Österreichische Technologie strebt ins All: Enpulsion – ein Spin-off-Unternehmen der FH-Wiener-Neustadt-Forschungstochter Fotec – etwa entwickelt erfolgreich neuartige Antriebe für eine neue Generation von Raumfahrzeugen.
Foto: Enpusion

Man schaut nicht hinunter auf die Erde, sondern irgendwo hin, wegen der Schwerelosigkeit", stellte Franz Viehböck erst einmal klar, als er Ende vergangener Woche – wie so oft dieser Tage, auch im STANDARD – von seinem glorreichen Flug durchs All erzählte.

Dabei sah er nicht nur die vielzitierte Schönheit des blauen Planeten. Schon vor 30 Jahren, als er mit der Mission Austromir zwischen 2. und 10. Oktober acht Tage auf der Raumstation Mir verbrachte, waren die von den Menschen verursachten Schäden sichtbar: abgebrannte Urwälder in Brasilien, ein geschrumpfter Aralsee, verschmutzte Flüsse, der Persische Golf, der infolge des Golfkriegs mit schwarz-grauen Wolken bedeckt war. "Das war extrem zu beobachten", sagte Viehböck bei einer Festveranstaltung im Technischen Museum Wien anlässlich des Austromir-Jubiläums.

Wer "Austronaut" Franz Viehböck als nächster Österreicher oder nächste Österreicherin ins All nachfolgen wird, steht noch in den Sternen.
Foto: APA/ROBERT JÄGER

"Viehböck war kein Weltraumtourist, sondern ein Wissenschaftskosmonaut", betonte Peter Aufreiter, Generaldirektor des Technischen Museums. Austromir habe nicht nur die österreichische Forschungslandschaft nachhaltig verändert, sondern sei auch ein Leuchtturmprojekt gewesen, was internationale Zusammenarbeit betrifft.

Neue Player am Weltraumsektor

Doch was ist übrig geblieben von der Euphorie rund um den ersten und immer noch einzigen Österreicher im All? Immerhin hat sich der Weltraumsektor in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt: Immer mehr Länder streben ins All, private Akteure und neue Geschäftsmodelle haben ein neues Raumfahrtzeitalter eingeläutet. Österreichs Investitionen in den Weltraumsektor haben sich allerdings kaum verändert – derzeit sind es jährlich rund 70 Millionen Euro.

"Österreich droht zurückzubleiben in diesem Umfeld", sagte Andreas Geisler, Leiter der Agentur für Luft- und Raumfahrt der Förderagentur FFG. Es gelte, Prioritäten zu setzen und sich auf die Stärken der heimischen Weltraumforschung zu konzentrieren, die vor allem in der Zulieferung für Satellitensysteme zur Erdbeobachtung und Navigation sowie bei Kleinsatelliten liegen.

Welchen Weg Österreich in der Weltraumpolitik künftig einschlagen will und wie weit dabei nach den Sternen gegriffen werden soll, lässt sich an der neuen Weltraumstrategie 2030+ ablesen, die nach einem offenen Partizipationsprozess kürzlich vom Klimaschutzministerium vorgelegt und beim Austromir-Festakt von Ministerin Leonore Gewessler präsentiert wurde.

Daten aus dem All

Darin nimmt Klimaforschung eine bedeutende Rolle ein: Durch Satelliten gesammelte Daten sollen nicht nur integraler Bestandteil des täglichen Lebens werden, sondern als Basis für eine nachhaltige Entwicklung auf der Erde dienen sowie bei Umweltüberwachung und Katastrophenmanagement helfen.

Verschiedene Fördermaßnahmen werden vorgeschlagen, um österreichische Unternehmen bei ihren Weltraumaktivitäten zu stärken. Eine Stiftungsprofessur soll die wissenschaftliche Exzellenz in dem Bereich ergänzen. Schließlich soll für Geschlechtergerechtigkeit und Diversität gesorgt und der Dialog mit der Bevölkerung in Sachen Weltraumforschung intensiviert werden.

