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Eine Karriere mit Hindernissen.
Foto: REUTERS/Mario Anzuoni

Die Regieanweisung ist denkbar einfach: "Sei sexy." Mehr nicht. So weist Regisseur Michael Bay Schauspielerin Megan Fox 2007 in ihrem ersten großen Film "Transformers" an. Mehr wird nicht von ihr erwartet, und sie liefert ab wie gewünscht. Dabei hätte die Rolle der Mikaela Banes, der einzigen Figur im Film, die tatsächlich etwas von Autos versteht, durchaus mehr hergegeben. Die Kamera interessiert sich jedoch hauptsächlich für ihre Modelfigur. Der Film wird ein Megablockbuster und katapultiert die bis dahin unbekannte neunzehnjährige Schauspielerin schlagartig ins globale Rampenlicht. Sie gilt als "die neue Angelina Jolie", ist offen bisexuell und sorgt mit ungewöhnlich ungefilterten, direkten und teils auch skandalösen Aussagen in Interviews zuverlässig für Schlagzeilen. Kurz, die Medien und die Öffentlichkeit reißen sich um sie. Der Weg zum großen Filmstar scheint vorgezeichnet. Es soll anders kommen.

Ist es überhaupt wichtig, gut schauspielen zu können, wenn man richtig heiß ist? Das wird Megan Fox 2009 in einem Interview mit dem "Wonderland Magazine" gefragt, als sie gerade, kurz nach Veröffentlichung des zweiten "Transformers"-Films, am Zenit ihrer Bekanntheit ist. Ihre Antwort? Ein eindeutiges Ja. Ja, es ist wichtig – wenn auch nicht für den Regisseur und auch nicht für ihr Publikum, wie sie abgeklärt anmerkt. Letztendlich seien alle Schauspieler*innen Produkte, und sie weiß mittlerweile genau, welche Rolle von ihr erwartet wird. Es sind in jener Zeit so viele gefälschte Nacktfotos von ihr im Umlauf, dass sich ihr "Saturday Night Live"-Monolog ausschließlich darum dreht.

Der Weg bergab

Für Aufsehen sorgt das Interview aus einem anderen Grund. Denn Fox begeht einen kapitalen Fehltritt, der ihr bis heute nachhängt. Nach der Zusammenarbeit mit Regisseur Michael Bay gefragt, meint sie, es sei "ein Albtraum, für ihn zu arbeiten". Sie und ihr Co-Star müssten am Set unter gefährlichen Bedingungen arbeiten. Und dann vergleicht sie Bay mit Napoleon und Hitler. Der öffentliche Backlash kommt sofort. Zusätzlich veröffentlichen drei anonym bleibende Crewmitglieder der "Transformers"-Filme einen vernichtenden Brief auf Michael Bays Website, der von den Medien sofort dankbar aufgegriffen und verbreitet wird: Sie sei dumm wie Brot, sie lächle niemals, sei "Trailer Trash", undankbar, schamlos und habe keine Klasse. Eine Karriere als Pornostar sei für sie wohl die beste Option, schauspielen könne sie nicht. Der Brief wird kurz darauf zwar gelöscht – und der Regisseur distanziert sich davon –, doch der Schaden ist bereits angerichtet. Sie wird aus dem Filmfranchise gekickt und in den darauffolgenden Filmen mit Victoria's-Secret-Model Rosie Huntington-Whitley ersetzt. Es ist, wie Fox heute sagt, der Tiefpunkt ihrer Karriere. Sie gilt fortan als schwierig – eine extrem schädliche Zuschreibung für Frauen in der Filmbranche.

Männerfressendes Monster

Doch sie hat noch ein Ass im Ärmel. In einer Abkehr von ihren bisherigen männlich dominierten Hollywoodproduktionen bekommt sie im Film "Jennifer's Body" die titelgebende Rolle der Highschool-Buben fressenden dämonischen Cheerleaderin. Das Drehbuch liefert die für "Juno" frisch Oscar-prämierte Diablo Cody, Regie führt Karyn Kusama, Amanda Seyfried spielt Jennifers beste Freundin. Kusama sagt rückblickend zu "Buzzfeed News": "Ich hatte immer das Gefühl, dass es ein Horrorfilm über eine toxische Mädchenfreundschaft ist. Darüber hinaus geht es darum, wie die Allianzen zwischen diesen Mädchen durch das Patriarchat verdreht und beschädigt werden." Den Film, so sind sich Regisseurin, Drehbuchautorin und Schauspielerinnen einig, machen sie für ein junges, weibliches Publikum. Vermarktet wird er jedoch gezielt an junge Männer.

