1600 positive PCR-Tests wurden bis Mitte der Woche an heimischen Schulen gezählt. Ein Großteil davon, 1134, wurde in Wien registriert. Die Zahl der Neuinfektionen steigt, die Zahl gesperrter Klassen sinkt aber.

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Immerhin, die Schule ist offen. "Davon hab ich aber nichts, wenn dort kaum noch Kinder sitzen und kein Unterricht stattfindet", ärgert sich Frau N., deren K2-Kind aktuell nur mehr mit acht anderen die Klasse besucht. Das mit den direkten Sitznachbarn, die ja laut aktueller Regelung mehr oder weniger die Einzigen sein sollen, die bei einem positiven Corona-Fall in Quarantäne gehen müssen, sei in der Realität mit engem Pausenkontakt und getauschten Plätzen im Zeichenunterricht leider ganz anders gelaufen. Das Resultat in diesem Fall: Der Großteil der Klasse sitzt daheim – ohne Unterricht. Distance-Learning, das gab es nur während der Lockdowns. Der Rest der Klasse sitzt in der Schule – ohne Unterricht. Mit dem Lehrplan weiterzumachen ist angesichts der Situation nämlich auch nicht möglich. Frau N. ist jedenfalls froh, dass ihre Tochter bereits zweifach geimpft ist: "Ich hätte nämlich lieber kein Long Covid bei meinem Kind."

Mehr, aber weniger

Knapp 1.600 positive PCR-Tests wurden bis Mitte der Woche an den heimischen Schulen gezählt, ein Großteil davon – 1.134 – in Wien. Dass sich in der Bundeshauptstadt die Zahl der Infektionen, verglichen mit dem Vergleichszeitraum der Vorwoche (552), mehr als verdoppelt hat, ist sonst nur in der Steiermark der Fall. Wien ist allerdings nur bedingt mit Restösterreich vergleichbar: Der hier verwendete "Alles gurgelt"-Test schlägt bei einem höheren CT-Wert als positiv an. Außerdem fließen Testungen symptomatischer Schülerinnen und Schülern, sowie bei positiven Fällen auch jene der Familie, ein. Unter dem Strich bleibt übrig: Die Infektionszahlen steigen, während die Zahl der Klassen in Quarantäne massiv sinkt – von 606 gesperrten Klassen vor zwei Wochen auf 37. Ist also genau das eingetreten, wovor Expertinnen und Experten gewarnt haben?

Der Mikrobiologe Michael Wagner von der Universität Wien bleibt bei seiner Kritik und findet im Gespräch mit dem STANDARD: "Die aktuellen Quarantäneregeln kann man sich ehrlich gesagt sparen." Das Ansinnen, nicht mehr ganze Klassen nach einem positiven Fall zu sperren, sei nachvollziehbar. Allerdings reiche es keinesfalls, nur noch direkte Sitznachbarn eines positiv getesteten Schulkameraden in Quarantäne zu schicken. Wagners Vorschlag: Wenn es einen positiven Test gibt, soll nur das infizierte Kind abgesondert werden. Dafür müsse sofort die gesamte Klasse PCR-getestet werden – und dann zumindest weitere zwei Mal nach jeweils 48 Stunden, um etwaige weitere positive Schülerinnen und Schüler herausfiltern zu können. Wagner plädiert in dieser Zeit für eine FFP2-Masken-Pflicht in der Schule. Nur Sitznachbarn in Quarantäne zu stecken passiere "wider besseres Wissen der Übertragung des Virus über Aerosole".

Der Mikrobiologe rechnet damit, dass das Coronavirus unter den aktuellen Rahmenbedingungen "nach der nächsten Schlechtwetterphase verstärkt durch die Schulen rauscht". Das gelte es zu verhindern – zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Impfung für Kinder unter zwölf Jahren zugelassen ist.

"Enorme Belastung"

Für die Virologin Dorothee von Laer handelt es sich bei der jetzt für die Schulen gewählten Vorgangsweise um eine schwierige Abwägung: Einerseits seien die spontan ausgelösten Quarantänefälle eine "enorme Belastung für Eltern und Kinder". Andererseits sei das "wahrscheinlich ein geringeres Übel, als dass noch mehr Schulen und Klassen wieder ganz geschlossen sind". Auf die leichte Schulter nehme den Schulbesuch derzeit kaum jemand: "Was da alles dranhängt, etwa dass die Oma infiziert wird. Das ist für viele Kinder ganz furchtbar."

Ihre Zusammenfassung der Situation: "Derzeit erkauft man sich eine kontinuierlich offene Schule mit mehr Erkrankungen." In weiterer Folge könnten diese zu mehr Infektionen bei Erwachsenen führen – "das müssen wir vorsichtig beobachten". Insbesondere Kinder, die zur Risikogruppe zählen, machen der Virologin Sorgen, diese gehörten auch jetzt besonders geschützt – etwa durch mehr als fünf Tage Quarantäne. Der einzige Grund, warum all das noch immer nötig sei: "Weil sich nicht genügend Erwachsene impfen haben lassen." (David Krutzler, Karin Riss, 1.10.2021)