Weil Tanken teurer wird, sollen Menschen auf dem Land, die aufs Auto angewiesen sind, einen höheren Klimabonus erhalten. Das sorgt für Kritik.

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Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) spricht sich gegen das "Auseinanderdividieren" von Stadt und Land aus.

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Am Sonntag wurde die Steuerreform präsentiert, seit Montag ist zudem klar, wie der von der türkis-grünen Bundesregierung versprochene Klimabonus aussehen wird. Es scheiden sich aber die Geister an der Frage, ob der Klimabonus tatsächlich einen Lenkungseffekt haben wird. Vor allem Wien ist mit der Ausgestaltung alles andere als einverstanden und bezeichnet die Staffelung als unfair.

Als einziges Bundesland ist Wien in einer von der Statistik Austria im Auftrag der Regierung erstellten Österreich-Karte auf Stufe 1 gereiht, die Höhe des Klimabonus beträgt in der Bundeshauptstadt damit 100 Euro. Städte wie Graz, Innsbruck und Linz fallen in die zweite Stufe, wo alle Erwachsenen 133 Euro jährlich erhalten sollen. Die dritte Stufe (167 Euro) erhalten viele Umlandgemeinden, 200 Euro gibt es vorwiegend auf dem Land.

Am Dienstag pochte der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) darauf, dass das Paket noch einmal aufgeschnürt werde. "Wir waren nicht eingebunden und nicht vorinformiert", sagte er bei einer Pressekonferenz. Es werde viel Geld verschoben – das betreffe Bundesländer, Städte und Gemeinden. Zudem sei die von der Bundesregierung vorgelegte Reform "weder ökologisch noch sozial".

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Städte würden in besonderer Art und Weise benachteiligt, Wien werde "insbesondere schlechtergestellt". Er appelliert an die Regierung, Gerechtigkeit walten zu lassen. Auch abseits des Klimabonus übt Ludwig Kritik. Der Familienbonus komme jenen zugute, die ohnehin schon gut verdienen.

"Klimaschutzfreundliches Agieren belohnen"

Durch die CO2-Steuer werden jene belohnt, die keinen Beitrag leisten, so Ludwig. Dabei sollte das Gegenteil passieren: Man müsse klimaschutzfreundliches Agieren belohnen, nicht bestrafen, spielt er auf die Einstufung in Sachen Klimabonus an.

Ludwig ist nicht damit einverstanden, dass nur Wienerinnen und Wiener 100 Euro erhalten, alle anderen in Österreich Lebenden gestaffelt mehr. In der Bundeshauptstadt gebe es seit über 20 Jahren ein Klimaschutzprogramm.

Im Wohnbau oder Verkehr werden entsprechende Maßnahmen gesetzt. Besonders hebt Ludwig den öffentlichen Verkehr hervor, wo es gelungen sei, viele zum Umstieg zu bewegen.

Mit ein wenig Augenzwinkern sieht er zumindest einen Vorteil der Steuerreform: Man habe nun eine Bestätigung, dass Wien die einzige Stadt Österreichs sei, die einen gut ausgebauten öffentlichen Verkehr hat; wobei er auch das eigentlich "unfair" findet: Es gebe auch andere Städte in den Bundesländern, die sich sehr dafür einsetzen und den öffentlichen Verkehr ausbauen.

Maßnahmen kompensieren

Ludwig fordert "Gerechtigkeit" für die Wiener Bevölkerung und will in die weiteren Gespräche eingebunden werden. Es werde dabei auch darum gehen müssen, wie manche Maßnahmen kompensiert werden können. Die Stadt Wien werde das von der Bundesregierung vorgelegte Paket 450 Millionen Euro kosten. Das Ausspielen von Städten und ländlichen Gemeinden müsse ein Ende haben, sagte Ludwig zudem: "Ich bin gegen ein Auseinanderdividieren."

Eine Reaktion der Bundesregierung folgte prompt. "Ich bedaure, dass der Wiener Bürgermeister den arbeitenden Menschen diese Entlastung offenbar nicht gönnt", sagte Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP). Sie forderte Ludwig auf, seinen "Schaukampf gegen die Bundesregierung" zu beenden und darüber nachzudenken, wie er im eigenen System sparen und die Steuerzahler entlasten könne.

"Einfach nur unfair"

Entrüstet hatte sich schon am Montag SPÖ-Landesparteisekretärin Barbara Novak gezeigt. Es entbehre "jeglicher logischen Grundlage", dass die Wienerinnen und Wiener den niedrigsten Klimabonus erhalten. "Das ist nicht sozial, sondern einfach nur unfair", sagte Novak. Wien arbeite seit vielen Jahren daran, den ökologischen Fußabdruck einer Millionenstadt niedrig zu halten. Nun würden die Bewohner "bestraft, weil sie jeden Tag die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen oder mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren und ihre Autos zu Hause stehen lassen", so Novak.

Günter Steinbauer, Geschäftsführer der Wiener Linien, zeigte sich auf Twitter empört: "Verstehe ich das richtig: Die Landbewohner tragen mehr zur Klimaerwärmung bei, unter der die Stadtbewohner mehr leiden, und damit das so bleibt, kriegt man am Land einen Klimabonus?"

