In den Hörsälen sind ihre Stimmen zwar wie alle in den vergangenen Semestern verstummt, doch still war die rechte Uni-Szene auch in der Pandemie nicht. "Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Freiheit klaut" – mit diesem Transparent war der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) auf zahlreichen Corona-Demos unterwegs. Bei den gutbesuchten Protesten marschierten auch andere Rechts-außen-Protagonisten wie Identitären-Chef Martin Sellner regelmäßig mit.

Gegen den regelmäßigen "Farbenbummel" von Burschenschaftern an der Rampe der Uni Wien gibt es immer wieder linke Proteste. Dann ist auch Polizei vor Ort, wie hier im Bild kurz vor Pandemieausbruch.
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Auf wenig Anklang stoßen die Aktivitäten der FPÖ-Studentenorganisation hingegen offenbar bei der Masse der Studierenden. Seit vielen Jahren rangiert der RFS bei ÖH-Wahlen weit unter den Ergebnissen der Mutterpartei bei rund zwei Prozent, während er Ende der 1960er-Jahre – bevor der Hochschulzugang erleichtert wurde – noch auf 30 Prozent kam.

Scharnier zum Parlament

Aber lässt sich die Relevanz mit niedrigen Wahlergebnissen gleichsetzen? Welche Rolle spielen das rechte und das universitäre Milieu füreinander? Rechte Tendenzen, so viel steht fest, finden sich an Österreichs Hochschulen auf allen Ebenen: von den Studierenden bis zu den Professoren, die sich neben der Uni oft auch in einschlägigen Verlagen, Publikationen oder Konferenzen tummeln. Auch manche Institute – etwa die Rechtsinstitute – sind berüchtigt für einschlägige Strömungen. Und für das politische Führungspersonal der Rechten hierzulande ist der enge Bezug zum akademischen System nicht wegzudenken, analysiert Bernhard Weidinger vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW).

Das liege an den Burschenschaften, die "als Scharnier zwischen parlamentarischem und außerparlamentarischem Extremismus" fungierten. Die schlagenden Männerbünde gelten als Kaderschmiede der FPÖ. Obwohl das deutschnationale Verbindungswesen in Österreich nur 4.000 Personen umfassen dürfte, stellten Korporierte in der FPÖ-Geschichte 30 Prozent der Funktionäre, hat Weidinger ermittelt. Im aktuellen blauen Parlamentsklub liegt der Anteil sogar noch darüber.

Auch beim RFS mischen laut DÖW Burschenschafter kräftig mit, auch wenn dessen Obmann Matthias Kornek eine konkrete Zusammenarbeit bestreitet. So hat Kornek selbst in einer RFS-Zeitschrift über das "Leben als Couleurstudent" berichtet. Dennoch ist man um Abgrenzung bemüht: Von Florian Köhl etwa, der früher neben dem RFS auch bei der Burschenschaft Olympia war und Kontakte zu den rechtsextremen Identitären pflegt. Mittlerweile hat der RFS Köhl allerdings ausgeschlossen, heißt es zum STANDARD.* Denn dieser habe "bei uns nichts zu suchen", erklärt RFS-Obmann Kornek.

Rolle der Burschenschaften

Öffentlich sichtbar zeigen sich die Burschenschafter traditionell beim wöchentlichen "Farbenbummel" an der Rampe der Uni Wien. Verhältnismäßig stärker verankert als in Wien sind Burschenschaften an der Montanuni Leoben. Dort sind sie "ganz selbstverständlich in das universitäre Brauchtum integriert", sagt Experte Weidinger mit Verweis auf den Ledersprung, ein bergmännisches Aufnahmeritual. In der Leobener Studierendenvertretung regiert eine RFS-nahe, von deutschnationalen Burschenschaftern geprägte Fraktion neuerdings sogar in der ÖH-Koalition mit der konservativen Aktionsgemeinschaft mit.

Generell bilden die kollektiven Rituale der Burschenschaften einen wichtigen Anziehungspunkt für die Mobilisierung von Studenten in die rechte Szene. Verena Fabris, Leiterin der Beratungsstelle für Extremismus, erklärt: "Es geht um Sinnsuche und darum, als junger Mensch Anschluss an eine Gemeinschaft zu finden." Die Ideologie spiele da zunächst eine untergeordnete Rolle – aber laut Weidinger lasse man sich leichter umgarnen, wenn man einen Hang zum Rechten hat. Gerade bei Burschenschaften sei auch die Rekrutierung in der Familie wichtig: War der Vater in einer Verbindung, geht der Sohn ebenso. In diesen Fällen sei ein Ausstieg besonders schwer: "Das ist, wie aus einer Sekte auszusteigen. Der Betroffene verliert sein komplettes soziales Umfeld", sagt Fabris.

Weidinger warnt indes davor, rechte Ideologien im Uni-Kontext nur bei den Burschenschaften zu verorten. Autoritäre Denkmuster zeigten sich bei einem weit größeren Personenkreis. So stimmten 2018 bei einer Umfrage des Wiener Instituts für Arbeitsmarkt und Bildungsforschung 16 Prozent der Studierenden zumindest teilweise der Aussage zu, dass es eine starke Führungspersönlichkeit geben solle, die sich nicht um Wahlen oder Parlament kümmert. Ein niedriger Stimmenanteil bei den ÖH-Wahlen heißt also noch lange nicht, dass der gesamtgesellschaftliche Rechtsruck die Studierenden nicht erfasst. (Maria Prchal, 13.10.2021)