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Der Stichtag ist erst übernächste Woche. Am 13. Oktober wird Finanzminister Gernot Blümel seine Budgetrede im Nationalrat halten. Dann muss er spätestens die wichtigsten Eckpunkte der türkis-grünen Steuerreform präsentieren. Doch aus Verhandlerkreisen hieß es am Freitag, dass der Steuerpakt schon deutlich früher fertig sein könnte.

Das hat zwei Gründe. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Grünen-Chef Werner Kogler schenken den Platz an der medialen Sonne sicher nicht her, werden also selbst die Ergebnisse präsentieren wollen. Zugleich heißt es, ÖVP und Grüne hätten sich bei vielen, wenn auch nicht allen Fragen angenähert.

Was kommt? Entlastungen und ein CO2-Preis

Als fix gilt, dass die Einkommenssteuerstufen zwei und drei gesenkt werden, wovon allen voran mittlere und Gutverdiener profitieren. Sicher ist auch, dass die ersten Schritte hin zu einer ökologischen Transformation im Steuersystem gesetzt werden. Im Zentrum steht eine Steuer auf den Ausstoß von CO2. Diese soll ab dem kommenden Jahr den schon bestehenden europäischen Emissionshandel ergänzen. Dort ist bisher ein Drittel des heimischen Ausstoßes erfasst – nämlich die Emissionen von Industrie und Energieerzeugung.

Verständigen werden sich die Koalitionäre auch auf eine Entlastung von Unternehmen. Wahrscheinlich ist eine Senkung der Körperschaftsteuer von 25 auf 21 Prozent in Etappen. Erwartet wird außerdem, dass sich auch bei klimaschädlichen Subventionen etwas ändert. Im Gespräch war die schrittweise Abschaffung des Dieselprivileges, also der günstigen Besteuerung des Kraftstoffes im Vergleich zu Benzin.

Wo gestritten wurde? Bei Unternehmen und Klima

Streitigkeiten gab es bei der Entlastung von Unternehmen. Die ÖVP hat auf eine Senkung der Körperschaftssteuer gedrängt und einen Steuerbonus für Unternehmen, die viel Eigenkapital halten, ins Spiel gebracht. Die Grünen dagegen sahen darin ein Geschenk an Kapitalgesellschaften. Sie haben sich daher für eine Senkung der Lohnnebenkosten starkgemacht, etwa via Familienlastenausgleichsfonds.

Ein weiterer Streitpunkt betrifft die CO2-Bepreisung. Die Grünen haben auf einen höheren Preis gedrängt, im Gespräch waren dem Vernehmen nach 30 Euro bis 50 Euro, Letzteres eher eine Vorstellung der Grünen. 30 Euro bedeuten, ein Liter Sprit würde um acht Cent teurer, bei 50 Liter sind es zwölf Cent. Gerungen wurde auch darüber, wie im Gegenzug für die verteuerten Emissionen entschädigt wird. Die Grünen drängen dabei auf einen sichtbaren und gut zu vermarktenden Ökobonus. Die ÖVP hat sich vor allem für Pendler starkgemacht, die einen höheren Benzinpreis zu spüren bekommen.

Was sagt die Opposition? Wenig Gutes zum Vorhaben

SPÖ, Neos und FPÖ haben eigene Vorstellungen zur richtigen Steuerpolitik. Der freiheitliche Budgetsprecher Hubert Fuchs kritisiert, dass Sprit sich verteuern wird. "Das hätte es unter der blau-schwarzen Regierung nicht gegeben", sagt Fuchs im STANDARD-Gespräch. Andere Eckpunkte der Steuerreform stammen allerdings noch aus dem Drehbuch von ÖVP und FPÖ. Die beiden Parteien hatten 2019 vereinbart, die Körperschaftssteuer von 25 auf 21 Prozent zu senken. Paktiert war auch die Senkung der Einkommensteuer. Das geht für Fuchs in Ordnung.

Die SPÖ kritisiert das Paket als sozial unausgewogen. "Eine Senkung der Körperschaftssteuern wäre der falsche Weg", sagt SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Das würde nur "die Schieflage im Steuersystem verschärfen", davon profitieren würden nur "fünf Prozent der größten Konzerne". Unter Schieflage meint die SPÖ-Chefin, dass Arbeitnehmer einen weit größeren Teil des Steuerkuchens aus ihren Einkommen finanzieren als Unternehmen aus ihren Gewinnen. Statt die Steuerstufen zu senken, will die SPÖ jenen Teil des Einkommens anheben, der steuerfrei bleibt: von 11.000 Euro im Jahr auf 15.000.

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger kritisiert die Steuerpläne als viel zu "unambitioniert". Die Rechnung der Neos: Die Senkung der Einkommenssteuertarife bringt eine Entlastung von 2,3 Milliarden Euro. Allein die schleichenden Steuererhöhungen durch die kalte Progression beliefen sich seit der letzten großen Steuerreform 2016 in Summe auf 2,8 Milliarden Euro. Die Neos wollen zudem Lohnnebenkosten senken, und der CO2-Preis soll bei 350 Euro je Tonne CO2 liegen. Allerdings würden in dieser Rechnung bestehende Belastungen, etwa die Mineralölsteuer, gestrichen werden. Eine Gleichbehandlung von Eigen- und Fremdkapital ist für die Neos wichtiger, als die Gewinnsteuern zu drücken, sagt Meinl-Reisinger.

Was sagen Experten? Budgetspielraum ist da

Die Finanzierbarkeit des koalitionären Vorhabens wird wegen der niedrigen Zinsen kaum bezweifelt. Unterschiedliche Ansichten gibt es dazu, wo die Schwerpunkte liegen sollten. Einigkeit herrscht, dass eine Senkung der Körperschaftssteuer weniger positive Effekte hätte, als bei Lohnnebenkosten anzusetzen, wie etwa Helmut Hofer vom Institut für Höhere Studien sagt. Ein CO2-Preis von 30 Euro ist laut Experten zu niedrig. Stefan Schleicher vom Wegener Center in Graz sagt, dass dieser Preis Endverbrauchern kaum auffallen würde. Schleicher: "Unter 50 Euro sollte der Einstiegspreis nicht sein." (András Szigetvari, 1.10.2021)