Mohamed Auajjar, Vorsitzender der unabhängigen Fact-Finding-Mission in Libyen, hat heute den ersten Bericht über das Land präsentiert.

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Genf – Experten der Vereinten Nationen haben in einem neuen Bericht das erschreckende Ausmaß an Folter, Ausbeutung und Gewalt in Libyen untersucht. Die Verantwortlichen hätten in dem Bürgerkriegsland vermutlich auch Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen, etwa in Gefängnissen sowie gegen Migrantinnen und Migranten, heißt es in dem am Montag veröffentlichten Bericht. Russische Söldner sollen laut UN-Menschenrechtsermittlern in Libyen Gefangene auch getötet haben.

Insbesondere Söldner der Sicherheitsfirma Wagner sollen im September 2019 Gefangene erschossen haben. "Es gibt daher vernünftige Gründe für die Annahme, dass Wagner-Mitarbeiter Kriegsverbrechen begangen haben könnten", heißt es in dem Bericht. Wagner-Mitarbeiter hätten zudem ein Computer-Tablet mit einer Karte zurückgelassen, die 35 Orte zeigte, an denen Landminen in der Nähe von zivilen Gebäuden in Gebieten eingegraben wurden, die von sich zurückziehenden östlichen Streitkräften verlassen wurden. Die Minen, die hauptsächlich in Russland hergestellt wurden, hätten seit Juni 2020 Zivilisten getötet und verstümmelt, die in ihre Häuser zurückkehrten, hieß es.

"Systematischer Angriff auf Zivilbevölkerung"

Für den etwa 30-seitigen Bericht an den Uno-Menschenrechtsrat in Genf werteten die Experten Hunderte Dokumente aus, führten 150 Interviews und suchten nach Hinweisen in Libyen, Tunesien und Italien. Das ölreiche Mittelmeerland war nach dem Sturz von Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 in einem Bürgerkrieg versunken. Dabei rangen zahlreiche Milizen um Macht und Einfluss. Seit fast einem Jahr gilt eine Waffenruhe. Die Zustände unter anderem in Gefängnissen und Internierungslagern für Migranten, von wo immer wieder Berichte über Folter und Gewalt auftauchten, sind weiterhin aber extrem schlecht.

Der Uno-Bericht erwähnt beschädigte Krankenhäuser und Schulen und mögliche Kriegsverbrechen bei verschiedenen Angriffen auf Zivilisten. Die Rede ist auch von Entführungen, Inhaftierungen ohne Anklage in geheimen Gefängnissen, sexueller Gewalt und außergerichtlichen Tötungen, um Gegner zu bestrafen oder zum Schweigen zu bringen. "Folter ist ein etabliertes Merkmal im Strafvollzugssystem", heißt es. Es mangle dort an Hygiene, Essen und medizinischer Versorgung. Insgesamt handle es sich vermutlich um einen "systematischen und verbreiteten Angriff gegen die Zivilbevölkerung". (APA, 4.10.2021)