Wann hat man schon Gelegenheit, einen richtigen Weltmeister zu treffen? Also beginnen wir unser Gespräch mit einer typischen ORF-Sportreporter-Frage: "Wie hat es sich angefühlt, als Sie 2018 an der Küste von Rügen Champion geworden sind und für Österreich die Trophäe nach Hause gebracht haben?"

"Genial!", antwortet Philipp Stary, 35-jähriger Analytiker und Stoffstromplaner in der Papierindustrie und eines der Aushängeschilder einer kleinen, aber sehr lebendigen Szene, deren Mitglieder an Wochenenden und bei möglichst schwierigen Witterungsbedingungen gerne an einem Hang (oder an der Küste, wenn es gerade wo ein Meer gibt) ihre Modellflieger in den Wind schleudern.

Philipp Stary flog vor drei Jahren zum Weltmeistertitel. Dabei erreicht sein Fluggerät bis zu 250 km/h, während er es mit äußerster Präzision steuert. Kommendes Wochenende findet in Hainburg die Staatsmeisterschaft statt.
Foto: Christian Fischer

"Hangflugklasse F3F" nennt sich der Bewerb, bei dem das Fluggerät möglichst schnell auf einem Kurs, der vorher mit einem Abstand von hundert Metern zwischen zwei Wendemarken definiert wurde, zehnmal hin- und hergelenkt werden muss, macht einen Kilometer. Dabei gebe es unterschiedliche Flugtechniken: "Entweder ich fliege das Modell in der Wende nach unten, oder ich ziehe das Modell in der Wende nach oben." Das Ziel wäre jeweils, die Windenergie zu nützen und durch Steuerbefehle in größtmögliche Geschwindigkeit umzusetzen. Dabei erreichen die Modelle auch mal bis zu 250 km/h und werden im Abstand von manchmal nur zehn Zentimetern am Fluggelände entlangmanövriert. Am Ende, und nach sechs Wettbewerbstagen, lag Stary auf Rügen um 1,4 Sekunden voran. Groß berichtet hat darüber zu Hause natürlich niemand, schon gar nicht der ORF. Aber seine "mentale Stärke", lacht er, die für seinen Sieg auch verantwortlich war, ließ ihn das wegstecken.

Weniger Hobby, mehr Sport

Grundsätzlich, erklärt er, gebe es verschiedene Flugmodelle für unterschiedliche Einsätze. Neben der F3F-Hangklasse noch die Klasse F3B für die Ebene, wo die Flieger mit einer Seilwinde in die Lüfte gezogen werden und der Pilot verschiedene Flugaufgaben erfüllen muss. Seine Baureihe sechs mit einer Flügelspannweite von knapp drei Metern und einem Gewicht von circa zwei Kilogramm habe sich in den letzten Jahren zu hochkomplexen und extrem leistungsfähigen Modellen entwickelt und bestehe aus laminierten Karbonfasern. Ins Innere baut er dann sechs Servos (Diener) ein, mit denen die Ruderklappen bewegt werden, die Tragflächen haben eine eigene Mechanik mit einem Empfänger, der mittels einer 1200 Euro teuren Standardfernbedienung über das "Linear Drive System" (LDS) angesteuert wird. Die rot-weiß-blaue Lackierung ist dem Hintergrund geschuldet, der ein strahlendblauer, aber auch wolkenverhangener Himmel sein kann. Davor muss er das Modell hochkonzentriert stets im Auge behalten, sonst "verliert" er es und muss es dann irgendwo im Gemüse oder im Wald suchen. Wenn es nicht überhaupt "fetzenhin" ist. So nennt man in der Fachsprache einen Totalverlust.

