Das Ibiza-Video hatte auch Konsequenzen für Richard Schmitt. Wegen seiner Nähe zu Heinz-Christian Strache wechselte er zu oe24.at, jetzt ist er Chefredakteur beim ÖVP-nahen Portal "Exxpress".

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Nachdem das Ibiza-Video die türkis-blaue Regierung gesprengt hatte, beschäftigte die Republik vor allem eines: Wer steckt hinter den Aufnahmen aus der spanischen Finca? Einer, der sich im Rennen um die Hintermänner besonders hervortat, war Richard Schmitt. Er war damals oe24.at-Chefredakteur und lieferte Details am laufenden Band. Einiges an seiner Berichterstattung war aber nachweislich falsch, andere Punkte beschäftigen bis heute die Gerichte.

In einem Urteil des Oberlandesgerichts Wien von Mitte September wurde Schmitt wegen seiner Ibiza-Berichterstattung erstmals persönlich verurteilt. Und das gleich wegen zweier Delikte: Nicht nur den Tatbestand der üblen Nachrede sahen die Richter erfüllt, auch jenen der Kreditschädigung. Schmitt muss nun eine Geldstrafe von 140 Tagsätzen à 81 Euro leisten, die Hälfte wurde innerhalb von drei Jahren bedingt nachgesehen. Das Urteil ist rechtskräftig, Schmitt gibt auf Nachfrage an, außerordentliche Rechtsmittel zu prüfen.

Wegen Gerüchten in der Zeitung

Geklagt wurde Schmitt vom ehemaligen Rechtsanwalt und Ex-SPÖ-Politiker Oliver Stauber. Er sah sich in den Veröffentlichungen Schmitts zu Unrecht in ein kriminelles Licht gerückt. In einer Reihe von Artikeln in der Tageszeitung Österreich und Oe24, die zwischen Oktober und November 2019 erschienen, wurde suggeriert, dass Stauber bei der Erstellung und Verbreitung des Ibiza-Videos involviert gewesen war. Ein Vorwurf "ohne jegliches tragfähiges Substrat", so das Gericht.

Woher aber nahm Schmitt seine Geschichten? Stauber selbst vermutete einen Zusammenhang zwischen den Artikeln und seiner Vernehmung durch die Soko Tape, jene umstrittene Ermittlergruppe, die sich um die Hintermänner des Ibiza-Videos bemühte. Die Ermittler tappten im September 2019 noch im Dunkeln und ließen nichts unversucht: Weil ein anderer Zeuge den Ermittlern sagte, dass er gehört habe, Stauber sei das Ibiza-Video zum Kauf angeboten worden, wurde auch Stauber als Zeuge vernommen. Vor den Ermittlern sagte er, dass ihm nie ein Video angeboten worden sei. Sehr wohl habe er aber von Gerüchten über ein Video mit Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache gehört.

Einstweilige Verfügung ignoriert

Wenige Tage nach seiner Einvernahme klingelte Staubers Telefon: Richard Schmitt. Er sprach über Staubers sonstige Tätigkeit und kam plötzlich auf die Einvernahme bei der Soko Tape. Stauber will ihn darauf hingewiesen haben, dass er nur Zeuge gewesen sei. Schmitt gab später vor Gericht an, er habe Stauber während des Telefonats als sympathisch erlebt und habe auf alle Fälle vermeiden wollen, ihn als Beschuldigten darzustellen. Er habe "viele Informanten auch aus dem Kripo-Bereich" und habe Informationen der Soko Tape erhalten.

