Mitarbeiter sind bei Schur Flexibles durch variable Komponenten am Erfolg des Unternehmens beteiligt.

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Mit Schur Flexibles setzt ein weiterer Nischenplayer aus Österreich zum Sprung in die internationale Spitzenliga an. Schon jetzt weiß man weltweit nur Amcor, Constantia Flexibles und Mondi über sich. Bei Spezialitäten behauptet man in Europa hinter Constantia die Nummer-zwei-Position. Dorthin will Michael Schernthaner, Chef der Holding mit Sitz in Wiener Neudorf (NÖ), die Gruppe nun auch weltweit bringen.

Gelingen soll dies mit Zukäufen. So soll der Umsatz von heuer 630 Millionen auf gut eine Milliarde Euro klettern. Bis wann? "Bis 2025", so Schernthaner zum STANDARD.

Wurzeln in Dänemark, Holdingsitz in Österreich

Dass Schur Flexibles über kein produzierendes Werk in Österreich verfügt, dafür aber den Holdingsitz hier hat, hängt mit dem Gründer zusammen. Jakob Mosser, der auf eine lange Karriere in der Verpackungsindustrie – u. a. bei Mondi – zurückblicken kann, hat von einem dänischen Unternehmer vor etwas mehr als zehn Jahren vier Werke für flexible Verpackungen übernommen. Mit im Boot war ein kleiner Private-Equity-Fonds aus Berlin (Capiton). Die Werke waren vorher Teil der Hans-Schur-Gruppe, die sich anderweitig orientiert hat. Sie waren der Nukleus von Schur Flexibles.

2016 gingen die Anteile des Start-up-Finanzierers Capiton an den auf Mittelstandsfinanzierungen spezialisierten Private-Equity-Fonds Lindsay Goldberg. 1200 Mitarbeiter setzten 300 Millionen Euro um. Seither hat sich der Umsatz auf rund 630 Millionen mehr als verdoppelt. Die Zahl der Mitarbeiter, die an nunmehr 23 Produktionsstandorten in elf Ländern West- und Osteuropas arbeiten, ist auf rund 2200 gestiegen. 55 sind am Holdingsitz in Wiener Neudorf beschäftigt. Von 2016 bis heute gab es neun Zukäufe.

80 Prozent gehören B&C

Schur Flexibles hat sich auf maßgeschneiderte Verpackungen für die Lebensmittel-, Aromaschutz-, Hygiene- und Pharmabranche spezialisiert. Mit 80 Prozent ist im Mai die B&C-Gruppe, die Anteile u. a. an Lenzing, Amag und Semperit hält, bei Schur eingestiegen und hat dafür 900 Millionen ausgelegt. Mit 20 Prozent bleibt Lindsay Goldberg beteiligt.

Ist 2017 zu Schur Flexibles gestoßen und seit damals Geschäftsführer des Verpackungsspezialisten aus Wiener Neudorf.
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Schernthaner will die Chance nützen, um als Konsolidierer in dem stark zersplitterten Markt der Verpackungsunternehmen stark zu wachsen. "Es gibt über 800 Player in Europa, fast 500 haben eine Größe von 20 bis 40 Millionen Euro Umsatz", sagt Schernthaner. "Da sind viele Familienbetriebe dabei, die sich rund um Schlachthöfe oder Molkereien gebildet haben und nicht mehr weiterkönnen oder nicht mehr weiterwollen." Der auf Schur zugeschnittene flexible Verpackungsmarkt ist in Europa an die sechs bis sieben Milliarden Euro schwer, der gesamte Verpackungsmarkt wiegt rund 16 Milliarden.

"Wir verhandeln fast ausschließlich mit Familien. Die ganz Großen machen das nicht, das geht ihnen zu langsam", sagt Schernthaner. Um die Integration zu einem Erfolg zu führen, habe sich eine Herangehensweise bewährt: "Ich kaufe in einem ersten Schritt 70 bis 80 Prozent und biete dem Verkäufer für die verbleibenden 20 bis 30 Prozent, die nach der Integration fällig werden, einen besonders attraktiven Preis. Damit überwindet man viele Hürden", sagt Schernthaner. In puncto Nachhaltigkeit (ESG, Environmental Social Governance), wo Schur Flexibles kürzlich eine Top-Platzierung erreicht hat, darf das Unternehmen nach ausdrücklichem Wunsch des neuen Mehrheitseigentümers keinen Schritt zurück machen. Das schränkt den Kreis möglicher Übernahmekandidaten ein.

Digilab in Wien geplant

Gewandelt hat sich unter Schernthaner, der seit 2017 dabei ist, auch die Art der Mitarbeiterführung. Jeder und jede hat einen eigenen Verantwortungsbereich und kann Dinge selbst entscheiden. Zudem sind die Mitarbeiter durch variable Komponenten auch am Erfolg des Unternehmens beteiligt – "auf jeder Ebene bis zur Empfangsdame", wie Schernthaner sagt.

Mit dem Eintritt der B&C-Gruppe gibt es den klaren Auftrag, die neuesten Entwicklungen in Österreich aufzubauen. Noch im kommenden Jahr will Schur Flexibles in Wien einen Forschungshub mit angegliedertem Digilab für digitale Technologien in Betrieb nehmen. In der engeren Auswahl steht ein Objekt nahe dem Wiener Westbahnhof.
(Günther Strobl, 30.9.2021)