Vom Filmplakat über den Trailer bis hin zu sämtlichen Werbeschaltungen steht einzig und allein Megans Sexappeal und ein Kuss zwischen den beiden Protagonistinnen im Fokus. Dabei wird der sogenannte Male Gaze im Film überhaupt nicht bedient, die Kampagne verspricht, was der Film nicht halten kann (und will). Die Folge: Das fast ausschließlich männliche, junge Publikum ist enttäuscht und verreißt "Jennifer's Body" bereits in den Testvorführungen. Dem Film fehlen Brüste, so einer der Tester in seinem Feedback. Die Kampagne entgleist weiter: Die Marketingverantwortlichen schlagen vor, dass Fox zur Bewerbung des Films eine Pornowebsite hosten solle. Diablo Cody verlangt von einem Marketingmitarbeiter nach einer weiteren übertrieben erotischen Werbung eine Erklärung und bekommt diese – nicht einmal grammatikalisch korrekte – Antwort per Mail zurück: "Jennifer sexy, sie stiehl dein Freund." Als hätte es ein Höhlenmensch geschrieben, sagt Cody heute.

Schwierig – und Kassengift auch noch

Als der Film endgültig in die Kinos kommt, ist das Desaster vollkommen. Er floppt an den Kassen und wird fast durchwegs von Filmkritiker*innen verrissen. Detail am Rande: In Österreich kommt der Film gar nicht erst in die Kinos, er bekommt keine Jugendfreigabe. Was wiederum weder für Folterhorror "Saw V" oder "Saw VI" ein Problem darstellt, die beide 2009 regulär in den österreichischen Kinos zu sehen sind. Die sehr negativen Reaktionen bekommt das ganze Frauenteam ab, am stärksten erwischt es aber Diablo Cody, deren Karriere sich über die Jahre erholt – und natürlich Aushängeschild Megan Fox. Es wirkt, als sähen sich ihre Kritiker bestätigt. Außer sexy kann sie eben nichts. Sie gilt nun also nicht nur als schwierig, sondern auch als Kassengift.

Die folgenden Jahre wird es ruhiger um sie. Sie bekommt mit ihrem damaligen Ehemann Brian Austin Green drei Söhne und zieht sich zurück. Große Rollen bleiben aus. Bekommt sie dann doch einmal einen Part wie beispielsweise in Judd Apatows "This is 40", so geht es auch hier im Grunde nur um ihre Existenz als rein männliche Fantasie. Sie arbeitet, Jahre nach dem Eklat, bei den "Teenage Mutant Ninja Turtles" wieder mit Michael Bay zusammen. Fast durchwegs positive Kritik erhält sie jedoch erst wieder für ihre Rolle in der fünften und sechsten "New Girl"-Staffel.

#MeToo – aber ohne dich

Als die #MeToo-Bewegung ins Rollen kommt und schnell Fahrt aufnimmt, bleibt sie stumm. Im Gespräch mit der "New York Times" sagt sie über diese Phase: "Als alle ihre Geschichten teilten – und man kann davon ausgehen, dass ich davon auch einige habe –, habe ich aus mehreren Gründen nichts gesagt. Gemessen an dem, wie ich bisher von der Öffentlichkeit und von Feminist*innen wahrgenommen wurde, konnte ich mir einfach nicht vorstellen, dass mir irgendjemand Mitgefühl entgegenbringen würde. Ich dachte, wenn es jemals einen Moment gäbe, in dem sich alle darauf einigen könnten, ein Opfer zu verurteilen und lächerlich zu machen, wäre es der Moment, in dem ich meine Geschichte teile." Es stimmt. Denn Megan Fox hielt sich früher nie zurück, wenn es um ihre Erfahrungen in einer frauenfeindlichen Branche ging. Im besten Fall wurde sie nicht ernst genommen, im schlechtesten kostete es sie die Karriere.

Für viele Diskussionen sorgt letztes Jahr ein wieder aufgetauchtes Video aus der "Jimmy Kimmel"-Show, wo sie 2009, kurz nach ihrer Entlassung aus der "Transformers"-Reihe, zu Gast ist. Sie erzählt von ihrer ersten Zusammenarbeit mit Regisseur Michael Bay: Mit 15 wirkt sie als Statistin in "Bad Boys II" mit. Sie darf in einer Nachtclub-Szene aufgrund der strengen Alkoholrichtlinien weder an der Bar sitzen noch ein Getränk in der Hand halten. Michael Bays Lösung: Sie soll im Bikini, mit Cowboyhut und High Heels unter einem Wasserfall tanzen. "Wow!", kommentiert Kimmel lachend. "Ein Mikrokosmos, wie Michael Bays Kopf funktioniert", sagt sie ernst. Lautes Gelächter aus dem Publikum. Zur "Washington Post" sagt sie darüber diesen Sommer, das Interview sei eine Zusammenfassung aller Erfahrungen und Interaktionen ihres Lebens in Hollywood gewesen: "Es war einfach sehr düster."

