Nicht nur mit (großteils erfundenen) Bankgeschäften war das Mattersburger Institut befasst, sondern auch mit Erfindungen.

Foto: Matthias Cremer

Auf einen einzigen Rettungsanker setzte der frühere Chef der Commerzialbank Mattersburg, Martin Pucher, jahrelang: auf Patente, mit denen der Banker das große Geld fürs kleine Institut herbeischaffen wollte. Pucher, der inzwischen riesige, die Bilanzen über Jahrzehnte hinweg aufplusternde Malversationen gestanden hat, rechnete vor allem mit Einnahmen aus einem Ölbinder. Mit den Patenteinnahmen wollten er und seine Kollegin K. (auch sie hat ein Geständnis abgelegt; für beide gilt die Unschuldsvermutung) den Schaden kompensieren, das Patent sei in den letzten zehn Jahren "der einzige Strohhalm" gewesen, sagte Pucher einmal aus.

Verwerten wollte man Erfindungen von Herrn P., die für eine Bank eher ungewöhnliche Unternehmung lief im "Projekt Macom", an einer gleichnamigen Gesellschaft war das Institut mit 24 Prozent beteiligt, den Rest hielten Leute, die dem Erfinder nahestanden. Sehr viele Millionen steckte die Commerzialbank ins Projekt, das dann 300, ja 400 Millionen in die Kassa spülen sollte. Herausgekommen ist aber: nichts.

Klärschlamm-Verwertung

Wie kam die kleine Mattersburger Bank überhaupt auf die Idee, Ölbinder oder CO2-Filter erfinden zu lassen und damit verdienen zu wollen? Das schilderte ein deutscher Experte für keramische Rohstoffe, der Pucher 2005 bis 2007 beraten und vor kurzem als Zeuge ausgesagt hat. Demnach hatte die Bank einen Kunden, der sozusagen auf viel Klärschlamm saß, den es zu verwerten galt. Über P. habe sich Pucher im Mai 2005 an ihn gewendet, so der Zeuge, und er habe unter anderem den Vorschlag unterbreitet, den Klärschlamm für die Erzeugung eines Ölbinders zu verwenden.

In den Jahren bis 2020 ist dann aber offenbar nicht sehr viel gelungen. Laut dem Zeugen, einem früheren Unternehmer, war das Problem, "dass es keine Kostenplanung und keine Marktanalyse" gegeben habe, Pucher und Herr P. seien "verschlossen" gewesen und ihm selbst das sei das Projekt "am Anfang suspekt" und dann "zunehmend unseriös" erschienen. Zu Treffen zum Thema sei Pucher meist zu spät gekommen, dann sei über Fußball getratscht worden, der Banker habe das Projekt weder straff, noch zielstrebig verfolgt.

"Schrottmaschinen" und Abgründe

Er habe den Eindruck, dass der Bankchef schon lange wusste, dass das Ölbinderprojekt die Bank überfordere, "eine derart kleine Bank kann ein derartiges Projekt nicht allein finanzieren", befand der Zeuge. Dazu seien Fehlentscheidungen von Herrn P. gekommen, der für die geplanten Versuche untaugliche "Schrottmaschinen" gebracht habe.

Er selbst sei 2007 ausgestiegen, weil er nicht mit einem Gelingen des Projekts gerechnet habe, erklärte der Zeuge den Ermittlern. In seinen Augen tat das auch Pucher, aber der habe P.s Vorhaben trotzdem weiterverfolgt, weil er "am Abgrund stand und wusste, dass er sofort abstürzt, wenn er P. fallen lässt".

"Larifari"

An Pucher ließ dessen früherer deutscher Berater kein gutes Haar. Der habe kein technisches Verständnis gehabt und das habe sich auch in der Arbeitsgruppe (bestand u.a. aus Herrn P., dem Zeugen und einem Wissenschafter) niedergeschlagen. Der Banker habe zum Geschehen "keine handfeste Einschätzung" gehabt, er habe weder konkrete Vorgaben gemacht, noch sinnvolle Fragen gestellt, kurzum: "Es war larifari." Zur Patentierung des Verfahrens konnte der Deutsche den Ermittlern nichts sagen, er sei da nicht involviert gewesen.

Warum Pucher trotz diverser Rückschläge an der Patententwicklung festhielt? Diese Frage beantwortete der Zeuge recht bildhaft so: "Ich glaube, dass Martin Pucher bis zu den Knöcheln oder sogar höher im Morast steckte und daher daran festhalten musste, um dies auch als Rechtfertigung gegenüber dem Aufsichtsrat zu haben."

Das Ende vom Lied ist bekannt. Ein deutscher Gutachter schätzte den Wert der Umweltpatente vor kurzem auf gerade einmal maximal 980.000 Euro. Die Patente konnten bis heute verwertet werden, auch nicht vom Masseverwalter der im vorigen Sommer umgefallenen Bank. Er wurde im "Kurier" unlängst mit dem Satz zitiert, dass man Gott und die Welt angesprochen habe, ob es Interesse an den Patenten gebe, man habe aber nur ein Angebot bekommen – lautend auf einen Euro.

Kein Erfolg im arabischen Raum

Der Wirtschaftsprüfer der Bank, die damalige TPA, erfragte noch Anfang 2020 Details zu Macom und ihren Vorhaben. Aus den Antworten erschließt sich, dass die Banker noch damals hofften, dass die Gesellschaft mit den Verkaufserlösen aus dem Ölbinder ihre Entschuldung selbst stemmen könnte. Dass die Burgenländer auf dem von ihnen anvisierten arabischen Raum nicht landen konnten, erklärten sie den Prüfern mit Wirtschafts- und Ölkrise, dagegen habe auch der engagierte Lobbyist, "der mit der arabischen Elite stark vernetzt ist, da er mit dieser Generation in Katar studiert hat" nichts ausrichten können. Dessen ungeachtet setzten Pucher & Co auf die rettenden Erlöse aus drei "bahnbrechenden Patenten" aus dem Besitz der Bank, wie es in der Darstellung hieß.

Rosig hatten die Zahlen der von Pucher geführten Macom, an der sein vermeintlicher Rettungsanker vertaut war, schon 2018 nicht mehr ausgesehen: rund 54.000 Euro Verlust und 898,53 Euro Eigenkapital.

Puchers Vermögen verwertet

Pucher selbst hat nicht mehr viel zu verlieren. In seinem Schuldenregulierungsverfahren haben die Gläubiger 1,1 Milliarden (sic) Euro an Forderungen angemeldet, die der Masseverwalter bestritten hat. Puchers Vermögen – Uhren, Schmuck, Wertpapiere und sein halbes Wohnhaus – hat er verkauft, zusammengekommen sind 688.000 Euro. Das gab der Masseverwalter am Montag bekannt. (Renate Graber, 5.10.2021)