Nur wenige Stunden vor dem Fristende um Mitternacht, Washington-Zeit, haben die Demokraten und die Republikaner im US-Kongress das Feuer eingestellt: Sie verabschiedeten im Repräsentantenhaus und im Senat ein akut notwendiges Übergangsbudget, das US-Präsident Joe Biden sogleich unterzeichnete. Der Stillstand der Regierungsgeschäfte ist somit abgewendet, allerdings nur für kurze Zeit. Der interimistische Staatshaushalt gilt nur bis 3. Dezember. Dann muss ein endgültiger Etat her – oder ein weiteres Übergangsbudget, mit Sicherheit nicht, ohne vorher noch einmal Shutdown-Drohungen auszusprechen.

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Die Demokratin Nancy Pelosi hält als "Speaker" des US-Repräsentantenhauses den Fortsetzungsbeschluss in die Kamera, mit dem der Shutdown abgewendet werden konnte – zumindest bis zum 3. Dezember.
Foto: REUTERS/Elizabeth Frantz

Ein Waffenstillstand sieht anders aus: Die aktuelle Situation ist eher eine kurze Feuerpause, um die eigenen Munitionsvorräte überprüfen und nachladen zu können. Denn das Gefecht wird weitergehen – und zwar schon bald.

Fast alle Jahre wieder

Politische Machtspiele mit dem Druckmittel des Shutdowns sind keine Novität in den USA: Fast jeder Präsident, der nicht in beiden Kammern über satte Mehrheiten verfügt, muss sich dieser Form des Kräftemessens stellen, wenn die Gesetze für das jeweilige Budgetjahr – in den USA beginnt es am 1. Oktober – noch nicht außer Streit stehen. Donald Trump, aber auch viele andere Vorgänger Bidens können ein Lied davon singen.

Wesentlich schwerer liegt Biden der Streit um die Schuldenobergrenze, im US-englischen Politikjargon "debt ceiling" genannt, im Magen: Wie Finanzministerin Janet Yellen ohne Unterlass warnt, droht den USA ohne eine – zumindest vorübergehende – Anhebung dieses Plafonds per 18. Oktober die Zahlungsunfähigkeit. Wahrscheinliche Szenarien: geringere Kreditwürdigkeit, Finanzkrise, Rezession.

Die oppositionellen Republikaner blockieren im Senat, wo sie gleich viele Mandate haben wie die regierenden Demokraten, ein milliardenschweres Finanzierungspaket, weil dieses die Schuldenobergrenze durchbrechen würde. Dabei handelt es sich weniger um eine sachlich als eher um eine politisch begründete rote Linie für die Fraktion der Grand Old Party, die vom einflussreichen Senator Mitch McConnell angeführt wird.

Republikaner blockieren

Die Republikaner fürchten, dass die Biden-Regierung mit der Anhebung des Schuldendeckels nicht nur die dringlichen Rechnungen begleichen, sondern auch andere, bisher nicht vereinbarte zusätzliche Ausgaben in Billionenhöhe tätigen würde.

McConnell machte deutlich: "Wir werden einen sauberen Fortsetzungsbeschluss unterstützen, der einen Regierungsstillstand verhindert. Wir werden keine republikanischen Stimmen für die Anhebung der Schuldengrenze bereitstellen."

Auf Granit beißen bisher die Demokraten mit ihrem Hinweis, dass die Schulden des Landes schon vor dem aktuellen finanzpolitischen Tauziehen entstanden seien; so seien einige der besonders kostspieligen Rechnungen wegen der Corona-Krise sogar gemeinsam beschlossen worden: etwa im vergangenen Dezember ein 900 Milliarden Dollar schweres Konjunkturpaket. Führende Demokraten erinnern auch daran, dass man während Trumps Präsidentschaft (2017–2021) mit den Republikanern zusammengearbeitet habe, um eine Anhebung der Schuldenobergrenze zu erreichen, obwohl der damalige Präsident mit seinen Mauerbauplänen an der Grenze zu Mexiko eine Politik verfolgt habe, die von den Demokraten absolut nicht unterstützt wurde.

Der Machtkampf im Senat ist in den Augen des demokratischen Mehrheitsführers Charles Schumer jedenfalls "unnötig", er werde von den Republikanern nur aus Trotz und Sturheit geführt.

Weitreichende Pläne

Eine weitere Sorge ist für Biden ein 550 Milliarden Dollar schweres Infrastrukturpaket für vier Jahre, mit dem Straßen, Brücken sowie die Energieversorgung in den USA modernisiert werden sollen. Im August hatte der Senat bereits grünes Licht gegeben, das Votum im Repräsentantenhaus fehlt aber noch. Die Demokraten erwägen nun, das Paket mittels Sonderverfahren aus eigener Kraft durch den Kongress zu bringen. Doch bisher wird noch gezögert, weil parteiintern nicht alle Demokraten an einem Strang ziehen: Eine Gruppe will nur mitziehen, wenn auch über ein rund 3,5 Billionen Dollar schweres Klima- und "Care Economy"-Gesetz abgestimmt wird.

Beide Baustellen – Schuldendeckel und Infrastrukturpaket – hätten für die US-Wirtschaft enorme Auswirkungen für mindestens ein Jahrzehnt. Die Washington Post nennt dieses Vorhaben daher "einen großen Teil von Bidens Vermächtnis" – dabei hat der Präsident noch nicht einmal sein erstes Jahr im Amt hinter sich. (Gianluca Wallisch, 1.10.2021)