Am Sonntag, vor der ÖVP-Hausdurchsuchung, traten Vizekanzler Kogler und Kanzler Kurz noch gemeinsam vor die Kameras. Herumgeworfen wurde mit stolzen Zahlen.

Foto: APA / Herbert Neubauer

Die größte Steuerreform der Zweiten Republik: Als solche hat die (noch) amtierende Regierung aus ÖVP und Grünen ihr bisher markantestes Werk verkauft. Doch stimmt das überhaupt? SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer meldete Zweifel an. Geht es um die Senkung der Lohn- und Einkommensteuer, den für die breite Masse entscheidenden Teil, dann sei die rot-schwarze Reform von 2015 und 2016 größer gewesen, sagt der Abgeordnete.

DER STANDARD hat bei Margit Schratzenstaller vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) nachgefragt. Ihrer Rechnung nach hat die Lohn- und Einkommensteuersenkung von damals mit einem Volumen von 4,98 Milliarden tatsächlich die vergangenen Sonntag präsentierte Entlastung (3,48 Milliarden) überstiegen. Allerdings war dies nur die zweite Etappe der türkis-grünen Steuersenkungen, in der ersten wurde im Vorjahr bereits der Eingangssteuersatz gesenkt. Zählt man dies dazu, liegt der Umfang mit 5,18 Milliarden über dem Paket von 2015/16.

Unrecht hat Krainer trotzdem nicht. Denn der absolute Betrag hat nur begrenzte Aussagekraft, weil eine Milliarde heute wegen der Inflation weniger wert ist als vor fünf Jahren. Gemessen an der Wirtschaftsleistung liegt dann doch wieder die rot-schwarze Lohn- und Einkommensteuersenkung mit 1,3 zu 1,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes vorn.

Es kommt nicht nur auf die Größe an

Allerdings sei die Vergleichbarkeit begrenzt, merkt Schratzenstaller an. Schließlich haben ÖVP und Grüne auch eine gezielte Entlastung für jene Menschen eingeplant, die wegen zu niedriger Einkommen nicht unter die Steuerpflicht fallen: Rechnet man die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge ein, kommen im Vollausbau noch einmal 1,2 Milliarden hinzu.

Vergleicht man das gesamte Volumen der Steuerreformen inklusive Unternehmensentlastungen und anderer Maßnahmen, dann rangiert das türkis-grüne Paket sowohl nach der absoluten als auch nach der relativen Entlastung unangefochten vor allen anderen Beispielen seit der Jahrtausendwende. Über die Qualität sagt der Größenvergleich allein allerdings noch nichts aus. Bei einer Steuerreform geht es nicht immer nur um Senkung. Ziel kann es auch sein, die Belastung zwischen den Gruppen anders zu verteilen oder – wie jetzt versucht – ökologische Anreize zu setzen. Die für Lohnsteuerzahler sehr spürbare Steuerreform von 2015/16 etwa brachte wegen starker Gegenfinanzierung insgesamt die geringste Nettoentlastung. (Gerald John, 7.10.2021)