Kurz nach dem Telefonat erschien der erste Artikel mit dem Titel "Ibiza Krimi: Neue Spur zur SPÖ-Gruppe", einen Tag später erschien folgende Frage in der Headline: "Wie tief steckt ein junger SPÖ-Politiker im Skandal?" Über Stauber wurde identifizierend berichtet: Dieser sei nun "ins Visier der Kripo" gekommen, Schmitt schrieb von Telefonüberwachungen und Razzien. Allerdings wurde Staubers Telefon nie überwacht, auch sein Haus nicht durchsucht, er war nie Beschuldigter. Mithilfe seines Anwalts Oliver Scherbaum brachte Stauber wenige Tage nach Erscheinen der ersten Artikel Klage beim Handelsgericht Wien ein. Schmitt machte weiter. Nachdem das Gericht im November bereits eine einstweilige Verfügung gegen Schmitt erlassen hatte, veröffentlichte er weitere Artikel. Auch dort stellte er Stauber als Teil der "Ibiza-Bande" dar.

Schmitt wollte Stauber "schonen"

Schmitt sagte im Verfahren, nichts von der einstweiligen Verfügung erfahren zu haben. Überhaupt habe er Stauber "schonen" und ihn keinesfalls als Beschuldigten darstellen wollen. Das Oberlandesgericht sah das als unglaubwürdig an und verurteilte Schmitt persönlich nicht nur wegen übler Nachrede, sondern auch wegen Kreditschädigung.

Letzteres gilt als außergewöhnlich: Als "langjährig erfahrener Journalist" habe sich Schmitt nicht nur mit der schädlichen Wirkung seiner Behauptungen abgefunden, er habe bewusst den Eindruck erwecken wollen, Stauber werde der Begehung von Straftaten verdächtigt, so das Urteil. Dass Schmitt Stauber "schonen" und auf keinen Fall als Beschuldigten habe darstellen wollen, habe sich als unglaubwürdig erwiesen.

Ermittler zeigten Stauber an

Für Stauber blieben die Veröffentlichungen nicht ohne Konsequenzen: Seine Profession als Rechtsanwalt legte Stauber ruhend. Das Gericht glaubte ihm, dass es für ihn als Anwalt eine "empfindliche Beeinträchtigung der sozialen Wertschätzung seiner Person" bedeute, wenn er verdächtigt werde, sich beim Ibiza-Video beteiligt zu haben.

Auch wurde Stauber aufgrund von Schmitts Berichten in den Ibiza-Untersuchungsausschuss geladen. In seiner Befragung bekrittelte er die Arbeitsweise der Soko Tape scharf. Daraufhin wurde er vom Bundeskriminalamt wegen des Verdachts auf Verleumdung und Falschaussage angezeigt, das Verfahren wurde allerdings umgehend eingestellt.

Teure Artikel

Der Mediengruppe Österreich kamen die Veröffentlichungen teuer: Das Gericht sprach Stauber laut Mediengesetz Entschädigungen in Summe von rund 23.000 Euro zu. Das Urteil wurde bereits veröffentlicht. Neben Stauber klagte auch der Ex-Kriminalbeamte Ernst Geiger erfolgreich gegen Schmitts Ibiza-Berichte in oe24.at und Österreich. In einem noch laufenden Verfahren klagt die Krone-Journalistin Katia Wagner gegen Schmitts Artikel. Auch sie wurde als Teil der "Ibiza-Bande" dargestellt. In erster Instanz stellte das Gericht fest, dass eine Veröffentlichung Schmitts den Eindruck "einer gezielten Kampagnisierung für Strache und gegen Wagner" erwecke.

Schmitt sieht auf Nachfrage "Einschüchterungsversuche" aus dem Ibiza-Umfeld. Mit dem jetzigen OLG-Urteil sei er "in nicht allzu schlechter Gesellschaft" – auch gegen den grünen Parlamentsklub gebe es eine derartige Verurteilung. Der grüne Klub dementiert, wegen Kreditschädigung verurteilt worden zu sein. Es gebe ein nicht rechtskräftiges Urteil wegen übler Nachrede nach dem Mediengesetz, das ist keine strafrechtliche Verurteilung. Ein Unterschied. (Laurin Lorenz, 7.10.2021)