Das Sondengespann BepiColombo soll mindestens bis Mai 2027 den Merkur umkreisen.
Illustr.: ESA

Noch ist die europäisch-japanische Weltraummission BepiColombo nicht dort, wo sie hinsoll, aber immerhin kann sie nun erstmals aus der Nähe einen Blick auf ihr künftiges Ziel werfen: Die Doppelsonde wird am 2. Oktober sehr nahe am Merkur vorüber fliegen. Bei der Passage sollen Flugbahn und Geschwindigkeit angepasst werden, damit der Instrumententräger nach einigen weiteren Vorbeiflügen bei seiner endgültigen Ankunft im Dezember 2025 in der richtigen Umlaufbahn um den kleinsten und sonnennächsten Planeten landet.

Schwierige Reise

Reisen von der Erde ins innere Sonnensystem sind aufgrund der Anziehungskraft der Sonne technisch ausgesprochen schwierig. Deshalb wird die Mission BepiColombo auch insgesamt sieben Jahre benötigen, ehe sie ihr Ziel erreicht. Die dafür gewählte Flugbahn erforderte einen Vorüberflug an der Erde und zwei Venus-Passagen. Neben dem aktuellen ersten Flyby am Merkur müssen noch fünf weitere derartige Manöver BepiColombo in eine Umlaufbahn um die Sonne lenken, die sich tangential immer mehr dem Merkurorbit annähert. Wenn alles gut geht, wird BepiColombo schließlich am 5. Dezember 2025 in eine polare Umlaufbahn um den Merkur einschwenken.

Zum ersten Mal wurden Flyby-Manöver entlang einer Planetenbahn bei der NASA-Merkur-Mission Mariner 10 angewandt. Die Berechnungen stellte der italienische Ingenieur und Mathematiker Giuseppe ‚Bepi‘ Colombo an. Der Professor an der Universität seiner Heimatstadt Padua war 1970 zu einer Konferenz zur Vorbereitung der Mariner-10-Mission an das Jet Propulsion Laboratory der NASA ins kalifornische Pasadena eingeladen. Dort sah er den ursprünglichen Missionsplan und erkannte, dass mit einem hoch präzise ausgeführten ersten Vorbeiflug zwei weitere Nahvorbeiflüge am Merkur möglich waren: Ihm zu Ehren wurde die europäisch-japanische Merkur-Mission benannt.

Neun Flyby-Manöver (eines an der Erde, zwei an der Venus und sechs am Merkur) muss BepiColombo absolvieren, ehe er in eine Merkurumlaufbahn einschwenken kann.
Illustr.: ESA

Annäherung bis auf 200 Kilometer

Im Rahmen von der BepiColombo-Mission fliegen erstmals zwei Orbiter (MMO und MPO) zugleich zum Merkur. Die beiden werden am Samstag bis auf 200 Kilometer an den am wenigsten erforschten Planeten heran kommen. Während des Manövers ist die europäisch-japanische Transportstufe einer Sonneneinstrahlung ausgesetzt, die um ein Vielfaches höher als auf der Erde ist.

"Dieser Vorbeiflug ist ein erster Test, ob die thermischen Schutzkonzepte für unsere Messgeräte funktionieren", betonte Werner Magnes, Technischer Manager des Magnetometers MMO-MGF. Sowohl Lenksystem als auch die Thermoisolation stammt von RUAG Space Austria. Die Gesamtleitung der Mission liegt bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA, die auch für Entwicklung und Bau des Mercury Planetary Orbiter (MPO) zuständig war. Der Mercury Magnetospheric Orbiter (MMO) wurde von der japanischen Raumfahrtagentur JAXA beigesteuert.

Beim ersten Rendezvous mit dem Merkur wird sich ihm BepiColombo bis auf 200 Kilometer annähern.
Illustr.: Esa

Merkurs Magnetfeld auf dem Prüfstand

Die beiden Orbiter werden den Planeten mit einer Vielzahl an Instrumenten untersuchen. Das Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist für die Magnetfeldmessgeräte beider Raumsonden beteiligt: diese Magnetometer (MPO-MAG und MMO-MGF) sind durchgehend eingeschaltet. Von MPO-MAG, dessen Sensor am bereits ausgeklappten Boom sitzt, werden mit Hochspannung die Ergebnisse erwartet.

"Zum ersten Mal wird eine Raumsonde das Merkur-Magnetfeld der südlichen Hemisphäre in niedriger Höhe messen", wie Wolfgang Baumjohann vom IWF, der die wissenschaftliche Leitung des MMO-MGF innehat, festhielt. Damit stünden die bisher aufgestellten Modelle für das Eigenmagnetfeld des Planeten auf dem Prüfstand. Auch das Ionenspektrometer PICAM wird während des Merkur-Vorbeiflugs eingeschaltet, um erstmals in der extrem dünnen Merkur-Atmosphäre nach verschiedenen Arten von Ionen zu suchen. Die Beteiligung des IWF an BepiColombo wurde von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) finanziert.

Video: BepiColombos erster Merkur-Flyby.
European Space Agency, ESA

Hochtemperaturisolation mit Keramikfasern

Technik aus Wien steuert die Merkursonde: Das Lenksystem stammt vom österreichischen Weltraumunternehmen RUAG Space Austria in der Bundeshauptstadt, wo es auch entwickelt und gebaut wurde, wie das Unternehmen betonte. Zusätzlich lieferte der Weltraumzulieferer auch für die Ausrichtung der Solarpaneele die Motorsteuerung. Weiters schützten die Wiener Experten die Sonde vor den extremen Temperaturen im All: "Merkur ist der sonnennächste Planet, daher muss die Sonde extreme Hitze von über 450 Grad Celsius aushalten", wie Geschäftsführer Andreas Buhl verdeutlichte. Die Hochtemperaturisolation mit Keramikfasern dient gleichzeitig als Schutz gegen Mikrometeoriten.

Laut dem Unternehmen wird jeder europäische Satellit mit Thermoisolation von RUAG Space geschützt. Rund 1.300 Mitarbeitende in sechs Ländern entwickeln und produzieren laut Unternehmensangaben Produkte für Satelliten und Trägerraketen. RUAG Space ist Teil des internationalen Technologieunternehmen RUAG international mit Sitz in der Schweiz. (red, 1.10.2021)