Start der Sojus-Rakete 1991 mit Franz Viehböck an Bord.
Foto: APA/ROBERT JÄGER

Von einem neuen Raumfahrer oder einer Raumfahrerin, der oder die in die Fußstapfen von Franz Viehböck treten kann, ist in dem Strategiepapier jedoch keine Rede, ebenso wenig wie von Explorationen im Sonnensystem, die über den Erdorbit hinausreichen.

Wenig Chance für astronautische Raumfahrt

Angesichts der Kosten der astronautischen Raumfahrt müsse man strategisch wohl oder übel auf dem Boden bleiben, sagt Andreas Geisler von der Agentur für Luft- und Raumfahrt dem STANDARD. "Österreich ist kein Land, das große Initiativen starten kann." Ein einwöchiger Flug zur Internationalen Raumstation ISS koste die Europäische Weltraumagentur Esa 40 bis 50 Millionen Euro, also ungefähr das Jahresbudget der österreichischen Esa-Beteiligung, rechnet Geisler vor.

Sehr wohl würden sich aber heimische Akteure implizit an astronautischer Raumfahrt beteiligen, so etwa an der geplanten Mondstation Lunar Gateway. Dafür sollen die Firmen TTTech und Ruag Netzwerktechnik liefern; die Weltraumarchitektin Barbara Imhof designt ein Habitationsmodul. "Eine Initiative, um die erste österreichische Frau ins All zu bringen, wäre ein Statement", sagt Geisler, ein derartiges Projekt könne aber nicht von öffentlicher Hand gestemmt werden.

Interesse an Astronautik

"Luft nach oben" sieht Willibald Stumptner, Vorstand des Österreichischen Weltraumforums, was die aktuelle Weltraumstrategie betrifft: "Einige der derzeit boomenden Trends im Raumfahrtbereich mit großem Wertschöpfungspotenzial so wie wiederverwendbare Raketen privater Anbieter, Konstellationen tausender Kommunikationssatelliten im niederen Erdorbit und private bemannte Raumfahrt finden sich noch nicht darin. Es ist zu hoffen, das die dort angesprochene Förderung junger "New Space"-Start-ups und junger Talente aus Wissenschaft und Technik wie in anderen vergleichbaren Ländern mit wenig(er) bürokratischen Hürden erfolgt."

Der Ergometer "Motomir" wurde während der Austromir-Mission erfolgreich getestet und verblieb lange auf der Raumstation Mir, um die Muskeln der Kosmonauten zu trainieren. Jetzt ist er im Technischen Museum Wien zu sehen.
Foto: Technisches Museum Wien / SEDLACZEK Gerhard

Dabei scheint gerade das Interesse an einem physischen Flug ins All immens: Bei der derzeit laufenden Stellenausschreibung für Astronautinnen und Astronauten der Esa haben sich mehr als 22.000 Personen beworben (bei der letzten Ausschreibung 2008 waren es rund 8400), darunter fast ein Viertel Frauen. Aus Österreich stammen 464 Kandidaten und Kandidatinnen, davon 115 Frauen. Dazu kommen zwei österreichische Bewerber (von insgesamt 257) mit einer körperlichen Behinderung. Denn zum ersten Mal sollen auch "Parastronauten" ins All fliegen. Die finale Auswahl wird Ende 2022 stehen.

Wer jetzt schon einen Hauch All schnuppern will, kann in den kommenden Wochen die Sonderausstellung AustroMir im Technischen Museum Wien besuchen, wo neben persönlichen Gegenständen von Franz Viehböck, etwa dessen Raumanzug, vor allem die wissenschaftlichen und technischen Experimente präsentiert werden – mit zum Teil abenteuerlich wirkenden Gerätschaften, die letztlich Anschub für bedeutende Innovationen waren. (Karin Krichmayr, 6.10.2021)