Finanzminister Gernot Blümel präsentierte die Steuerreform gemeinsam mit seinen Regierungskollegen.

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Das große Rechnen hat auch abseits der Regierung begonnen. Am Sonntag haben ÖVP und Grüne endlich ihre Steuerreform auf den Tisch gelegt. Seitdem versuchen Steuerberater ebenso wie diverseste Interessenvertreter zu eruieren, wer nun wie stark profitieren wird. Die großen Überraschungen sind ausgeblieben. Grüne und ÖVP werden die Einkommenssteuer so senken, wie sie das schon in ihren Koalitionsverhandlungen fixiert hatten.

Wer profitiert davon? Gutverdiener und Bezieher mittlerer Einkommen steigen besser aus, obwohl eigentlich die unteren Steuerstufen entlastet werden. Große Gewinner sind Familien mit vielen Kindern, wenn das Haushaltseinkommen nicht zu niedrig ist.

Wie kommt es dazu? Die Antwort darauf hat mit der Art und Weise zu tun, wie Einkommen vom Staat in Österreich besteuert werden. Das System basiert auf Stufen. Bis 11.000 Euro ist der Verdienst steuerfrei, dann greift der Staat mit 20 Prozent zu – bis zu einem Einkommen von 18.000 Euro (siehe Grafik). Dann kommt die nächste Stufe und wieder eine. Auch wer mehr verdient, durchläuft alle Stufen: Die ersten Euro werden nicht oder gering besteuert, die letzten Euro höher und höher.

· Die Koalition wird die Tarifstufen zwei und drei in Etappen senken. Wer ein Jahreseinkommen von 18.000 bis 31.000 Euro hat, soll für diesen Gehaltsteil ab Juli 2022 statt 35 nur noch 30 Prozent Steuer zahlen. Wer 31.000 bis 60.000 verdient, soll dafür ab Juli 2023 statt 42 nur 40 Prozent zahlen. Davon profitieren Arbeitnehmer, die darüber verdienen, ebenso, tendenziell sogar stärker.

· Dazu gibt es ein Goodie beim Kinderbonus. Dieser beträgt derzeit 1.500 Euro für Kinder bis 18 Jahre. Dieses Geld mindert die Steuerbelastung, ist ein Absetzbetrag. Nun wird der Kinderbonus auf 2.000 Euro erhöht. Der Kinderbonus kann nur dann voll ausgeschöpft werden, wenn der Arbeitnehmer genügend Steuern zahlt. Wer jetzt bloß 1.500 Euro Steuern im Jahr berappt, hat nichts von der Erhöhung. Eine Ausnahme gibt es für Alleinerzieher. Sie bekamen bisher bis zu 250 Euro, auch wenn sie wenig verdienten. Dieser Betrag wird angehoben, auf 400 Euro. Wer mindestens 330 Tage im Jahr Mindestsicherung oder Arbeitslosengeld bezieht, bekommt keinen Bonus. Daran ändert sich nichts. Mehr als 160.000 Kinder gehen also weiterhin leer aus.

Sozialversicherung: Senkung fix

· Wer kleinere Einkommen entlasten will, muss bei den Sozialversicherungsbeiträgen eingreifen. Diese steigen kaum an, schon wer über der Geringfügigkeitsgrenze von aktuell 475,86 Euro verdient, zahlt ordentlich Beiträge. Für unselbstständige Angestellte sind das etwas mehr als 18 Prozent von ihrem Lohn, dazu kommen noch Arbeitgeberbeiträge. Die Regierung will bei der Krankenversicherung ansetzen: Dieser Beitrag beläuft sich auf 7,65 Prozent der Lohnsumme und soll 2022 um 1,7 Prozentpunkte sinken. Wobei nur Einkommen bis 2.500 Euro brutto im Monat profitieren werden.

Ein paar Rechenbeispiele für die Entlastungen, und zwar bei Vollausbau der Steuerreform ab 2025: Ein Paar mit zwei Kindern, der Mann verdient 3.500 Euro brutto und die Frau 1.800 im Monat. Insgesamt spart sich die Familie im Jahr 1.715 Euro an Steuern, also etwa 143 Euro im Monat. Bei einer Familie, in der der Mann 2.500 Euro brutto und die Frau nur 1.000 Euro verdient und die ebenfalls zwei Kinder hat, summiert sich die Ersparnis auf 1.408 Euro im Jahr. Das sind 117 Euro im Monat.

Bei einer Alleinverdienerin mit 1.000 Euro brutto sind es bloß um die 438 Euro Ersparnis, also monatlich 40 Euro.

Die Entlastung als absoluter Betrag ist bei Besserverdienern am größten, prozentuell profitieren aber Geringverdiener, die genug Steuern zahlen, stärker. Das ist bei jeder Senkung der Einkommenssteuer der Fall.

Die Steuerreform ist nicht die erste unter Sebastian Kurz: Im vergangenen Jahr wurde der Eingangssteuertarif von 25 auf 20 Prozent gesenkt. Noch ÖVP und FPÖ haben die Sozialversicherungsbeiträge bei Niedrigverdienern gesenkt, Grüne und ÖVP haben diesen Bonus erhöht.

Die Ökonomin Margit Schratzenstaller vom Forschungsinstitut Wifo sagt, dass es "nachvollziehbar" sei, dass die Regierung die Einkommenssteuer senke. Damit werde das zurückgegeben, was sich der Staat über die vergangenen Jahre in Form schleichender Steuererhöhungen zusätzlich geholt habe. Schratzenstaller warnt, dass durch die Entlastung ohne Strukturreformen, etwa Ausgabenkürzungen bei Pensionen, Geld für Zukunftsinvestitionen fehlen könnte. (András Szigetvari, 3.10.2021)