Ende vergangener Woche fand in den USA die offizielle Rückgabe einer antiken Keilschrifttafel an den Irak statt. Ort der Zeremonie: das Smithsonian National Museum in Washington, D. C., wo das in das Jahr 1600 v. Chr. datierte Objekt seit der Beschlagnahme durch die amerikanischen Behörden im September 2019 erstmals öffentlich gezeigt wurde.

Das restituierte Fragment: Vor Gericht kämpft ein Amerikaner um die Rückerstattung der Kaufkosten.
Foto: AFP / Saul Loeb

Audrey Azoulay, Generaldirektorin der Unesco, bezeichnete diese Rückgabe als "großen Sieg über diejenigen, die kulturelles Erbe verstümmeln und es zur Finanzierung von Gewalt und Terrorismus missbrauchen". Adressiert war diese Botschaft nicht nur an kriminelle Organisationen, die von Plünderungen in Kriegsgebieten profitieren, sondern auch an die Akteure des Kunstmarktes, an Sammler ebenso wie den Handel, dem über gesetzliche Verschärfungen in den vergangenen Jahren immer höher Sorgfaltspflichten auferlegt werden.

Etwaige Leichen im Keller sonst seriöser Anbieter fördern, wie in diesem konkreten Fall, dann Ermittlungen von Behörden zutage. Seit 2003 ist der Handel mit Kulturgütern aus dem Irak untersagt und eine detaillierte Prüfung der Herkunft zeitlich zuvor gehandelter Objekte, die illegale Wege explizit ausschließt, geboten.

Privatverkauf via Christie’s

Bereits im August war ein erster Transport aus den USA im Umfang mehrerer Kisten mit anderen archäologischen Kulturgütern irakischer Herkunft nach Bagdad erfolgt. Ingesamt geht es um die Rückführung von rund 17.000 Objekten, die laut Azoulay in den letzten Jahrzehnten aus dem Irak geraubt worden sein sollen.

Dazu gehört auch das nun an den irakischen Botschafter in den USA, Fareed Yasseen, übergebene Tontäfelchen: ein historisch wichtiges Artefakt, da Experten die Zeilen als dem Epos zu den Taten des Königs Gilgamesch von Uruk zugehörig identifizierten, eine der ältesten und schriftlich festgehaltenen Dichtungen der Welt aus dem babylonischen Raum. Zu einigen Sequenzen der weltweit in Museen und anderen Institutionen auf Fragmenten erhaltenen Erzählung sind einige interessante Parallelen in biblischen Überlieferungen erwiesen. Auf der nun restituierten Tafel soll etwa von einer großen Flut die Rede sein, ähnlich der Geschichte von Noahs Arche im Alten Testament.

Ein thematischer Bezug, der 2014 das Interesse von Steve Green, Chef der von seinem Vater, einem ambitioniertem Evangelikalen, aufgebauten Kunsthandwerkkette Hobby Lobby und Gründer des 2017 in Washington eröffneten Bibelmuseums, weckte. Über einen von Christie’s abgewickelten Privatverkauf hatte er das Gilgamesch-Fragment damals für 1,67 Millionen Dollar erworben.

Erfundene Angaben

Zur Frage der Herkunft verwies man ihn auf eine vermeintlich im Jahr 1981 dokumentierte Versteigerung bei Butterfield & Butterfield in San Francisco. Zeitlich wäre dieser Verkauf also vor dem Zweiten Golfkrieg erfolgt, in dessen Verlauf die Tafel laut Unesco tatsächlich aus dem Irak gestohlen worden sein soll. Wo und unter welchen Umständen, geht weder aus Gerichtsdokumenten noch aus Ermittlungsakten hervor.

Die Angaben des Verkäufers dürften – so sind die Ermittler der US Homeland Security Investigations überzeugt – eine Erfindung gewesen sein. Stattdessen sollen ein israelischer Sammler und ein jordanischer Antiquitätenhändler in den Schmuggel und Handel involviert gewesen sein. Christie’s soll davon nichts gewusst haben.

Nach der Beschlagnahme im Herbst 2019 zog Hobby Lobby im Mai 2020 gegen das Auktionshaus vor Gericht, klagte wegen Betrugs, Verletzung der Gewährleistung sowie auf Rückerstattung des Kaufpreises samt Zinsen und Anwaltskosten. Das Verfahren ist anhängig.

Kein guter Ruf

Wenn es um Glaubwürdigkeit geht, haben Steve Green und sein Unternehmen, über das die Transaktionen liefen, jedoch keinen sonderlich guten Ruf vorzuweisen. 2009 hatte er mit dem Aufbau einer Sammlung historischer Manuskripte sowie Antiquitäten mit Bezug zur Bibel begonnen und inspizierte dazu auch Angebote in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE).

Ein von ihm engagierter Berater warnte ihn vor etwaigen Herkunftsproblemen und wies weiters auf die Relevanz einer ordnungsgemäßen Deklaration bei der Einfuhr von Kulturgütern in die USA hin. Vergeblich: Im Dezember 2010 schloss Hobby Lobby einen Vertrag über den Ankauf von rund 5500 Artefakten, darunter Keilschrifttafeln und Zylindersiegel im Wert von 1,6 Millionen US-Dollar, die in sieben Teilbeträgen auf verschiedene Bankkonten überwiesen wurden. Die Ware wurde von einem VAE-ansässigen Händler in mehreren Paketen an verschiedene Firmenadressen nach Oklahoma City, dem Hobby-Lobby-Hauptstandort, verschickt.

Oxford-Connection

Die Sendungen waren – ohne erforderliche Dokumente am Zoll vorbei – als "Keramikfliesen" oder "Tonfliesen (Muster)" deklariert worden, teils unter Angabe explizit falscher Herkunftsländer wie Israel oder Türkei. Als die amerikanische Zoll- und Grenzschutzbehörde CBP einige dieser Lieferungen abfing, begannen Ermittlungen, an deren Ende man allein 3800 antike Artefakte aus dem Irak beschlagnahmte, die 2018 restituiert wurden. Eine zugehörige Klage war 2017 gegen die Zusicherung der künftigen Einhaltung von Zollvorschriften sowie eine Strafzahlung in der Höhe von drei Millionen Dollar beigelegt worden.

Seinerseits ist Hobby Lobby seit Juni um die exakte Klärung der Herkunft einiger ägyptischer Manuskripte bemüht, die unrechtmäßig aus dem Bestand der Universität Oxford entwendet worden sein dürften – laut Klageschrift habe man sie zwischen 2010 und 2013 einem dort tätigen Papyrusforscher für knapp sieben Millionen Dollar abgekauft. (Olga Kronsteiner, 2.10.2021)