56,4 Prozent der Berlinerinnen und Berliner stimmten am 26. September dafür, dass große Wohnungskonzerne mit Beständen ab 3000 Wohnungen enteignet werden sollten.

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Ein Gespenst geht um in Berlin: das Gespenst der Enteignung. Eine knappe Mehrheit der Berliner Bevölkerung votierte im September dafür, große Wohnungsunternehmen zu "vergesellschaften", wie die Enteignung auch genannt wird.

Konkret wurde der Berliner Senat aufgefordert, ein Gesetz zur Vergesellschaftung von ungefähr 240.000 Wohnungen in Berlin zu erarbeiten. Betroffen wären alle privaten Wohnungsunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen in der deutschen Hauptstadt, mit Ausnahme der Genossenschaften.

Nicht bindendes Votum

Das Votum ist zwar für die Politik nicht bindend. Diskutiert muss darüber nun aber natürlich werden. Und zwar von einem neuen Berliner Abgeordnetenhaus, das zeitgleich mit dem Volksentscheid (und dem Bundestag) gewählt wurde.

Die neue Stadtregierung ist gerade im Entstehen, es sieht nach einer SPD-geführten rot-rot-grünen Regierung unter der neuen Oberbürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) aus. Sie hat sich bereits dafür ausgesprochen, den Volksentscheid "respektieren" zu wollen. "Es muss jetzt auch die Erarbeitung eines solchen Gesetzentwurfes erfolgen", sagte sie wenige Tage nach der Wahl. Nachsatz: "Aber dieser Entwurf muss dann eben auch verfassungsrechtlich geprüft werden."

Denn dass solche "erzwungenen" Rückkäufe von Immobilien vor den Verfassungsrichtern halten würden, ist alles andere als sicher. Das ist der eine Hasenfuß an der Geschichte. Der andere ist, dass sich das Land Berlin bekanntermaßen die Rückkäufe gar nicht wirklich leisten kann.

Der Umgang mit dem Volksbegehren, das "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" genannt wurde, wird für die Berliner Politik also alles andere als einfach; zumal sich auch erst kürzlich der Deutsche Städte- und Gemeindebund klar gegen Enteignungen ausgesprochen hat. "Wer glaubt, man löst Wohnungsnot durch Enteignungen, der ist auf dem Holzweg", sagte dessen Geschäftsführer Gerd Landsberg.

"Wiener Modell für Berlin"

Daniel Riedl, Vorstand bei der Buwog-Mutter Vonovia, die gerade dabei ist, die Deutsche Wohnen zu schlucken, sieht das naturgemäß genauso. "Dadurch, dass man Wohnungen verstaatlicht, entsteht keine einzige zusätzliche Wohnung." Und grundsätzlich sei natürlich auch die Frage zu beantworten, "ob das grundrechtskonform ist und ob es das gelindeste Mittel ist, das zur Verfügung steht, um das Ziel zu erreichen". Das Ziel lautet: Berlin braucht mehr günstigen Wohnraum.

Riedl hat diesbezüglich einen Vorschlag für das Land Berlin: Anstatt die kolportierte Summe von 15 bis 37 Milliarden Euro, die – je nach Bewertung – für den Rückkauf von 240.000 Wohneinheiten nötig wäre, in bestehende Wohnungen zu stecken, sollte Berlin stattdessen damit Grundstücke kaufen. Denn die Grundstückspolitik funktioniere in Berlin bei weitem nicht so gut wie beispielsweise in Wien oder Hamburg, sagt Riedl dem STANDARD.

In Wien sorgt der Wohnfonds für die Grundstücksbevorratung, dadurch kommen immer wieder auch günstige Liegenschaften für Bauträger auf den Markt. "Dort kaufen dann auch wir, auch wenn ein Teil davon dann eben als geförderter Wohnbau errichtet werden muss", sagt Riedl. Das Wiener System möchte er der Berliner Politik "absolut empfehlen".

In Hamburg laufe es ähnlich, dort gibt es laut Riedl eine Drittelregelung: Ein Drittel muss aus Sozialwohnungen bestehen, ein Drittel aus freifinanzierten Miet-, ein Drittel Eigentumswohnungen.

Viele Buwog-Projekte in Berlin

In Berlin gebe es unter 1000 Euro je Quadratmeter Wohnfläche überhaupt keine Grundstücke mehr, Mietwohnungen seien deshalb nur noch durch die Mischung mit Eigentumswohnungen möglich, quasi über eine Quersubventionierung. Grundsätzlich werde die Buwog, die 2018 von Vonovia übernommen wurde und kürzlich ihr 70-Jahr-Jubiläum feierte, aber weiterhin auch Mietwohnungen in Berlin errichten. "Berlin wächst schnell, ist eine coole Stadt." Die Buwog, unter deren Marke das Development-Geschäft der Vonovia auch in Deutschland läuft, hat zahlreiche aktuelle Projekte in Berlin, viele davon am Wasser gelegen, an der Spree oder an der Dahme. Man kämpfe aber da und dort auch mit langen Verfahren, "vielleicht wird das ja mit einer anderen Stadtregierung besser".

Deutsche-Wohnen-Übernahme läuft

Vonovia ist nach der nun geglückten Übernahme der Deutsche Wohnen mit rund 550.000 Wohneinheiten der bei weitem größte Bestandshalter in Deutschland. Die Zusammenführung beider börsennotierter Konzerne werde jetzt ein "großes Integrationsprojekt, das uns sicher noch ein, zwei Jahre beschäftigen wird", sagt Riedl. "Aber wir haben ja auch mit der Buwog schon bewiesen, dass wir das können."

Knapp 15.000 Wohneinheiten haben die beiden Konzerne übrigens noch vor dem Übernahmedeal verkauft – an drei kommunale Berliner Wohnungsgesellschaften. Mit diesem monatelang verhandelten Deal stieg der kommunale Bestand auf 375.000 Wohneinheiten, berichtete der Tagesspiegel. Fast alle Wohneinheiten dieser Transaktion gehörten früher einmal dem Land Berlin. (Martin Putschögl, 8.10.2021)