"Ich war grad als K2 abgesondert, hab dann gestern den zweiten PCR g’macht und bin jetzt freigetestet" – ein Sprachfetzen, aufgeschnappt auf einem Bahnsteig während eines Telefonats einer Schülerin. Hätte ich einen solchen Satz vor dem Jahr 2019 zufällig gehört, ich hätte ob des unverständlichen Slangs verwundert den Kopf geschüttelt. Heute scheint das normal. Die Pandemie hat nicht nur unseren Alltag, sondern auch unsere Sprache verändert. Leider nicht zum Besseren.

Die "Durchimpfungsrate" ist ein schrecklicher Begriff, ebenso wie die Menschen in "Impfbare" und "Nichtimpfbare" zu trennen. Nur in einem Land wie Österreich kann man sich ernsthaft in einem Gerichtsverfahren über ein "Impfgerücht" streiten. Wenn Leute wie Herbert Kickl so weitermachen, werden "Du G’impfter" oder "Du Ung’impfter" in den Schimpfwortschatz der jeweiligen Milieus eingehen. "Konzepte" werden hoffentlich auch bald wieder Kreativeres beinhalten als seitenweise banale Abhandlungen zum Händewaschen, Stoßlüften und Kontakterfassen, wie sie so mancher jetzt verfassen muss.

Was ist eigentlich Ihr Corona-Unwort?
Foto: imago images/Christian Ohde

Den "kontagiösen Kontakt" kenne ich erst seit der Lektüre eines Behördenschreibens an meine Tochter, die schon die zweite Schulwoche wieder zu Hause verbringen musste. Wenn das so weitergeht, wird das nicht der letzte "Absonderungsbescheid" sein, der uns ins Haus flattert. Wer hätte gedacht, dass wir alle einmal am "K2" verzweifeln werden und dabei nicht der Achttausender im Himalaja gemeint ist! Was ist eigentlich Ihr Corona-Unwort? Vielleicht lässt sich ja im STANDARD ein Online-Voting organisieren, um die schrecklichste Wortkreation der Pandemie zu küren. Besser, wir nehmen es mit Humor, als dass uns das "G’impfte aufgeht" (eine Redewendung, die aus der Zeit der Pockenimpfung stammt).

"Corona-bedingt"

Wobei ein neues Adjektiv durchaus seinen Wert hat: "Corona-bedingt" geht als Ausrede für ziemlich alles durch: sinkende Umsatzzahlen, fehlende Ersatzteile, steigende Preise. Und es verschleiert dabei banalere Ursachen wie Ineffizienz, schlechte Führung oder fehlendes strategisches Denken.

So viel zum harmlosen Teil der Verhunzung unserer Sprache. Problematischer wird es, wenn wichtige Begriffe umgedeutet werden. Die "Skepsis" als negative Charaktereigenschaft auszuweisen, ist schlichtweg falsch. Skepsis und Zweifel sind integrativer Bestandteil einer aufgeklärten Gesellschaft. Vor allem sind sie Grundlage jeglichen wissenschaftlichen Arbeitens. Also bleiben Sie bitte skeptisch! Und das Wort "Querdenker" so zu missbrauchen, das ist auch unverzeihlich! Vor kurzem waren das noch Menschen, die mit einer anderen Perspektive und frischen Ideen unsere Gesellschaft bereicherten. Für die selbsternannten Querdenker ist es eine Kampfansage, für die anderen ein Schimpfwort.

Gesellschaftliche Spaltung hin oder her, zumindest in der Sprachverhunzung steht kein Lager dem anderen nach. Ob Sie nun an eine "Plandemie" als die Verschwörung der "Globalisten" glauben oder sich mit Durchseuchungs- und Durchimpfungsraten beschäftigen: Wir alle haben ein sprachliches Minenfeld gelegt. Es ist an der Zeit, mit der Entschärfung zu beginnen, auch wenn die wirkliche Pandemie noch nicht vorbei ist und "positiv" leider immer noch viel Negatives mit sich bringt. (Philippe Narval, 4.10.2021)