Strahlende Laureaten, überraschte Preisträger, enttäuschte Verlierer: Seit 120 Jahren gilt der Nobelpreis als die begehrteste Auszeichnung auf den Gebieten Physiologie oder Medizin, Chemie, Physik, Literatur und Frieden, später auch für Wirtschaftswissenschaften.

Schon Wochen vorher spekulieren die Zeitungen über heiße Kandidatinnen und Kandidaten. In den sozialen Medien präsentieren berühmte Persönlichkeiten ihre Wunschkandidaten, und Medien greifen diese bereitwillig auf. So gab es 2020 weltweit Schlagzeilen über Friedensnobelpreisvorschläge für Wladimir Putin und Donald Trump. Jedoch ist eine Nominierung gerade für den Friedensnobelpreis nicht an sich ein Qualitätsstempel: Vorschlagsberechtigt sind in jener Preiskategorie nämlich ganz viele, darunter nationale Parlamentsabgeordnete und Professoren, unter anderem in den Fächern Geschichte, Jus, Philosophie, Sozialwissenschaften und Theologie. Allein in Österreich dürfen tausende Personen Nominierungen einreichen. Für den Medizinpreis ist die Auswahl exklusiver, nur ausgewählte Universitäten und Personen sind vorschlagsberechtigt.

Zum größten Nutzen der Menschheit

Auch in diesem Jahr gibt es einen Hype rund um einzelne Forscherinnen und Forscher. So meinen Kommentatoren, dass der Preis vermutlich die Covid-19-Forschung belohnen wird. Das wäre auch naheliegend, denn die meisten sind sich einig, dass die Impfstoffentwicklung, wie von Nobel selbst gefordert, "to the greatest benefit of mankind" zählt. Darüber hinaus ist sie hochaktuell und von globaler Bedeutung.

Wie irrig man jedoch mit solchen Vorhersagen liegen kann, zeigen – etwa mit Blick auf das historische Österreich – zahlreiche Beispiele aus der langen Geschichte des Preises: Es war im Jahr 1901, als die bekannte Friedensaktivistin Bertha von Suttner fest mit der Verleihung des Preises gerechnet hatte und bitter enttäuscht wurde. Henri Dunant und Frédéric Passy erhielten den Vorzug, und es sollte vier Jahre und 101 Nominierungen brauchen, bis Bertha von Suttner 1905 den heißersehnten Preis endlich bekam.

Bertha von Suttner wurde bitter enttäuscht, ehe sie 1905 den Nobelpreis bekam.
Foto: Gemeinfrei

So wie von Suttner ging es vielen: Auch heute bekannte Ärzte wie Adolf Lorenz, Sigmund Freud, Vincenz Czerny, Clemens Freiherr von Pirquet, Leopold Freund oder Eugen Steinach, die die Wiener Medizin im 19. und 20. Jahrhundert mitprägten, scheiterten trotz teils mehrfacher Nominierung am Nobelpreiskomitee.

Große Namen gingen leer aus

Sigmund Freud nutzten 33 Nominierungen nichts. Das Nobelkomitee attestierte ihm zwar, ein Mann mit Ideenreichtum zu sein, der gut schreiben könne, jedoch sei er kein Wissenschafter. Seine Forschungen waren den Gutachtern zu wenig beweisbar. Der Versuch, ihn mit dem Literaturnobelpreis zu ehren, scheiterte ebenfalls. Auch Adolf Lorenz ging leer aus. Die Etablierung der Orthopädie als eigenes Fach sowie acht Nominierungen reichten nicht, um auf die "Shortlist" zu kommen. Dafür holte sein Sohn Konrad gemeinsam mit Karl von Frisch und Nikolaas Tinbergen 1973 den Preis für die "Entdeckungen betreffend den Aufbau und die Auslösung von individuellen und sozialen Verhaltensmustern" in die Familie – wenngleich Konrad Lorenz' Ehrung wegen seiner nationalsozialistischen Vergangenheit umstritten war.

Diese Beispiele zeigen, wie unberechenbar das Nobelpreiskomitee ist. Selbst eine große Anzahl an Fürsprechern nutzt nichts. Und noch aus einem anderen Grund kann man daran zweifeln, dass der Preis in diesem Jahr für Covid-Forschung vergeben wird: Einige der Pioniere haben bereits andere prestigeträchtige Preise bekommen. Am prominentesten ist dabei die Biochemikerin Katalin Karikó, die in den letzten vier Wochen drei wichtige Auszeichnungen erhalten hat: den amerikanischen Lasker-Award (immer wieder als der amerikanische Nobelpreis inszeniert), den Breakthrough-Preis sowie den Paul-Ehrlich-und-Ludwig-Darmstädter-Preis. Das Nobelkomitee liebt und lebt von Überraschungen, und wenn man solche stark erwartbaren Preise vergibt, macht sich der Preis, so das Kalkül, irgendwann irrelevant. Also, wenn Sie uns fragen: Die Covid-Forschenden müssen noch etwas warten, bis der Anruf aus Stockholm kommt. Aber wer weiß: Der Nobelpreis ist stets für Überraschungen gut. (Nils Hansson, Daniela Angetter-Pfeiffer, 4.10.2021)