Prinz Tandi (Skye MacDonald) befindet sich auf Europareise und verliebt sich gleich.

Foto: Tobias Witzgall

Salzburg – Es gibt ödere Stücke auf den Spielplänen, und doch hat sich die Komödie Der neue Menoza von Jakob Michael Reinhold Lenz nie durchgesetzt. Das 1774 geschriebene Drama, eine Art Vorbote von Lessings interkulturellem Ideenstück Nathan der Weise, handelt von den Werten der Aufklärung, die sich unter den kritischen Augen einer außereuropäischen Instanz als verwässert, ja verlogen herausstellen. Ein gefundenes Fressen für einen europakritischen Diskurs.

Der indische Prinz Tandi (Skye MacDonald) befindet sich auf Europareise, verliebt sich in die Tochter der Gastgeberfamilie Biederling in Naumburg und wird, einmal häuslich geworden, sogleich unschöner Gewohnheiten und Praktiken ansichtig: Amoral, Intrige, Betrug, Mord. In zeitgenössische Kostüme gewandet, aber in Geschlechterrollen aus dem Jahre Schnee steckend, montiert Burgschauspielerin Dörte Lyssewski in den Kammerspielen des Landestheaters Salzburg, wo sie nun ihr Regiedebüt gibt, Szenenschnipsel im zügigen Wechsel. Keine deftige Komödie kommt heraus, sondern ein vor schwarzen Holzpaneelwänden sauber ausgeleuchtetes Drama, in dem nur ein Hauch von Tür-auf-Tür-zu-Spaß aufkommt.

Kein Wunder, ist doch alles ziemlich tragisch: Der zweite Gast des Hauses, Graf Camäleon (Marco Dott), ein schmieriger Duellmörder auf der Flucht, rückt der Biederling’schen Tochter Wilhelmine (Patrizia Unger) gewaltsam zu Leibe. Die versuchte Vergewaltigung wird im historischen Bühnendeutsch so angedeutet: "Ihr habt Euch der Glorie der Schönheit unheilig genähert!"

Prinz in Unschuldsweiß

Als diese Tat vom Prinzen, dem Retter in Unschuldsweiß, gerade noch verhindert wird, macht sich Camäleon eben an die Mutter heran. Raushauen will man den Grafen nicht, da er der abgewirtschafteten Offiziersfamilie, die Axel Meinhardt und Tina Eberhardt in einer kühlen, gut abgehangenen Ehe repräsentieren, Ländereien gewährt. Obendrein ist der Mann verheiratet. Seine ihm zornig nachreisende Frau (Judith Mahler), die ihrerseits ihm zuliebe den eigenen Vater vergiftet hat, wird ihm am Ende ins Herz stechen (er überlebt).

Diese turbulente Handlung unter einen Hut zu bringen (eine Kindesvertauschung wäre noch zu nennen) ist keine Kleinigkeit. Mit schnellen Schnitten und atmosphärischer Übergangsmusik geht es in Salzburg zügig voran. Allerdings bleibt der aus heutiger Sicht spannendste Aspekt daran, nämlich die außereuropäische Perspektive auf deutsches bürgerliches Leben, im Stück doch eine schwache Pointe. Conclusio: Der sympathische Prinz aus Fernost taugt als der bessere Repräsentant der Aufklärung als seine deutschen Erfinder.

Obendrein verlangen die rettungslos eindimensionalen Rollenbilder einen beherzten Zugriff. Die Frauen schweigen, flennen, kreischen oder fallen in Ohnmacht; die Männer kommandieren, verhandeln, geben sich intellektuell oder sind Lustmolche. Notgedrungen schickt Lyssewski auch die Herren einmal in Ohnmacht. (Margarete Affenzeller, 28.9.2021)