Die Speed-Modellflieger erreichen bis zu 250 Kilometer pro Stunde.
Foto: Christian Fischer

Modellfliegen ist Sport. Die Abwurfgeschwindigkeit, sagt Stary, liege bei seinem Weltmeistermodell zwischen 40 und 50 km/h, wofür man durchaus einen trainierten Arm brauche. Dazu mentale Stärke, Konzentrationsvermögen, kurze Reaktionszeiten und ein hohes Verständnis für das Zusammenwirken von Thermik und Flugkurs. Richtig gute Piloten gebe es in Österreich einige. So stellte sein Zwillingsbruder David vor einigen Jahren den Weltrekord auf, der gleich darauf von seinem Kollegen Lukas Gaubatz übertroffen wurde. Zur Weltmeisterschaft in Rügen qualifizierte er sich mit einem Dreierteam, das sich über Witterungs- und sonstige Verhältnisse austauschte. Verschiedene Fähigkeiten und Blickwinkel erhöhen das eigene Verständnis und die Leistungsfähigkeit. Die unterschiedlichen Hänge mit ihren unterschiedlichen Verhältnissen verlangen viel Training, es muss das richtige Fluggerät gewählt und für das entsprechende Wetter abgestimmt und ballastiert werden. Wenn er den Flieger dann steuert, so Stary, strebe er Perfektion an und verschmelze mit ihm. "Dann bin ich weg."

Der Besuch einer Modellbaumesse vor 20 Jahren weckte seine Begeisterung für das Fliegen, mittlerweile nennt er es "das schönste Hobby überhaupt". Je nachdem, wonach man strebe, könne es Ausgleich oder Sport bedeuten, Meditation oder Adrenalinschub. Letzteren erreicht man durch Flugtechniken wie "Dynamic Soaring", bei der man durch Nutzen von Scherwinden Geschwindigkeiten von über 300 km/h erreichen könne.

Eine teure Geschichte

Freilich ist es kein ganz billiges Hobby: "Welcher Jugendliche hat schon 5.000 Euro, um sich mit zwei, drei guten Modellen auszurüsten? Einen Führerschein und ein Auto, um zum Hang zu kommen?" Neben der sportlichen Herausforderung locke aber vor allem das Gemeinschaftserlebnis immer wieder neue Leute an den Hang, überwiegend Männer, wie Stary zugibt, die dann aber – im Unterschied zu anderen Männergruppen am Wochenende – während des Steuerns ihrer Modelle nüchtern bleiben und sich erst nach den gewagten Flugmanövern ein paar Biere gönnen.

Die Tragflächen haben eine eigene, 1.200 Euro teure Fernbedienung.
Foto: Christian Fischer

Mit einigen seiner Kollegen gründete Stary den Modellflugverein F3Freunde. Einzelpersonen eines solchen Vereins können dann auch eine Staatsmeisterschaft veranstalten, wie sie am kommenden Wochenende am Braunsberg bei Hainburg stattfinden wird. Freudig empfangen werde man als Modellflieger nicht unbedingt, sagt er, schnell komme das "typisch Österreichische" durch, wenn man sich mit seinem Flugmodell aufbaut: "Wos mochts ihr do? Derfts ihr des?" Mit Jägern, Bauern und Wanderern findet man im Gespräch meist einen Konsens. Die Auflagen seitens der Behörden würden ständig mehr werden, es brauche bei Wettbewerben Absperrmaßnahmen und Umleitungen von Wanderwegen, die Flugordnung ist zu jeder Zeit einzuhalten, und ohne Drohnenführerschein geht für einen Modellflieger sowieso nichts.

Winden muss es

Anders als klassische Naturliebhaber wünschen sie sich aber für dieses Staatsmeisterschaftswochenende nicht strahlenden Sonnenschein und angenehme Windstille, sondern möglichst schwierige Witterungsverhältnisse mit möglichst starken Winden. Nicht umsonst heißt es Meisterschaft, und die zeige sich eben nur, wenn es ordentlich zur Sache gehe. In den Herbst hinein trenne sich dann ohnehin die Spreu vom Weizen: Wer keinen Spaß empfinde, wenn ihn trotz langer Unterhose der Windchill in eine halbsteife Eisfigur verwandelt lasse, der sei für dieses Hobby dann wohl doch nicht geschaffen. Und wer das Modell dann nicht bei bis zu 250 km/h Geschwindigkeit kontrollieren könne, der werde wohl auch nie Weltmeister. (Manfred Rebhandl, 6.10.2021)