In den USA ist es die größte Nummer im Profizirkus, in Europa nach wie vor ein exotischer Amateursport: American Football. Ein Gladiatorenkampf, mit Helmen, der Zusammenhalt und das Team stehen über allem, allein kann niemand gewinnen. Bereits im Vorjahr wurde ein neuer Versuch unternommen, Football länderübergreifend in Europa zu pushen. Dafür wurde die European League of Football (ELF) gegründet, das Finale der ersten Saison ging vergangenes Wochenende in Düsseldorf über die Bühne, 20.000 Zuschauer sahen einen Sieg von Frankfurt Galaxy gegen die Hamburg Sea Devils. Mit Konfettishow, Cheerleadern und Party. Eine Art Mini-Super-Bowl.

Mit den Raiders Tirol und denn Vienna Vikings haben sich nun auch die zwei besten österreichischen Footballteams der ELF angeschlossen. Eine Abspaltung von der heimischen Liga soll das nicht bedeuten, Tirol und Wien wollen mit ihren zweiten Garnituren weiter in der Austrian Football League (AFL) mitspielen. Michael Eschlböck, Präsident des Football-Verbandes (AFBÖ), sie das Konstrukt ELF im Gespräch mit dem STANDARD kritisch. "Das ist eine rein private Geschichte, es gibt kein Regulativ zwischen dem europäischen Verband und der ELF. Diese Liga schöpft den Rahm ab, ohne dass sie dem Amateurfootball auch nur das Geringste zurückgeben will. Das sind Heuschrecken, die machen was sie wollen."

Wer hinter der ELF steckt

Axel Streich, Ligavorstand der German Football League, schlägt in die gleiche Kerbe: "Daheim ausgebildete Spieler aus der höchsten Liga wechseln zu ELF-Teams, die heimischen Mannschaften werden dadurch geschwächt, die Mühen der Aufbauarbeit an der Basis werden auf die nationalen Verbände abgewälzt." Die Vereine argumentieren mit einer neuen sportlichen Herausforderung und mehr Spielen. In der heimischen Meisterschaft spielen sich die Raiders und die Vikings seit Jahren untereinander den Titel aus, es gibt faktisch keine Konkurrenz. Ein Argument, das Eschlböck nachvollziehen kann, es bleiben aber viele Fragen offen.

Die Austrian Bowl ist seit Jahren ein Finalduell zwischen den Tirol Raiders und den Vienna Vikings. Beide Teams suchen neue Herausforderungen.
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Die treibende Kraft hinter der EFL ist Patrick Esume, deutscher Footballkommentator und ehemaliger NFL-Assistantcoach. Vorstand der Liga ist Zeljko Karajica, der auch Hauptinvestor bei Austria Klagenfurt in der Fußballbundesliga ist. Sechs Teams aus Deutschland, sowie jeweils ein Team aus Spanien und Polen waren in der ersten Saison am Start. Die ELF wirbt mit der Reichweitenstärke der deutschen Pro-Sieben-Sendergruppe als Übertragungspartner, einem Kartoffelchipshersteller und einem Energy-Drink-Produzenten, spricht von einem finanzstarken Rahmen. Die Expansion soll vorangetrieben werden, das Ziel sind 14 Mannschaften. Neben Tirol und Wien wurde mit Rhein Fire ein weiteres deutsches Team aufgenommen. Kommuniziert hat die ELF mit dem österreichischen Verband bis dato nicht. Eschlböck: "Es herrscht Schweigen im Walde. Letztes Jahr stellte sich die ELF noch hin und posaunte hinaus, was sie nicht alles für Football in Europa tun wolle und dann machen sie etwas für sich, für ihre eigenen Kassen."

Zuschauer-Boom

Fakt ist, dass das Eierlaberl nicht mehr unbemerkt über die heimischen Fernsehbildschirme flimmert. Die amerikanischste aller Sportarten ist in Österreich längst angekommen, das Zuschauerinteresse wächst, zumindest an der National Football League (NFL). Fast zwei Millionen Zuseher verfolgten die NFL-Saison 2020/21 auf Puls4, in Deutschland schauten sich genauso viele Menschen die Super Bowl an. Auch im STANDARD gibt es eine rege Football-Community. Die NFL bemühte sich Anfang der 90er Jahre bereits, Football in Europa zu etablieren. Mit der NFL Europe wurde 1991 ein Ableger gegründet, 2007 wurde der Spielbetrieb eingestellt. Seitdem liegt das europäische Footballfeld brach. "Von dieser Vision sind die Amerikaner geheilt. Die NFL hat das 16 Jahre versucht und eine halbe Milliarde Dollar verloren", sagt Eschlböck.

