Foto: NHM Wien, Christina Rittmannsperger

Im Februar 2019 präsentierte das Naturhistorische Museum in Wien (NHM) einen spektakulären Neuzugang: ein Skelett eines Plateosaurus trossingensis aus der Trias. Die Dauerleihgabe der Gemeinde Frick im Schweizer Kanton Aargau hatte allerdings einen kleinen, doch nicht unbedeutenden Haken: Die Knochen des rund 210 Millionen Jahre alten Dinosauriers wurden in dutzenden Kisten angeliefert und mussten erst von ihrer steinernen Matrix befreit werden.

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Rund zweieinhalb Jahre später ist der Knochenjob nun endlich beendet, und das sechs Meter lange Skelett ist als neues Prunkstück des NHM aufgebaut. In 15.000 Arbeitsstunden legte das Präparatorenteam des Museums hunderte Knochen und Knochenfragmente aus den Gesteinsblöcken frei. Diese waren von den Schweizer Paläontologen zum Glück bereits vorsortiert und detailliert dokumentiert worden, damit hatten die Präparatoren eine gewisse Orientierung, womit in den einzelnen Brocken zu rechnen ist.

310 Knochen bilden das Skelett des Plateosauriers. In der noch im Aufbau befindlichen Sonderausstellung "KinoSaurier" ist er das Highlight.
Foto: NHM / Alice Schumacher

Dinosaurierpuzzle

Das fertige Skelett besteht nun aus 310 Einzelteilen – für jeden musste eine eigene Halterung individuell angepasst und geschweißt werden. Nicht alle der aufgebauten Knochen sind jedoch original: Bei immerhin 61 Prozent handelt es sich um echte Fossilien, die restlichen 39 Prozent stammen aus dem 3D-Drucker. Zwar ist das Tier zu rund 80 Prozent erhalten, und dem NHM stand außerdem ein zweites, weniger umfangreiches Exemplar für Ersatzteile zur Verfügung, das letztlich acht Knochen beisteuerte. Viele der Fossilien sind jedoch nach Jahrmillionen unter Gesteinsschichten nur verdrückt erhalten geblieben.

Für jeden Knochen musste die Halterung individuell angepasst werden.
Foto: NHM Wien / Alice Schumacher

3D-Scan und Druck

Mit der bloßen Präparation war es also nicht getan: Die Knochen wurden mithilfe eines 3D-Strukturlichtscanners digitalisiert, entzerrt, ausgedruckt und eingefärbt. Andere fehlende Stücke wie zum Beispiel Teile der Gliedmaßen konnten vom jeweiligen Gegenstück gespiegelt werden.

Foto: NHM Wien / Alice Schumacher

Dass die ausgedruckten Knochen farblich so angepasst wurden, dass sie bei einem schnellen Blick nicht von den fossilen Vorbildern zu unterscheiden sind, hat einen einfachen Grund, sagt der Leiter der paläontologischen Abteilung des NHM, Mathias Harzhauser: Es geht um den Gesamteindruck, denn die Teile "schauen in Weiß einfach nicht gut aus". Damit keine falschen Tatsachen vorgespiegelt werden, ist dem Skelett eine Grafik beigestellt, in der die originalen Fossilien ausgewiesen sind.

Das Präparatorenteam (von links nach rechts Iris Feichtinger, Anton Fürst und Anton Englert) bei der Montage des Skeletts.
Foto: NHM Wien / Alice Schumacher

Kopfloser Dinosaurier

Ein nicht unwesentliches Detail des Skeletts konnte mithilfe des vorhandenen Materials aber nicht reproduziert werden: Dem Dinosaurier fehlt der Kopf. Abhilfe kam in diesem Fall aus Stuttgart, woher eine Kopie eines passenden Exemplars bezogen wurde.

Der Kopf des Plateosaurus ist eine Kopie eines Schädels aus Stuttgart.
Foto: NHM Wien, Christina Rittmannsperger

Dass ausgerechnet der Schädel verloren ging, dürfte an der Art und Weise liegen, wie der Plateosaurus ums Leben kam: Einiges spricht dafür, dass das tonnenschwere, rund zwanzig Jahre alte Tier in sumpfigem Gelände einsank und sich nicht mehr befreien konnte. Raubsaurier – deren Anwesenheit durch den Fund eines Theropodenzahns bei der Präparation belegt wurde – bedienten sich am Kadaver und verschleppten dabei wohl den Kopf.

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Luxusproblem: Zu viele Dinos

In der Tongrube Gruhalde in Frick wurde in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder mehr oder weniger komplette Plateosaurier gefunden – so viele, dass das kleine örtliche Museum sich um gute Plätze für die Tiere umsehen kann. Die beiden Individuen, die dem NHM zur Verfügung gestellt wurden, wurden in den Jahren 2009 und 2015 geborgen. Es handelt sich tatsächlich um einen richtigen Dinosaurierfriedhof.

Krallen eines Plateosauriers an der Fundstelle in der Tongrube Gruhalde in Frick.
Foto: Sauriermuseum Frick

Doch auch an vielen anderen Orten in Mitteleuropa wurden schon Plateosaurier entdeckt. Die Gattung gehört damit zu den am besten dokumentierten Dinosauriern überhaupt. Schon 1837 wurde der zu den Sauropodomorpha, also den sogenannten Langhalssauriern, gehörende Plateosaurus erstmals beschrieben – als fünfter Dinosaurier überhaupt. Plateosaurus dürfte im Gegensatz zu seinen späteren gigantischen Verwandten vor allem auf den Hinterbeinen gelaufen sein, auch wenn er sich wohl ebenso vierbeinig bewegen konnte.

Ausgrabungen in Frick.
Foto: Sauriermuseum Frick

Ab 20. Oktober ist der Plateosaurus als Highlight der neuen Sonderausstellung KinoSaurier. Fantasie und Forschung zu sehen. Das NHM widmet sich dabei dem Blockbuster-Thema Dinosaurier aus einer popkulturellen und kinematografischen Perspektive. Das Augenmerk richtet sich auf den durch immer neue Forschungsergebnisse bedingten Wandel in der Darstellung der erdmittelalterlichen Riesen. Nach dem Ende der Schau im April 2022 soll der Plateosaurus dann in den Mesozoikumsaal der Dauerausstellung an seinen endgültigen Platz übersiedeln. (Michael Vosatka, 6.10.2021)

Ab 20. Oktober sind im NHM die Dinos los.
Foto: NHM Wien, Günter Nikodim