FDP-Generalsekretär Volker Wissing, Grünen-Chefin Annalena Baerbock, FDP-Vorsitzender Christian Lindner und Grünen-Chef Robert Habeck trafen sich zur ersten Sondierung und posteten dann dieses Selfie.

APA/FDP/Volker Wissing

Olaf Scholz ist derzeit nur Zuseher. Grüne und FDP wollen erst am Wochenende mit ihm sprechen.

Foto: IMago/Florian Gaertner

Jenes Selfie, das zurzeit in Deutschland am meisten Beachtung findet, kam selbst für enge Parteifreunde überraschend. Es zeigt – freundlich lächelnd – FDP-Generalsekretär Volker Wissing, Grünen-Chefin Annalena Baerbock, den FDP-Vorsitzenden Christian Lindner und Grünen-Co-Chef Robert Habeck.

Veröffentlicht haben es alle vier gleichzeitig, der Text darunter ist bei allen identisch und lautet: "Auf der Suche nach einer neuen Regierung loten wir Gemeinsamkeiten und Brücken über Trennendes aus. Und finden sogar welche. Spannende Zeiten."

Das war sozusagen die erste Pressemitteilung zur ersten Jamaika-Sondierung. Eigentlich hätten sich die Grünen und die liberale Führung erst am Mittwoch zu Sondierungen über ein Jamaika-Bündnis treffen wollen. Doch dann zogen sie den Termin auf den Dienstag vor und begannen ohne medialen Begleittross ihr Abtasten.

Entsprechend groß war das Interesse an Details am Mittwoch. "Wir hatten ein gutes Gespräch", sagte Baerbock und fügte hinzu: "Wenn ich jetzt drei Sätze mehr sage, ist es nicht mehr vertraulich."

Fortsetzung am Freitag

Ähnlich klang es bei FDP-General Wissing: "Wir haben das Gespräch insgesamt unter Vertraulichkeit gestellt." Und es war nicht das erste, weitere sollen folgen – dann auch schon in erweiterter Runde.

Der Fahrplan sieht so aus: Am Freitag reden noch einmal Grüne und FDP miteinander. Dabei sollen in größerer Runde "erste inhaltliche Fragen vertieft werden", sagte Wissing. Worum es genau gehen wird, teilte er nicht mit – ebenso wenig, wo man sich treffen will.

Am Wochenende splittet man sich: Die FDP will mit Unionsvertretern über Jamaika reden, am Sonntag dann mit der SPD. Die Grünen machen es umgekehrt: Zunächst ist am Sonntag die SPD dran, erst nächste Woche die Union.

Wer daraus gewisse politische Präferenzen schließt, liegt nicht verkehrt. Denn FDP-Mann Wissing betonte noch einmal, dass eine Jamaika-Koalition weiterhin für die FDP die bevorzugte Option ist. Auch für FDP-Bundestagsfraktionsvize Michael Theurer ist eine Jamaika-Koalition "noch nicht vom Tisch".

Gefragt, ob er damit rechne, dass der unter Druck geratene CDU-Chef Armin Laschet noch an den Gesprächen teilnehmen werde, antwortete Wissing: "Ich bereite die Gespräche vor und warte, wie viele Personen uns die Union meldet. Wir sind auf alle Eventualitäten vorbereitet."

Zusammenraufen wichtig

Baerbock hingegen ließ eine Tendenz zur Ampel erkennen. Es gebe "Schnittmengen im Sozialbereich" zwischen Grünen und Sozialdemokraten. "Deshalb", so Baerbock, "ist es für uns zentral, diese Gespräche als Erstes zu führen." Sie betonte jedoch: "Mit der Union stehen wir auch in Kontakt."

Der frühere Grünen-Chef Cem Özdemir sieht die Grünen ebenfalls eher in einer Ampel: "Der Wahlsieger, das ist die SPD, das ist Bündnis90/Die Grünen – auch die FDP hat nicht verloren." Es gebe also eine Erwartung in der Gesellschaft, "dass wir uns da zusammenraufen".

Apropos zusammenraufen: Weniger amikal geht es bei der Union zu. Zwar ist es Armin Laschet gelungen, sich in eine gewisse Schonfrist zu retten. Zunächst hatte es am Dienstag so ausgesehen, als würde es bei der abendlichen Konstituierung der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag zum Showdown der unzufriedenen Unionspolitiker kommen.

Auch CSU-Chef Markus Söder hatte noch einmal kräftig gegen Laschet geledert und ihm geraten, man müsse eine Wahlniederlage auch "innerlich annehmen". Der Streit um den Fraktionsvorsitz wurde dann so gelöst: Ralph Brinkaus, der das Amt schon bisher innehatte, wurde gewählt, aber mit Befristung bis April. Er hatte eine reguläre Amtszeit gefordert, Laschet aber hätte ihn am liebsten zunächst bloß kommissarisch im Amt gesehen.

Söder als Kanzler

Denn man kann ja nie wissen, wie sich die Lage weiterentwickelt. Der Posten des Fraktionschefs könnte noch wichtiger werden, wenn die Union in Opposition gehen muss.

Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtet, es gebe in der Union Bestrebungen, Söder zu drängen, zunächst Jamaika-Verhandlungen zu führen und sich dann als Kanzler eines solchen Bündnisses zur Verfügung zu stellen. Söder hat auch in der CDU nicht wenige Fans. Viele hätten sich gewünscht, dass er bei der Kanzlerkandidatur das Rennen macht.

Mittlerweile hat Wahlsieger Olaf Scholz (SPD) noch mehr Gratulationen aus der Union bekommen. Laschet hat ihm einen Brief geschrieben, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel gratulierte nach Auskunft ihres Sprechers, Steffen Seibert, schon am Montag "zu seinem Wahlerfolg". (Birgit Baumann aus Berlin, 29.9.2021)