CDU-Chef und Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet ist in den eigenen Reihen schwer unter Druck geraten.

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Möchte man wissen, wer der nächste deutsche Kanzler wird, dann blickt man am besten in den Wahlkreis Pinneberg. Dieser liegt im Südwesten von Schleswig-Holstein und fällt durch eine Besonderheit auf.

Jene Partei, die hier das Direktmandat gewinnt, stellt später dann auch den Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin. Das geht schon so seit 1953.

Am Sonntag bei der Wahl ging der ehemalige SPD-Fraktionschef von Schleswig-Holstein, Ralf Stegner, als Sieger hervor. Demgemäß müsste also der Sozialdemokrat Olaf Scholz in Deutschland Bundeskanzler werden.

Das sehen die Sozialdemokraten natürlich auch so. Bemerkenswert aber ist: Auch der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder gibt mittlerweile, ohne zu zögern, Folgendes zum Besten: "Die besten Chancen, Kanzler zu werden, hat derzeit Olaf Scholz."

Aus einem klaren Platz zwei bei der Wahl lasse sich "nun wirklich kein Regierungsauftrag moralisch legitimieren", so Söder, der CDU-Chef Armin Laschet auch gleich noch einen Ratschlag gab: "Man muss die Lage annehmen, auch innerlich annehmen."

Söder gratuliert Scholz

Dann setzte Söder bei einer Pressekonferenz in Berlin noch eine weitere Spitze gegen Laschet, indem er Wahlsieger Scholz gratulierte. Laschet hatte die üblichen Gratulationen bis dahin noch nicht über die Lippen gebracht.

Ob das jetzt eine gezielte Stichelei gegen Laschet sei, wurde Söder gefragt. Dessen im Ton äußerst freundliche Antwort: "Eine Gratulation empfinde ich eher als Stilfrage, nicht als Stichelei."

Es wurde also am Dienstag einsam um Laschet. Der hatte am Sonntag die Wahl verloren. Während die SPD ihr Ergebnis von 2017 von 20,5 auf 25,7 Prozent steigern konnte, rutschte die Union von 32,9 auf 24,1 Prozent ab. Dennoch war Laschet am Dienstag noch überzeugt davon, Kanzler zu werden und eine Jamaika-Regierung bilden zu können. Er hatte am Montag wiederholt, was er schon im Wahlkampf erklärt hatte: Kanzler werde nicht, wer vorne liege, sondern derjenige, der eine Koalition zustande bringe: "Olaf Scholz und ich sind zur gleichen Demut aufgerufen."

Doch die Kritik an ihm wird immer lauter, ebenso der Ruf nach personellen Konsequenzen aus dem Wahldebakel. So erklärte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), man müsse nun " zügig über die inhaltliche und personelle Aufstellung der CDU für die Zukunft sprechen".

Ex-Umweltminister Norbert Rötten, der Laschet Anfang des Jahres beim Rennen um den CDU-Vorsitz unterlegen war (ebenso wie Ex-Fraktionschef Friedrich Merz), fordert ebenfalls Erneuerung: "Die ganze Breite der Partei muss verstehen, dass das jetzt ansteht." Die CDU sei in "existenzieller Gefahr", ihren Status als Volkspartei zu verlieren.

Niedersachsens CDU-Chef Bernd Althusmann verlangt: "Wir sollten jetzt demütig und respektvoll den Wählerwillen annehmen, mit Anstand und Haltung. Es war Veränderung gewollt." Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier betonte: "Wir haben keinen Anspruch auf Regierungsverantwortung." Deutliche Worte kamen auch von Junge-Union-Chef Tilman Kuban: "Wir haben die Wahl verloren. Punkt." Der klare Auftrag liege bei SPD, Grünen und FDP.

Es gab am Dienstag allerdings auch noch Laschet-Unterstützer. Nordrhein-Westfalens Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte: "Für Armin Laschet gibt es hier immer Rückenwind. Wir wissen, was wir an ihm haben. Wir halten ihn für einen guten Mann, und wir sind auch nach wie vor der Meinung, dass er ein guter Bundeskanzler würde. Niemand kennt ihn besser wie die CDU Nordrhein-Westfalen."

Dort, im bevölkerungsstärksten Bundesland Deutschlands, ist Laschet ja nach wie vor Ministerpräsident. Eine Rückkehr nach Düsseldorf hatte er im Falle einer Wahlniederlage bei der Bundestagswahl aber ausgeschlossen, er rechnete mit einem Wahlsieg im Bund.

Unruhe in der Fraktion

Für den Dienstag hatte Laschet einen wichtigen Programmpunkt im Kalender stehen: Teilnahme an der konstituierenden Sitzung der von 246 auf 196 geschrumpften Unions-Fraktion im Bundestag. Hier hatte es schon im Vorfeld viel Unruhe gegeben. Laschet wollte, dass der bisherige Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) kommissarisch im Amt bleibt – so lange, bis klar ist, ob es zur Jamaika-Koalition (Union, Grüne, FDP) kommt.

So wollte Laschet verhindern, dass ein neuer, gewählter Fraktionschef zum "starken" Mann in der Union wird. Seine Sorge: Viele in der Union könnten sich dann dafür aussprechen, dass der Neue auch die Sondierungsgespräche über Jamaika und später vielleicht die Koalitionsverhandlungen führen soll. Laschet wäre ausgebremst, seine bundespolitische Karriere am Ende.

Außerdem: Sollte die Union doch in Opposition gehen, ist der Posten des Fraktionsführers enorm wichtig. Also wollte Laschet die Besetzung offen lassen. Brinkhaus aber hielt davon nichts, er wollte am Dienstag antreten, um sich regulär zum Fraktionschef wählen zu lassen. Schließlich handelten er, Laschet und Söder einen Kompromiss aus: Brinkhaus wurde nur bis April gewählt.

Deutlich geordneter läuft es bei der SPD ab. Dort wird betont, man könnte noch diese Woche mit Grünen und FDP zu sondieren beginnen. In Berlin kündigte SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey für Ende der Woche Sondierungen an. (Birgit Baumann aus Berlin, 28.09.2021)