Die Aussichten im Tourismus sind wieder besser, auch was die kommende Wintersaison betrifft. Einen Corona-Cluster kann und will man sich nicht mehr leisten.

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In Österreich sind erst etwas mehr als 60 Prozent der Bevölkerung vollständig gegen Corona immunisiert. Rund zehn Prozent hatten das Virus, sind genesen und haben genug Antikörper, um nicht mehr schwer an Covid-19 zu erkranken. Das reicht aber nicht, um den heimtückischen Krankheitserreger als ungefährlich einzustufen. Genau das ist die Gefahr, die nun wie ein Damoklesschwert über dem Wintertourismus in Österreich hängt.

Nach dem Totalausfall der vergangenen Wintersaison, in der wegen Lockdowns sowie Reisewarnungen Skifahren nur für Einheimische möglich war und Hotels überhaupt geschlossen halten mussten, könnte es heuer gut werden. Umfragen zeigen, dass die Reiselust ungebrochen ist und dass Skifahren nach wie vor einen hohen Stellenwert bei den Winterurlaubern hat, auch und gerade bei jenen, die nach Österreich wollen. Mögliche Reisewarnungen aufgrund der geringen Impfrate könnten diese rosigen Aussichten jedoch zunichtemachen. Darauf haben bei einem Tourismusseminar der Wirtschaftskammer in Neufelden im Mühlviertel (OÖ) sowohl Spartenobmann Robert Seeber als auch Oliver Fritz, Tourismusexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), hingewiesen.

Sicherheit für Gäste maßgeblich

Wie gut oder schlecht die heurige Wintersaison ausfallen wird, hänge maßgeblich davon ab, inwieweit es gelinge, den Gästen in Corona-Zeiten ein hohes Maß an Sicherheit zu bieten. Vorschriften zu erlassen genüge nicht, diese müssten auch flächendeckend umgesetzt und strikt kontrolliert werden. "Ein zweites Ischgl kann sich die Branche nicht leisten", sagte Wifo-Experte Fritz unter Hinweis auf den gewaltigen Imageschaden, der aufgrund des ersten richtigen Corona-Clusters im Tiroler Skiort und des unprofessionellen Umgangs damit im Frühjahr 2020 eingetreten ist.

Spartenobmann Seeber appellierte an Hoteliers, Gastronomen und Seilbahnwirtschaft, das Thema ernst zu nehmen. Erst bei einer Durchimpfungsrate von rund 80 Prozent kann nach Ansicht von Medizinern Entwarnung gegeben werden. Nachbarländer sind im Vergleich zu Österreich deutlich weiter, was den Anteil der Geimpften betrifft. Seeber wies darauf hin, dass im Sommer einiges an Vertrauen wiederhergestellt werden konnte. Das dürfe nun nicht mehr leichtfertig verspielt werden.

Normalisierung erst 2023

Tatsächlich hat sich der Tourismus im heurigen Sommer besser entwickelt als ursprünglich erwartet. Nach revidierten Zahlen der Statistik Austria lagen die Nächtigungen im Juli auf Höhe des Vorjahrs und nicht, wie in ersten Berechnungen festgestellt, um 0,8 Prozent darunter. Im August waren die Zahlen sogar besser als im Vergleichsmonat 2019. Auch der September dürfte gut ausgefallen sein, harte Zahlen dazu gibt es in rund drei Wochen.

Einzig der Städtetourismus ist trotz Erholungstendenzen noch weit weg von normal. Insbesondere in Wien fehlen internationale Gäste, die in den vergangenen Jahren zu einem beispiellosen Höhenflug bei Ankünften und Nächtigungen beigetragen haben.

Wann ist wieder mit einer Normalisierung zu rechnen? "Frühestens 2023," sagt Tourismusexperte Fritz. Erst dann werde man bei den Tourismuszahlen in Österreich wieder annähernd das Niveau der Vor-Corona-Zeit erreichen. Der Städtetourismus könnte allerdings noch längere Zeit leiden, zumal Kongresse, ein wichtiger Frequenzbringer in Städten wie Wien oder Salzburg, höchstwahrscheinlich nicht mehr so viel Publikum anziehen werden.

Mehr Wertschätzung für Mitarbeiter

Corona hat nicht nur einen Digitalisierungsschub ausgelöst und so viele Menschen wie nie ins Homeoffice gebracht – besonders im Tourismus haben sich viele Mitarbeiter trotz Kurzarbeitsregelung wegen monatelanger Schließzeiten umorientiert. Damit verschärft sich die ohnehin angespannte Arbeitskräftesituation im Tourismus, der bereits vor der Pandemie fehlende Kellner und Köche beklagt hat.

Besserung ist so rasch nicht in Sicht, zumal im Vorjahr Corona-bedingt ein ganzer Lehrlingsjahrgang ausgefallen ist. Von 2019 bis jetzt sind der Branche an die 1.000 Lehrlinge abhandengekommen. Da sich der Fachkräftemangel nicht auf Österreich beschränkt und alle Branchen umfasst, ist es kein Leichtes, Mitarbeiter aus dem Ausland anzulocken. Umso wichtiger sei es deshalb, wertschätzend mit den Mitarbeitern umzugehen, sagte Seeber. (Günther Strobl, 3.10.2021)