werde jedenfalls eine parlamentarische Anfrage an Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) stellen, kündigt Hafenecker an, "denn das 'Gschichtl' von angeblichen Journalistenanfragen glaubt keiner". (Fabian Schmid, Oliver Das Gupta, 28.9.2021)