Die sozialdemokratische Europaabgeordnete Klára Dobrev hat die erste Runde der Oppositionsvorwahl für die ungarische Parlamentswahl im Frühjahr 2022 gewonnen. Die Frau des ehemaligen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány kam auf 35 Prozent der Stimmen, teilte die Vorwahlkommission in der Nacht auf Freitag mit. Die Beteiligung an der in Ungarn historisch erstmaligen Vorwahl übertraf alle Erwartungen: 632.479 Bürgerinnen und Bürger machten mit, das sind acht Prozent aller Wahlberechtigten überhaupt.

Klára Dobrev liegt vorn, doch die Stichwahl steht noch aus.
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An zweiter Stelle landete der Budapester Oberbürgermeister Gergely Karácsony mit 27 Prozent der Stimmen. Der Links-Grüne führt die Kleinpartei Dialog an, wird aber auch von der Ungarischen Sozialistischen Partei (MSZP) und der Ökopartei Politik kann anders sein (LMP) unterstützt. Ziemlich überraschend Dritter wurde der Parteilose Péter Márki-Zay. Der Bürgermeister der südostungarischen Stadt Hódmezövásárhely vereinte 20 Prozent der Stimmen auf sich.

Karácsony und Márki-Zay für zweite Runde qualifiziert

Dobrev, Karácsony und Márki-Zay sind für die zweite Runde der Vorwahl qualifiziert. Deren Ausgang entscheidet darüber, wer im April 2022 als gemeinsamer Spitzenkandidat der sechs Oppositionsparteien den seit zwölf Jahren regierenden Rechtspopulisten Viktor Orbán herausfordern wird. In der ersten Runde ausgeschieden sind Péter Jakab, Obmann der einst rechtsextremen, heute rechtsnationalen Jobbik-Partei, mit 14 Prozent und der Chef der liberalen Momentum-Partei, András Fekete-Györ, mit drei Prozent.

Politische Beobachter stuften Beteiligung und Mobilisierungskraft der Vorwahl als höchst bedeutsam ein. Die Opposition gegen Viktor Orbán und seine Fidesz-Partei sei nun "aus ihrer Blase ausgebrochen", schrieb der Budapester Thinktank Political Capital am Freitag in einer Analyse. Erstmals habe sie Wählerschichten jenseits ihrer Stammanhänger erreicht. "Jene Massen, die die Regierungspolitik von jeglicher nicht-regierungshörigen Medienöffentlichkeit zu isolieren vermochte, konnten sich bislang gar nicht vorstellen, dass es potente politische Kräfte jenseits des Fidesz gibt."

Ausloten der Chancen

Orbán bei der Wahl 2022 zu bezwingen wird Dobrev weniger zugetraut als dem integrativeren Karácsony. Dobrevs Ehemann Gyurcsány steht an der Spitze ihrer Partei, der Demokratischen Konvention (DK). Seine "Lügenrede" als Ministerpräsident löste im Herbst 2006 in Budapest Straßenunruhen aus. Bis heute gilt Gyurcsány als jemand, der stark polarisiert.

Dennoch scheint Karácsony die zweite Vorwahlrunde nicht aus eigener Kraft gewinnen zu können. Das Augenmerk richtet sich nun auf den Überraschungsdritten: Márki-Zay signalisierte inzwischen, dass er sich im Gegenzug für politische Zugeständnisse vonseiten Karácsonys aus dem Rennen zurückziehen könnte. (Gregor Mayer aus Budapest, 1.10.2021)