Der Großbrand in einem Fahrzeugdepot der Stadt Rom hätte symbolischer nicht sein können: Nur wenige Stunden zuvor war Virginia Raggi, die Bürgermeisterin der italienischen Hauptstadt, abgewählt worden. Verlotterte, sich selbst entzündende Busse waren in der fünfjährigen Amtszeit fast zu einem der Markenzeichen der überforderten Bürgermeisterin geworden – genauso wie die allerorts überquellenden Müllcontainer und die Wildschweine, Ratten und Möwen, die sich daran gütlich tun.

Arrivederci. Nach 67 Prozent 2016 bekam Virginia Raggi in Rom nur noch 19 Prozent: Die Bürgermeisterin landete am vierten Platz – eine Katastrophe.
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Am Sonntag und Montag sagten die Römerinnen und Römer "basta": Raggi, vormals Aushängeschild der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung, landete bei den Kommunalwahlen mit 19 Prozent der Stimmen abgeschlagen auf dem vierten Platz.

In anderen Städten stürzte die vom Starkomiker Beppe Grillo gegründete Partei noch schlimmer ab: In Neapel erzielten die "Grillini" nur 9,7 Prozent (2018: 52,4), in Turin 8,0 Prozent (2018: 23,8), in Mailand kaum wahrnehmbare 2,7 Prozent (2018: 18,2).

Schmerzhaft waren die Wahlen in 1.300 Gemeinden auch für die Konkurrenz am rechten Rand, ganz besonders für die Lega von Matteo Salvini. In seiner Heimatstadt Mailand wurde der Ex-Innenminister regelrecht gedemütigt: Seine Partei stürzte im Vergleich zu den Europawahlen 2019 von 27,4 Prozent auf 10,8 Prozent ab.

Enttäuschte Rechte

Ein Debakel setzte es auch in Neapel, Bologna und Rom: Die Lega kam in der Hauptstadt nur auf 6,1 Prozent, während die postfaschistischen Fratelli d'Italia seiner rechten Rivalin Giorgia Meloni mit 18 Prozent vorerst stärkste Partei wurden. Doch auch Melonis Partei blieb deutlich hinter den Erwartungen – und bei der römischen Stichwahl hat der Kandidat der Linken die viel besseren Karten.

Gestärkt wurden hingegen die moderaten Kräfte, allen voran der sozialdemokratische Partito Democratico von Enrico Letta. Zu den Gewinnern zählt aber justament auch Silvio Berlusconi: Der ehemalige Skandalpremier gilt mittlerweile geradezu als Garant für eine bürgerliche, proeuropäische Politik und als verlässlicher Koalitionspartner von Regierungschef Mario Draghi. Berlusconis Forza Italia wurde etwa in Kalabrien stärkste Partei.

Negativ fiel überall die sehr niedrige Wahlbeteiligung auf, 54 Prozent bedeuten einen neuen Negativrekord. Dennoch ist offensichtlich, dass die populistischen Kräfte an Schwung verloren haben: Die Regierungskoalition von 2018/19 mit Salvini als Innenminister, der die Häfen für Flüchtlingsboote schloss, wirkt heute bereits wie politische Prähistorie.

Harmonie zwischen Salvini und Meloni gibt es nur am Selfie: Beide fischen im selben Teich, beide erlitten eine Niederlage.
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Dem Rechtspolitiker haftet mittlerweile ein Verlierer-Image an, er steht sogar in seiner Partei unter großem Druck. Und die Fünf-Sterne-Bewegung, die ausgezogen war, um die "Dinosaurier der alten Parteien" zu vertreiben? Nun, sie ist selbst vom Aussterben bedroht.

Wunsch nach Normalität

Eineinhalb Jahre Pandemie und die Ernennung von Ex-EZB-Chef Draghi zum Ministerpräsidenten im Februar dieses Jahres haben die Prioritäten der Italienerinnen und Italiener nachhaltig verändert. Die in Lampedusa ankommenden Flüchtlinge stellen heute weit weniger ein Problem dar als der Wunsch nach Rückkehr in die Normalität. Und dieses Comeback scheint mit dem unaufgeregten Draghi deutlich einfacher erreichbar zu sein als mit irgendwelchen Populisten, die noch immer mit Impfgegnern flirten. Der wahre Sieger der Kommunalwahlen ist denn auch der 73-jährige Premier, Mario Draghi. (Dominik Straub aus Rom, 5.10.2021)