Erinnert an die Aktion #allesdichtmachen: #allesaufdentisch.

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Berlin – Mehrere Monate nach #allesdichtmachen haben die deutschen Schauspieler Volker Bruch und Wotan Wilke Möhring mit einer neuen Aktion Aufsehen erregt. Am Donnerstag wurden unter dem Schlagwort #allesaufdentisch mehrere Interviewclips von ihnen und anderen Menschen online gestellt. Darin werden unter anderem die Corona-Maßnahmen und die mediale Berichterstattung darüber kritisiert. Auch die österreichischen Schauspieler Nina Proll und Roland Düringer sind mit von der Partie.

In den Clips auf der Webseite allesaufdentisch.tv sprechen teilnehmende Promis mit verschiedenen Gesprächspartnern – etwa aus der Wissenschaft – über medizinische und gesellschaftliche Aspekte der Pandemie. Die meisten prominenten Namen der ersten Aktion sind diesmal nicht dabei, zu jenen, die erneut teilnehmen, zählen neben Bruch auch Proll und Düringer.

Aktive Promis

Die rund 50 je 20-minütigen Videos tragen Titel wie "Kollektive Angststörung", "Masken", "Meinungsfreiheit", "Gekaufte Forschung", "Wahrheitsdefinition" und "Kindeswohl". Im Einleitungstext der Homepage heißt es: "Mit zunehmender Sorge beobachten wir die Entwicklung des politischen Handelns in der Corona-Krise." Viele Expertinnen und Experten seien bisher in der öffentlichen Corona-Debatte nicht gehört worden, lautet einer der Kritikpunkte der zum Teil wiederholt in diese Richtung aktiv gewordenen Promis.

Bruch – bekannt aus der Fernsehserie "Babylon Berlin" – war bereits ein prominentes Gesicht der Aktion #allesdichtmachen im April. Damals hatten mehrere Menschen aus der Filmszene mit satirischen Videos den Umgang mit dem Coronavirus kritisiert. Die Aktion löste kontroverse Reaktionen aus – manche warfen der Gruppe vor, das Coronavirus zu verharmlosen. Mehrere Teilnehmer distanzierten sich später, darunter der Österreicher Manuel Rubey.

"Schädliches Narrativ"

Der Schauspieler Bruch wird nun auch im Impressum zur Internetseite von #allesaufdentisch genannt. Teil der Aktion ist eine Petition, die einen "Runden Tisch" für das Corona-Krisenmanagement fordert. Die Internetseite war am Donnerstagmittag zwischenzeitlich nicht erreichbar, die Videos wurden auch auf Youtube veröffentlicht.

Kritik an dieser neuerlichen Aktion deutschsprachiger Kunstschaffender ließ nicht lange auf sich warten: Nach Ansicht eines Experten für Verschwörungsideologien befeuert die Aktion ein "schädliches Narrativ". Über die Schauspieler und Künstler verbreiteten sich wissenschaftliche Minderheitenmeinungen über die Pandemieleugnerszene hinaus, diese würden als Mehrheitspositionen dargestellt, sagte der deutsche Politikwissenschafter Josef Holnburger und warnt: "Durch einen wissenschaftlichen Anschein werden die Beiträge aufgewertet."

Diskurs außerhalb der Forschung

Solche Debatten würden aber normalerweise auf Konferenzen und in Studien geführt – zwischen Wissenschafterinnen und Wissenschaftern, sagte Holnburger. Zudem ließen sie sich selten nur durch zwei Personen darstellen. "Mit der Aktion zieht man den Diskurs aus der Forschung heraus." Es entstehe ein Ungleichgewicht ("false balance") der wissenschaftlichen Standpunkte, so der Geschäftsführer des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS), das unter anderem Desinformation in sozialen Medien beobachtet. "Man holt sich Vertreter und Vertreterinnen einer wissenschaftlichen Minderheitenmeinung und setzt ihnen Gesprächspartner aus Kunst, Kultur und Schauspiel gegenüber statt anderer Forschender."

In den Videos kommen einige Menschen zu Wort, die Experten auf ihrem Gebiet sind, darunter der Medizinstatistiker Gerd Antes oder der Virologe Klaus Stöhr. Ihre Stimmen wurden in der Pandemie regelmäßig in großen Medien gehört. Mehrere der Gesprächspartner sind jedoch bereits durch Äußerungen aufgefallen, die die Gefahr durch das Coronavirus verharmlosen.

Ausgeschildert wird auf der Website auch, welche Gesprächspartner offenbar noch angefragt wurden, die aber entweder absagten oder auf die Anfragen nicht reagierten: Darunter sind etwa der Philosoph Richard David Precht, deutsche Politiker wie Markus Söder (CSU) oder Jens Spahn (CDU) oder der profilierte Virologe Christian Drosten.

Proll mit Guérot, Düringer mit Hausarzt

Nina Proll befragt in ihrem Beitrag die Politikwissenschafterin Ulrike Guérot zum Thema "Demokratie und Eigenverantwortung". Die beiden kennen sich aus ihrer gemeinsamen Unterstützung der sogenannten Florestan-Initiative, die vor dem Verfassungsgerichtshof gegen die erfolgten Lockdowns für die Kulturbetriebe klagt. Proll und Guérot sprechen sich in dem Video im Wesentlichen gegen schleichenden Impfzwang bzw. den Ausschluss von Ungeimpften aus Bereichen des gesellschaftlichen Lebens aus.

Roland Düringer spricht mit seinem Hausarzt Wolfgang Grünzweig über die Rolle des Immunsystems in der Pandemie. Der Allgemeinmediziner bedauert darin, dass Ansichten etwa der traditionellen Chinesischen Medizin in der Pandemiebekämpfung keine Berücksichtigung fänden. Vielmehr würde das herrschende Klima der Angst die Immunsysteme zusätzlich belasten.

Gänzlich in seiner Gefährlichkeit heruntergespielt oder gar geleugnet wird das Coronavirus in den produzierten Videos nicht. Guérot etwa spricht sich in ihrem Beitrag auch sehr klar für die Schutzimpfung aus. Diese sei prinzipiell richtig und sinnvoll. (red, 30.9.2021)