In den 1980ern zählte Liao Yiwu zu den bekanntesten Untergrundautoren Chinas. Bücher von ihm sind bis heute verboten.

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Heidenreichstein – "Bevor ich ins Gefängnis geworfen wurde, war ich ein Dichter, der sich nicht um Politik scherte. Aber nach dem Gefängnis habe ich mich verändert. Das Gefängnis ist meine Ausbildung und Inspirationsquelle meines Schreibens", sagt der chinesische Autor Liao Yiwu (63). Seit den 1980ern zählt er zu den bekanntesten Untergrundautoren Chinas. Vollends berühmt machte ihn sein Gedicht Massaker über die Proteste auf dem Tian’anmen-Platz, für das er vier Jahre Gefängnis ausfasste. Weil er es nicht drucken lassen konnte, hatte er es auf Tonband gesprochen und so verbreitet. Auf internationalen Druck ein paar Tage vorzeitig entlassen, blieb er vom Regime aber politisch verfolgt. Bis ihm 2011 die Flucht nach Deutschland gelang.

Aus Berlin reist der Autor heuer als Ehrengast zum Festival Literatur im Nebel nach Heidenreichstein im Waldviertel. Diesen Freitag und Samstag steht Liao Yiwus Werk zwei Tage lang im Zentrum von Lesungen und Gesprächen.

Chronist der Opfer

Gelesen wird von Marie-Luise Stockinger, Sona MacDonald oder Elisabeth Orth etwa aus dem Band Fräulein Hallo und der Bauernkaiser: Chinas Gesellschaft von unten, der teils auf Gesprächen basiert, die Liao Yiwu nach seiner Haft in den 90ern mit sozial Ausgestoßenen geführt hat. Für Gott ist rot reiste er später in Bergdörfer Chinas, in denen Christen als verfolgte Minderheit leben. Für Die Kugel und das Opium sprach der Autor mit Zeugen und Angehörigen der Opfer des 4. Juni 1989; im zuletzt erschienenen Buch Herr Wang, der Mann, der vor den Panzern stand geht es noch einmal um den Widerstand von 1989.

Über Liao Yiwu wird Schriftstellerkollegin Herta Müller sprechen, der u. a. mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnete Autor wird an beiden Tagen aber auch selbst zu Wort kommen. (wurm, 5.10.2021)