An beiden Verhandlungstagen war der große Schwurgerichtssaal im Wiener Landesgericht für Strafsachen gut besucht.

Foto: APA/Punz

Im Prozess um den Tod der 35-jährigen Nadine W., die am 5. März in ihrer Trafik in Wien Alsergrund von ihrem langjährigen Partner attackiert wurde und einen Monat später ihren schweren Brandverletzungen erlag, gab es am Freitag am Landesgericht für Strafsachen in Wien einen Schuldspruch: Der 47-Jährige wurde rechtskräftig zu lebenslanger Haft verurteilt. Zudem soll er in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen werden.

Besondere Grausamkeit

"Wir haben schon wirklich viele furchtbare Verbrechen in diesem Haus verhandelt, aber das ist ein Mord, der heraussticht, der an Grausamkeit nicht zu übertreffen ist", sagte die Richterin Sonja Weis. Außer einem Säureattentat gebe es keine grausamere Art und Weise, jemanden zu töten, als die Person anzuzünden, so die Richterin. Die Höchststrafe sei die einzig richtige Strafe.

Mit der Unterbringung im Maßnahmenvollzug sei man dem psychiatrischen Sachverständigen gefolgt. "Ich habe selten jemanden erlebt, der so wenig Empathie für ein Opfer aufbringt. Sie haben bis zum Schluss versucht, das Opfer schlecht zu machen", sagte Weis zu dem Angeklagten.

Der Mann akzeptierte das Urteil und will keine Rechtsmittel einlegen. Das Urteil ist damit rechtskräftig.

Täter-Opfer-Umkehr bis zum Schluss

Wie bereits am ersten Prozesstag am Donnerstag blieb der Mann auch am Freitag bei der Aussage, dass er Nadine nicht habe töten wollen. "Ich habe es nicht geplant. Wenn ich es geplant hätte, hätte es ganz anders ausgesehen", sagte er am Ende des Prozesses. Für Nadine habe es nur das Geschäft gegeben, sie sei hart gewesen zu ihm und habe ihn gequält. Und: "Es tut mir leid, dass mich Nadine mit ihrem Verhalten zu dieser Tat brachte", worauf die Richterin Sandra Weis ihn fragte, ob er ernsthaft so weitersprechen wolle.

Seine abschließenden Worte waren dabei eine Weiterführung der letzten beiden Verhandlungstage: Der gebürtige Ägypter, der seit einigen Jahren die österreichische Staatsbürgerschaft hat, stellte sich wiederholt als Opfer dar und seine "krankhaft eifersüchtige" Freundin als eigentlich schuldige Person.

"Verstörende Verhandlung"

Dieses Verhalten wurde nicht nur von der Staatsanwältin in ihrem Schlussplädoyer kritisiert. Sie sagte: "Nichts rechtfertigt auch nur ansatzweise diese Tat." Auch der Anwalt der Hinterbliebenen, der bereits zu Beginn des Prozesses in Richtung des Täters sagte, er solle die Täter-Opfer-Umkehr unterlassen, sprach am Ende nochmal das fehlende Schuldeingeständnis des Mannes an: "Ein Geständnis wäre aus Sicht der Hinterbliebenen erlösend gewesen und hätte einen Tropfen Trost gespendet, wo kaum Trost zu finden ist." Die Ansprüche des Vaters, der Mutter und der Schwester von Nadine auf Trauerschmerzensgeld erkannte der Täter nicht an, nur einem Schmerzensgeld für Nadine in Höhe von 15.000 Euro stimmte er zu.

"Wir haben eine verstörende Verhandlung erlebt", sagte Verteidiger Michael Schnarch in seinem Schlussplädoyer. Sein Mandant habe "die Kontrolle über sich verloren", aber es müsse "nicht unbedingt falsch sein", dass er Nadine nicht habe töten wollen. Sollten die Geschworenen zur Ansicht gelangen, dass der Tatbestand des Mordes erfüllt sei, "kann ich nur höflichst bitten, von der schwersten Strafe – lebenslanger Haft – Abstand zu nehmen".

Video der Tat gezeigt

Zuvor war am Freitagvormittag das Video der Tat zu sehen, trotz des Brandes konnte das Material aus den Überwachungskameras wiederhergestellt werden. Hinterbliebene, die auf der Galerie Platz genommen hatten, verließen den Saal zuvor teilweise. Die restlichen Zuhörer sahen das, was der psychiatrische Sachverständige als "inszenierte Hinrichtung" beschreibt – es sind kaum auszuhaltende fünf Minuten. Währenddessen war es mucksmäuschenstill in dem Raum, die Stimmung kann als beklemmend beschrieben werden. Der Täter selbst sah nicht hin, er habe das Video schon oft gesehen, es sei nicht einfach.

Dass Nadine nach der Tat nicht an Ort und Stelle verstarb, war dem Mut und der Entschlossenheit von Passanten zu verdanken, die mit einem Einkaufswagen die Tür einbrachen. Eine Frau ging schließlich in die Trafik, sie sagte am Freitag noch als Zeugin vor Gericht aus. Wie traumatisierend diese Minuten für sie gewesen sein mussten, wurde bei der Befragung deutlich. Die Zeugin war sichtlich und hörbar mitgenommen von den Geschehnissen. Es sei der anderen Frau gegenüber "entwürdigend" gewesen, dieser – deren Kleider sowie der Großteil ihrer Haut waren verbrannt – gegenübertreten zu müssen, sagte sie. Aber sie habe sich auch "gefreut, dass sie gestanden ist. Es hat mir Mut gegeben, sie herauszubringen." Vor der Trafik habe sich Nadine dann hingesetzt, die Zeugin rief die Rettung.

Psychische Störungen, qualvolles Leiden

Dem psychiatrischen Sachverständigen Peter Hofmann zufolge leide der Mann unter einer Persönlichkeitsstörung, die ihn zu einem gefährlichen Menschen mache – bei der Tat sei er aber zurechnungsfähig gewesen. Er habe eine "völlige Befreiung von Empathie" bei dem Mann festgestellt, eine hohe Kränkbarkeit und Kontrollbedürfnis. "Du bist unter mir" hat der 47-jährige seiner Freundin einmal geschrieben, das fasse es perfekt zusammen, sagt Hofmann. Auch leide der Mann an stark ausgeprägtem Narzissmus. Der Empfehlung, den Mann deswegen in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen, folgte das Gericht.

Auch zwei rechtsmedizinische Sachverständige trugen am Freitag noch Zusammenfassungen ihrer Gutachten vor. Ihnen zufolge sei die Überlebenschance nach dem Angriff, trotz der Bergung und der raschen notfallmedizinischen Versorgung im Nahe gelegenen AKH, bei nur fünf Prozent gelegen, weil 75 Prozent des gesamten Körpers verbrannt gewesen seien. Obwohl die Frau dann unter medikamentöser Dämpfung gestanden habe, habe sie auf Behandlungen reagiert und demnach auch Schmerzen, die Experten sprachen sogar von "qualvollen Schmerzen", erleiden müssen. Der rechte Arm und das rechte Bein mussten amputiert werden, am 3. April starb Nadine schließlich an einem Multiorganversagen.

Der Prozess war einer von drei Frauenmordprozessen in nur einer Woche. Auch bei den anderen beiden Prozessen – in Salzburg und in Feldkirch – wurden Männer, die ihre Partnerinnen getötet hatten, des Mordes schuldig gesprochen. (Lara Hagen, 1.10.2021)