Kritisch sieht auch ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian die regionale Differenzierung des Klimabonus. In Wien, wo das Argument ist, dass wegen des großen Öffi-Angebots nur der geringste Bonus ausbezahlt werden soll, seien die Heizkosten hoch, verwende doch fast die Hälfte der Haushalte Heizöl oder Gas. "Den Preis dafür zahlen Mieterinnen und Mieter, die sich die Heizung nicht aussuchen können", so Katzian.

"Stadtmalus zur Klientelbefriedigung"

Weil die angekündigte Staffelung des Klimabonus auf das örtliche Mobilitätsangebot abstellt und der Anteil an Gasheizungen in Ballungszentren besonders hoch ist, drohe den Städten eine doppelte Benachteiligung, warnte auch SPÖ-Wohnbausprecherin Ruth Becher. "Einen Stadtmalus zur Klientelbefriedigung einzuführen ist der falsche Zugang", sagte Becher in Richtung ÖVP.

Regierung: Heizen durch Klimabonus abgedeckt

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) verteidigte die Kategorisierung beim Klimabonus. "Wenn es ums Heizen in Wien geht, dann ist das so gedacht, dass das mit 100 Euro abgedeckt ist", sagte er am Montagabend in der "ZiB 2". Eine vierköpfige Familie erhalte 300 Euro pro Jahr – jeweils 100 die Erwachsenen in der Familie, zusätzlich gibt es 50 Euro pro Kind. Der regionale Ausgleich sei "entlang der Güte des öffentlichen Verkehrs" und entsprechend der Infrastruktur definiert worden. Und es werde ja auch in Wien, etwa mit dem Fernwärme-Ausbauprogramm, der Umstieg auf umweltfreundliche Alternativen gefördert, sagte er zur Tatsache, dass die vielen Mieter in der Bundeshauptstadt nicht selbst über ihre Heizung bestimmen können.

Ins selbe Horn bläst Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Die Mehrkosten für das Heizen würden auch in Wien durch den Bonus abgedeckt, auf dem Land würden wegen der "größeren Betroffenheit" zusätzlich die höheren Kosten für das Autofahren abgegolten, sagte er am Montag im Interview auf Puls 24.

Opposition kritisiert Reform

Pamela Rendi-Wagner erklärte in der ZiB2 des ORF, dass es kaum Gewinner der Steuerreform gebe. Von Lohnsteuersenkungen und Familienbonus profitierten lediglich Großverdiener, sagte die SPÖ-Chefin, die Verständnis für Bürgermeister Ludwigs Reaktion zeigte.

Die Wiener FPÖ sprach von einem "Skandal der Sonderklasse". "Viele Wiener leben in Mietwohnungen und können es sich nicht aussuchen, wie sie heizen. Die Hälfte der Wiener Haushalte wird mit Gas beheizt und muss sich jetzt auf einen saftigen Preisanstieg gefasst machen", wetterte FP-Chef Domink Nepp.

Kritik auch aus Linz

Doch auch abseits von Wien sorgt der Bonus für Wirbel. Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) sieht darin einer Benachteiligung für Stadtbewohner, die weniger CO2 verursachen, aber höhere Wohnkosten haben als die Bevölkerung auf dem Land. Dafür werden sie von der türkis-grünen Bundesregierung bestraft. Dass Linz zudem in derselben Stufe wie Bezirksstädte liege, versteht der Bürgermeister nicht.

Für ihn ist es "schlichtweg nicht nachvollziehbar", nach welchen Kriterien die Klimabonus-Einstufung erfolgt sei, er habe vom Bund keine validen Daten erhalten. Vielleicht sei es so wie mit der Corona-Ampel, deren "Schaltung unbekannt ist", macht er seinem Ärger als Stadtoberhaupt Luft. Weiters stößt ihm sauer auf, dass "CO2-Sünder" wie Häuselbauer auf dem Land, die "Boden versiegeln" und "täglich mit dem Auto in die Stadt pendeln", belohnt werden. Die Pläne der Bundesregierung bedeuten für ihn nichts anderes als: "Wer mehr CO2 verursacht, der bekommt mehr Geld." Dies bezeichnet Luger als Schildbürgerstreich. Wolle die Bundesregierung den Klimaschutz wirklich fördern, dann gehöre eine Stadtpauschale geschaffen, mit der höhere Lebenskosten kompensiert werden.

Regionale Differenzierung "kann geboten sein"

Dem Gesetzgeber komme im Bereich des Abgabenrechts ein weiter Gestaltungsspielraum zu, analysiert Peter Bußjäger, Experte für Verwaltungsrecht und Föderalismus. "Angesichts der unterschiedlichen Betroffenheiten kann eine regionale Differenzierung sogar geboten sein", schreibt er zum Klimabonus auf Twitter.

Der Gesetzgeber habe auch einen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum dahingehend, ob er ländliche oder urbane Regionen stärker fördert. Pauschalierungen und die Anwendung von Durchschnittssätzen seien dabei durchaus vom Verfassungsgerichtshof akzeptiert. Der neue Klimabonus sei "keineswegs von vornherein verfassungswidrig". (rwh, 5.10.2021)