Diese Hausdurchsuchungen erschüttern die Republik. Gut möglich, dass es diese Regierung bald nicht mehr gibt – jedenfalls in dieser Zusammensetzung.

Sebastian Kurz wird wieder als Beschuldigter geführt. Jetzt geht es um Untreue und Bestechlichkeit. Als weitere Beschuldigte nennt die Korruptionsstaatsanwaltschaft sein engstes Mitarbeiterumfeld, zwei Meinungsforscherinnen sowie die Brüder Fellner, Herausgeber und Eigentümer der Zeitung Österreich. Zur Klarstellung und Einordnung: Es ist keine Verurteilung, es liegt noch nicht einmal eine Anklage vor. Es geht um eine "Anordnung zur Durchsuchung und Sicherstellung" durch die Korruptionsstaatsanwaltschaft. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Bundeskanzler Sebastian Kurz wird wieder als Beschuldigter geführt.
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Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, die von der ÖVP vor kurzem als "linke Zelle" diffamiert wurde: Kurz und sein Umfeld hätten sich Umfragen gekauft, sie hätten diese nach ihren Vorstellungen gestaltet und dann in Österreich erscheinen lassen, außerdem hätten sie mit Inseraten eine wohlwollende Berichterstattung für Kurz gesteuert. So ist es in der Anordnung zu den Hausdurchsuchungen argumentiert. Die Hausdurchsuchungen fanden am Mittwoch in der ÖVP-Zentrale, im Bundeskanzleramt und im Finanzministerium statt.

Der Beschluss ist gut dokumentiert und mit Beispielen versehen. Es werden Nachrichtenverläufe zwischen den Beteiligten zitiert, die belegen sollen, dass Kurz auch direkt eingebunden war. Es geht um seine Machtübernahme in der ÖVP und in der Folge in der Republik. Da haben er und seine Mitstreiter offenbar ordentlich angetaucht. Liest man den Akt, kann man zu dem Schluss kommen, dass Kurz mit unlauteren Mitteln Kanzler wurde.

Bundeskanzler Sebastian Kurz und seinen engsten Vertrauten wird Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit vorgeworfen. Wir haben die wichtigsten Infos in unter drei Minuten zusammengefasst
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Skrupellosigkeit

Kurz hat die Operation Bundeskanzleramt generalstabsmäßig angelegt. Das wusste man. Er ist äußerst machtbewusst, über den Grad der Skrupellosigkeit kann man nur spekulieren. Er und sein Team, das aus loyalen Freunden und ergebenen Mitarbeitern besteht, haben nichts dem Zufall überlassen. Sie sind bei ihrem Vorhaben, Kurz ins Kanzleramt zu hieven, offenbar über Grenzen gegangen, möglicherweise auch über jene, die das Strafgesetzbuch zieht. Geld für begleitende Maßnahmen hatte Kurz nicht. Und die Partei gab ihm keines. Das kam offenbar über Umwege aus dem Finanzministerium, wo Vertraute an der richtigen Stelle saßen.

Dass manche Medien, die eigentlich eine Kontrollfunktion haben, hier mitspielen, ist bitter. Es ist kein Geheimnis, dass es in Österreich eine Art Inseratenkorruption gibt. Die Regierung – und nicht nur die Regierung – bucht gut bezahlte Inserate und erwartet sich dafür etwas. Die Frage ist, ob sie es bekommt.

Im vorliegenden Fall dürfte es ein Geben und Nehmen gewesen sein, ein Gegengeschäft im schlechtesten Sinn. Da geht es nicht nur um, schlimm genug, Gefälligkeiten, sondern um gekaufte Berichterstattung. "So weit wie wir bin ich echt noch nie gegangen", schreibt etwa Thomas Schmid im Chat mit einem Pressemann von Kurz. "Geniales Investment. … Wer zahlt, schafft an. Ich liebe es."

Das kann und darf so nicht durchgehen. Die Staatsanwaltschaft muss ihre These jetzt untermauern und eine Anklage vorbereiten. Und möglicherweise ist das noch gar nicht alles. Angesichts dessen, was schon bekannt ist, muss sich Sebastian Kurz überlegen, wann er Konsequenzen zieht. (Michael Völker, 6.10.2021)