Ich war immer eloquent, ich war immer reflektiert, ich hatte etwas zu sagen. Ich war nicht oberflächlich, ich war nicht hohl, ich war nicht eitel, ich war nichts davon.

Plötzlich scheint sich also eine breitere Öffentlichkeit zu fragen, ob es richtig war, wie vor einem Jahrzehnt mit Megan Fox umgegangen wurde. Immer mehr Artikel widmen sich dieser Frage, immer mehr hört man ihr zu und nimmt sie als Person ernst. Das kollektive Erwachen, das rückblickend andere junge, prominente Frauen und deren Behandlung in ein anderes Licht rückt, ist mit Verspätung nun auch bei ihr angekommen. Es wird an ihrer Person deutlich, dass man sich als Frau in der Öffentlichkeit, noch dazu als stark sexualisierte, junge Frau, kaum einen Fehltritt leisten kann und unter unbarmherziger Beobachtung und strenger Beurteilung steht. Man habe Männer im Entertainmentbusiness "schon aus den Aschen viel größeren Bullshits" auferstehen sehen, heißt es in einem "Mary Sue"-Blogbeitrag zum Thema. Ernsthaft beschädigt hat es, selbst bei ernsthaften Vergehen, langfristig nur die wenigsten, sie bekommen zumeist eine – oder mehrere – zweite Chancen, sich zu beweisen.

Der Fall Megan Fox macht auch deutlich, dass man gleichzeitig einfordert, dass Frauen im Rampenlicht sexy und verfügbar zu sein haben, sie dann aber bestraft, wenn sie zu sexy, laut und sichtbar sind. Die "New York Daily News" ruft am 4. Juli 2009 gar den "Tag ohne Megan Fox" aus, dem sich mehrere Websites anschließen. "Man kann auch von einer guten Sache zu viel bekommen", begründet die Seite "Ask Men" ihre Teilnahme an diesem Medien-Blackout. Als hätte Fox jemals nach der permanenten Berichterstattung über ihre Person gefragt.

Schlechte Feministin

Darüber hinaus konfrontiert sie den Feminismus mit unangenehmen Fragen. "Ich habe nicht das Gefühl, dass es im Feminismus einen Platz für mich gibt, obwohl ich mich selbst als Feministin bezeichne", sagt sie im Gespräch mit Diablo Cody. Als junge Frau Anfang zwanzig hat sie keine Skrupel, sich mit den Großen im Business anzulegen, um andere Frauen zu verteidigen. Als von den damaligen Teenstars Miley Cyrus und Vanessa Hudgens private Nacktfotos verbreitet werden und sie vom Disney-Konzern gezwungen werden, sich dafür zu entschuldigen, sagt Fox dazu: "Sie hätte sich nicht entschuldigen müssen. Jemand hat sie betrogen, aber niemand ist wütend auf diese Person. Sie musste sich entschuldigen. Ich hasse Disney dafür. Fuck Disney." Umgekehrt ergreift aber niemand für sie Partei, als sie sich, zehn Jahre vor #MeToo, mit mächtigen Männern im Business anlegt und dafür die volle Breitseite abbekommt.

Dabei übernimmt sie für ihr Image auch einen Teil der Verantwortung: Ja, sie wurde von Beginn an in diese Rolle gedrängt. Doch sie nahm sie auch resignierend an, sagt sie offen.

Zumindest für "Jennifer's Body" gab es am Ende eine zweite Chance. Der Film erreicht über die Jahre Kultstatus und gilt vielen als "vergessener feministischer Klassiker". Die Zeit mag 2009 noch nicht reif gewesen sein, heute sieht man ihn mit anderen Augen. "'Jennifer's Body' ist heute gut. Genauer gesagt, 'Jennifer's Body' war immer gut, und alle kommen erst jetzt auf sein Level", schreibt das "Vox"-Magazin. Cheerleaderin Jennifer ist bis heute Megan Fox' Lieblingsrolle. Wird sie heute in der Öffentlichkeit angesprochen, sind es zumeist junge Frauen, die mit ihr über "Jennifer's Body" reden wollen, sagt sie. Und Megan Fox? Die scheint sich nun endgültig nicht mehr zu scheren, was man über sie denkt und ob man sich mit ihrer Sexualität unwohl fühlt. Sie scheint ihren Frieden mit der Vergangenheit gemacht zu haben: "Ich fühle mich nicht rehabilitiert. Ich bin schon darüber hinaus, ich muss nicht mehr im Recht sein. Damals war ich verletzt – und natürlich habe ich sehr gelitten –, aber ich suche keine Vergeltung, und ich brauche keine Entschuldigung." Gut für sie. (Anya Antonius, 22.10.2021)