Corona hin oder her: In der ELF wollen Österreichs Spitzenteams vor mehr Zuschauern das Eierlaberl in den Abendhimmel kicken.
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Gescheitert ist die NFL Europe an den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. "Ein Football-Team besteht aus 53 Spielern, das kostet Geld. Trotz hoher Zuschauerzahlen an vereinzelten Standorten, reichten die die Einnahmen nicht aus, um die Liga zu finanzieren. Damals spielten aber auch hauptsächlich Amerikaner und höchstens zehn Europäer pro Team. Das hat es noch teurer gemacht." Eschlböck weiß von anderen potenziellen ELF-Teams, die eine Beteiligung an der ELF abgelehnt haben, nachdem sie sich die Kosten für den Spielbetrieb durchgerechnet haben. "Aber ich will mich positiv überraschen lassen, wünsche mir natürlich auch einen starken europäischen Bewerb."

Mehraufwand für Vikings, Raiders

Karl Wurm, Präsident der Vienna Vikings, geht davon aus, dass rund 700.000 Euro zusätzlich aufgestellt werden müssen. Auch ein Heimstadion brauchen die Vikings. Die Generali Arena, Heimstätte der Austria, ist Thema. Im Gegensatz zur ELF hat sich der Verband auf ein Gentleman’s Agreement mit den Raiders und den Vikings geeinigt. Eschlböck wünscht sich, dass kein aggressives Abwerben von Spielern anderer Teams stattfindet und er hofft auf solide Budgets. Der mahnende Zeigefinger richtet sich nach Deutschland. Die German Football League ist die prestigeträchtigste Liga Europas, dort gingen zuletzt mit Frankfurt, Hildesheim und Stuttgart gleich drei Teams die Luft aus."

Weiß, warum Football in Europa (noch) nicht zieht: AFBÖ-Präsident Michael Eschlböck.
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Die Verantwortlichen der ELF sehen in ihrer neuen Liga noch keine Profimannschaften, aber Football unter "professionellen" Bedingungen. Und sie träumen davon, dass sich dort Spieler für die NFL entwickeln.

Im heimischen Football sind nicht alle so skeptisch, wurde der Umstieg der Tiroler und Wiener in die ELF auch begrüßt. Ein aufstrebender Sport soll professionalisiert werden. In Österreich tummeln sich 5200 Spieler und Spielerinnen bei 41 Football- und 23 Flag-Footballvereine. In der AFL, der höchsten Spielklasse zahlen die Spieler Mitgliedsbeitrag, eine Handvoll Legionäre verdient laut einem Ex-Spieler "einen Pappenstiel". "Die Leute, die die NFL verfolgen, schauen nicht zwingend österreichischen Football. Dabei versuchen wir immer wieder im Fernsehen, den Leuten österreichischen Football näherzubringen", sagt Eschlböck.

Fehlende Nationalteams

Was dem österreichischen, aber auch dem gesamten europäischen Football fehlt, sind die Nationalteams als Zugpferde. Das letzte reichweitenstarke und erfolgreiche Großevent war die EM 2014 in Österreich mit dem Finale gegen Deutschland im mit 27.000 Zuschauern gut besuchten Happelstadion. "Die Pandemie hat die Nationalteams einschlafen lassen."

Für Eschlböck ist der europäische Footballverband (EFAF) "lahmarschig". Ein Kompetenzgerangel zwischen EFAF und dem Weltverband (IFAF) ging vor einigen Jahren bis zum Internationalen Sportgerichtshof in Lausanne. 2015 hätte eine Weltmeisterschaft in Schweden stattfinden sollen, sie wurde ein Jahr davor abgesagt und die USA verlegt, was Österreich wiederum zu einer Absage aus finanziellen Gründen zwang. Die WM 2019 hätte in Australien über die Bühne gehen sollen, wurde nun für 2023 neu ausgeschrieben. Eschlböck: "Es wartet noch viel Arbeit auf uns." (Florian Vetter, 4.10.2021)