Wie viele Antikörper vor eine Covid 19-Infektion schützen und wie lange sie in ausreichender Anzahl vorhanden sind, beschäftigt aktuell sehr.

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Wie viele Antikörper es braucht, um eine Immunität gegen Sars-Cov-2 zu erreichen, und wie lange sie in ausreichender Zahl im Körper bleiben – diese Fragen stellen sich aktuell viele. Denn die Antikörper werden mit der Zeit weniger, und damit nimmt auch der Schutz vor einer Infektion ab – es kann zu Impfdurchbrüchen kommen. Gerade in der Diskussion, wann und für wen die dritte Impfung nötig ist, spielt die Beantwortung der Eingangsfrage daher eine wichtige Rolle.

Dieser Frage ist eine Ende September in "Nature Medicine" veröffentlichte Studie nachgegangen. Ein Expertenteam rund um die Oxford Vaccine Group an der britischen Universität Oxford hat versucht, jenen Antikörperlevel festzustellen, der einen verlässlichen Schutz bietet. Die Bestimmung dieses Grenzwerts geht aus der Fortführung der Zulassungsstudie für den Covid-19-Impfstoff Vaxzevria der Firma Astra Zeneca hervor. Dafür wurde die Menge der neutralisierenden Antikörper ab 28 Tage nach der zweiten Impfung bei nicht infizierten und infizierten Geimpften gemessen.

Von den insgesamt 1.575 Probandinnen und Probanden infizierten sich in den folgenden knapp 90 Tagen 171 mit Sars-CoV-2, 74 davon mit Symptomen. Untersucht wurde die Frage, ob die Höhe der Antikörperspiegel mit dem Auftreten einer Infektion statistisch zusammenhing, also korrelierte. Und man stellte fest, dass 264 Binding Antibody Units pro Milliliter Blut (BAU/ml) des IgG-Antikörpers, der das Spike-Protein von Sars-CoV-2 erkennt, mit einem 80-prozentigen Schutz vor symptomatischer Infektion korreliert. Nicht symptomatische Infektionen flossen in die Daten nicht ein.

Die Daten der Studie beziehen sich auf die – mittlerweile verdrängte – Alpha-Variante. Carsten Watzl, Leiter des Forschungsbereichs Immunologie an der TU Dortmund, betont deshalb: "Aktuell bräuchten wir einen Wert für den Schutz gegen die Delta-Variante. Diese ist etwa 50 Prozent ansteckender, also müsste man den Grenzwert in etwa mit 0,5 multiplizieren. Wenn Delta dann die nächsten zwei Jahre vorherrschend bliebe, dann bliebe es bei diesem Wert. Wenn neue Varianten auftreten, dann müsste man auch diesen Wert entsprechend anpassen."

Frage nach Immunschutz

Was bedeutet das nun konkret? Ist man mit einem entsprechenden Antikörperlevel ausreichend geschützt? Watzl dazu: "Es ist bereits bekannt, dass die Höhe des Antikörpertiters mit dem Impfschutz korreliert. Es braucht aber Studien wie diese, mit denen man einen konkreten Grenzwert bestimmen kann. Dafür müssen ganz viele Probanden geimpft, ihre Antikörperspiegel bestimmt und dann analysiert werden, wer sich infiziert. Das wurde in dieser Studie gemacht, die eine Fortsetzung der Zulassungsstudie von Astra Zeneca für den Impfstoff Vaxzevria ist. Eine ähnliche Analyse gibt es bereits von der Firma Moderna für den Impfstoff Spikevax, und Ähnliches wird sicher auch für die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Johnson und Johnson kommen."

Auf einen offiziellen Immunitätsnachweis aufgrund des Antikörperlevels kann man aber derzeit nicht hoffen. Denn gängige Antikörpertests sind wenig verlässlich. "Viele dieser Test liefern zwar schöne Werte, sagen aber nichts darüber aus, wie gut die Antikörper das Virus blockieren", sagte der Molekularbiologe Ulrich Elling von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften dem STANDARD. Denn sie messen eine Vielzahl von Antikörpern, die gegen das Spike-Protein gerichtet sind. Die binden aber zum Teil an Stellen, die das Virus gar nicht stören.

Validere Aussagen liefern sogenannte Neutralisationstests und Surrogat-Neutralisationstests. Die messen die Fähigkeit der Antikörper, das Virus tatsächlich an einer Infektion zu hindern, was die höchste Aussagekraft für Immunitätsbestimmungen hat. Sie sind aber sehr aufwendig und können nur in spezialisierten Labors durchgeführt werden. Daher ist es aktuell schwierig, diese auf breiter Basis durchzuführen.

Und deshalb gibt es auch keinen Eintrag im grünen Pass: "Auf europäischer Ebene sind neutralisierende Antikörper nicht in den Zertifikaten des grünen Passes vorgesehen. In Österreich gilt ein laborbestätigter Nachweis über eine positive Testung auf neutralisierende Antikörper weiterhin als Nachweis im Sinne der 3G-Regel und der Covid-19-Einreiseverordnung für Reisen nach Österreich. Die Gültigkeit beträgt 90 Tage", heißt es dazu auf der Homepage zum grünen Pass.

Gesunkener Antikörpertiter

Als sicherer Schutz vor Infektion gilt nach wie vor in erster Linie ein Impfbooster. In Österreich ist die dritte Impfung bereits möglich, derzeit werden Ältere und Risikogruppen wie etwa immunsupprimierte Patienten eingeladen. Das macht auch absolut Sinn, weil bei diesen Personengruppen die Immunantwort von Haus aus reduziert ist. Die Boosterung liefert ihnen den nötigen Schutz.

Und auch für alle anderen Bevölkerungsgruppen empfehlen Experten die dritte Impfung, da mit der Zeit die Zahl der Antikörper deutlich nachlässt. Markus Zeitlinger, Leiter der Klinischen Pharmakologie an der Med-Uni Wien, betonte dazu in der "ZiB 2" vom 30. 9.: "Nach etwa sechs Monaten sind die Antikörpertiter auf rund ein Viertel heruntergegangen. Das zeigt, dass man da wieder etwas machen muss. Die Daten zeigen außerdem, dass die Antikörpertiter nach der dritten Impfung deutlich höher sind als nach der zweiten. Das immunologische Boostern funktioniert also sehr gut. Und erste Daten aus Israel zeigen weiter, dass jene mit dritter Impfung zehnmal seltener eine Durchbruchsinfektion haben als jene ohne dritten Stich."

Woher weiß man nun, wann die dritte Impfung für einen selbst angesagt ist? Zeitlinger dazu: "Grundsätzlich gibt es dafür die Empfehlungen des nationalen Impfgremiums. Die bevorzugen Ältere, jene mit schwachem Immunsystem, jene, die einen Vektorimpfstoff wie Astra Zeneca erhalten haben und besonders exponierte Personen wie jene, die im Gesundheitssystem arbeiten, oder auch Lehrer."

Schiefgehen könne bei der dritten Impfung nichts. Man müsse aber damit rechnen, dass Impfreaktionen wie Schüttelfrost oder Schmerzen an der Einstichstelle zumindest gleich stark oder auch etwas stärker seien wie bei der zweiten Impfung. Das liege daran, dass der Antikörperresponse mindestens so stark sei wie beim zweiten Stich.

Mit einem dritten Stich darf man dann auch auf längere Immunität hoffen, wie Watzl betont: "Die Antikörpertiter haben nach der Impfung einen zweiphasigen Abfall und stabilisieren sich irgendwann. Das liegt daran, dass kurzlebige Plasmazellen zwar zu einem frühen hohen Antikörperanstieg beitragen, aber diese auch wieder verschwinden. Im späteren Verlauf nach der Impfung werden mehr Gedächtniszellen gebildet, die langanhaltend Antikörper produzieren. Mit einer weiteren Impfung kann der Pool an Gedächtniszellen erhöht werden, der stetig Antikörper produziert. So ist es dann eventuell möglich, dass ein Impfschutz auch mehrere Jahre hält. Ein Leben lang wird er eher nicht halten." (Pia Kruckenhauser, 3.10.2021)